Nassenfels
"Es muss wohl erst etwas passieren"

Eltern und Bürgermeister fordern sichereren Schulweg in Nassenfels

19.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:33 Uhr
Unübersichtlich nicht nur für Kinder: Sowohl besorgte Eltern als auch Bürgermeister Thomas Hollinger wollen etwas unternehmen, um die Kreuzung an der Bushaltestelle mitten in Nassenfels sicherer zu machen. Aber das ist nicht so einfach. −Foto: Zengerle

Nassenfels - "Es muss wohl erst etwas passieren, damit sich etwas ändert", sagt Franziska Finkenzeller vorwurfsvoll und blickt auf die Kreuzung mitten in Nassenfels, während ihre Tochter nebenan an der Haltestelle spielt, wo die Busse halten.

Der Schulweg über die vielbefahrene Hauptstraße, die durch den Ort führt und von der unter anderem die Wolkertshofener Straße zur Schule und zum Kindergarten abzweigt, solle entschärft werden, findet nicht nur sie, sondern auch eine Gruppe von Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen.

Unterstützung erhalten sie dabei von Bürgermeister Thomas Hollinger, den das Thema schon seit Jahren beschäftigt. Die zuständigen Behörden dagegen können die elterlichen Sorgen verstehen, sehen aber auch nach einer jüngsten Ortsbegehung keine besondere Gefahrensituation. Gleichzeitig wird an der Ortsumfahrung im Westen (siehe weiteren Artikel) geplant, denn dafür gebe es aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in Nassenfels durchaus Bedarf.

Noch während des Pressegesprächs vor Ort wird klar, worum es geht: Ein kleines Mädchen fährt mit dem Tretroller über den Fußgängerüberweg auf die Verkehrsinsel in der Mitte der Staatsstraße 2035, die von Eichstätt kommend durch Nassenfels und anschließend weiter nach Neuburg führt. Unsicher blickt es nach links und rechts. Schließlich hält ein silberfarbener Golf an und lässt das Mädchen über die Fahrbahn. Sie hätte es sicher auch so auf die andere Seite geschafft. Aber die Szene reflektiert ganz gut die Sorgen, die sich viele Nassenfelser Eltern über den Schulweg ihrer Kinder machen.

Denn der führt für die meisten Grundschüler über die viel befahrene, relativ steile Eichstätter Straße, wie die Staatsstraße im oberen Teil heißt, hinüber in die Wolkertshofener Straße, wo Grundschule und Kindergarten liegen.

Wirklich passiert ist bisher mit Kindern noch nichts. Aber erst im Herbst 2019 war es genau an jener Kreuzung zu einem Unfall mit einem Rollerfahrer aus Nassenfels gekommen. "Die Verkehrssituation vor der Bushaltestelle mit den vielen einmündenden Straßen ist schon für Erwachsene recht unübersichtlich - noch viel mehr aber für Kinder", sagt der besorgte Vater Corbinian Dollinger, der sich für eine Entschärfung des Schulwegs einsetzt - und daher nun mit anderen Eltern den Weg an die Öffentlichkeit sucht.

Schulweghelfer seien eine gute Lösung, meint Lisa Marie Mayr. Die habe es früher einmal in Nassenfels gegeben, aber es sei eben schwierig, dauerhaft jemanden zu finden. So hofft man auf andere Lösungen - und dass die Behörden einlenken.

Denn das ist bisher nicht geschehen. Beim Landratsamt in Eichstätt als der zuständigen Straßenverkehrsbehörde liege "momentan ein Antrag von einem Vater eines Grundschulkindes vor. Der Antrag wurde von der Gemeinde Nassenfels an uns weitergeleitet", wie Pressesprecher Manfred Schmidmeier erklärt. Die Gemeinde Nassenfels habe zudem 2019 einen Antrag auf eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer beantragt. Außerdem habe man bereits über verschiedene Lösungen wie etwa eine Geschwindigkeitsbeschränkung nur für Lkw oder einen Kreisverkehr gesprochen. Die seien aber alle abgelehnt worden, klagt Bürgermeister Hollinger. Dabei sei die Situation schon unter seinem Amtsvorgänger Andreas Husterer ein Thema gewesen, dem er 2014 nachgefolgt war.

Doch so einfach ist das alles nicht: Auf einer Staatsstraße etwa müsse der Radius eines Kreisverkehrs mindestens 30 Meter betragen, damit auch der Schwerlastverkehr oder der Schneepflug durchkämen - Gehwege noch nicht mitgerechnet, wie Elena Merk, die zuständige Abteilungsleiterin beim Staatlichen Bauamt Ingolstadt, mitteilt. "Da wären wir längst im Garten der Anwohner. " Auch ein Zebrastreifen, wie ihn die Eltern unter anderem anregen, und andere Lösungen seien schwierig, teilt das Landratsamt mit. Einen Fußgängerüberweg mit Verkehrsinsel gibt es an der Stelle bereits.

"Es ist fraglich, ob eine zusätzliche verkehrsrechtliche Regelung die Situation dort verbessern kann", sagt Schmidmeier vom Landratsamt. Zebrastreifen könnten für Grundschulkinder "problematisch sein", so die generelle Einschätzung von Experten. Das Vorrangverhältnis zwischen Fußgängern und Fahrzeug sei in der Praxis häufig unklar, so dass eine "Abstimmung" mit den Autofahrern erfolgen müsse, die man aber von Kindern kaum erwarten könne. Eine Fußgängerampel, die aus Sicht der Elternvertreter eine gute Lösung wäre, sei aus verschiedenen Gründen - unter anderem wegen des Verkehrsflusses - generell nur die letzte Möglichkeit. Vor allem aber müsse eine solche Lösung verhältnismäßig sein: nämlich ob "aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung insbesondere der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs erheblich übersteigt".

Ist die Stelle also wirklich besonders gefährlich? Denn wenn dem so wäre, würde die Behörde auch zügig und so gut wie eben möglich tätig werden, bestätigt Schmidmeier. Hier scheiden sich die Geister: Während sich betroffene Eltern nicht nur wegen der zahlreichen Lkw mehr Sicherheit für ihre Kinder wünschen, müssen Behördenvertreter die Situation nach fachlichen Standards beurteilen. Und sie sehen an der Stelle weder eine allzu sehr erhöhte Gefahrensituation noch sinnvolle Möglichkeiten zu einer entscheidenden Verbesserung.

Das hat auch erst vor kurzem eine Ortseinsicht ergeben. Vertreter der Fachbehörden, also des Landratsamts, des Staatlichen Bauamtes und der Polizeiinspektion Eichstätt sowie der Gemeinde Nassenfels hatten sich Ende Oktober vor Ort getroffen und den Verkehr morgens knapp zwei Stunden lang begutachtet. "Es querten dort 40 Kinder und 15 Erwachsene die Staatsstraße auf Höhe der bestehenden Querungsstelle" - Zahlen, die sich mit der Einschätzung Hollingers decken: Betroffen seien von den rund 80 Kindern, die in Nassenfels zur Schule gingen, wohl rund 30, schätzt der Bürgermeister.

Das Fazit der Experten fällt deutlich aus: "Es wurden keine Auffälligkeiten beim Queren der Staatsstraße festgestellt. Die Verkehrsteilnehmer haben sich sehr vorbildlich dort verhalten, indem sie vor der Querungsstelle anhielten, sobald Kinder die Straße queren wollten. Es war hier nicht mal ansatzweise eine ungute Situation vorhanden. Im Übrigen waren ausreichend große Lücken im Verkehrsfluss vorhanden", so die Analyse.

Natürlich könne man die Bedenken der Eltern verstehen, aber letztlich müsse man möglichst objektiv entscheiden, sagt Elena Merk. Man erkenne im Gegensatz zu anderen Situationen in anderen Gemeinden wie etwa in Hepberg, wo man bereits tätig geworden ist, in Nassenfels keinen Handlungsbedarf. "Und selbst wenn, gäbe es in der Region mehrere andere Stellen, die Priorität hätten", sagt sie.

Durchaus Priorität gibt es an anderer Stelle: Um die Marktgemeinde herum wird nämlich längst eine Ortsumfahrung geplant, die "sicher eine erhebliche Entlastung für Nassenfels bringen wird - sonst würden wir es ja nicht machen", sagt Stephan Blauth, der Leiter des Staatlichen Bauamtes. Er hofft, dass die Vorplanung bis Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sei und man 2023 mit dem Bau beginnen könne - wenn die Nassenfelser nicht intervenieren und Rechtsmittel einlegen. So könnte die paradoxe Situation entstehen, dass die einen Bürger des Ortes ausgerechnet die verkehrstechnische Lösung blockieren, die den Wunsch der anderen nach Entlastung für den Verkehr im Ort bringen könnte. Denn die Umgehung wird im Westen um den Ort herumführen und auf der anderen Seite Richtung Neuburg weiterführen und soll dabei den Verkehr auf der bisherigen Staatsstraße, die dann zudem zur Kreis- und Ortsstraße abgestuft würde, nach Berechnungen der Behörden im Ort um 45 Prozent verringern (siehe auch Kasten).

Das ändert zwar am Schulweg vieler Nassenfelser Kinder nichts, aber immerhin am Verkehrsaufkommen. Und so kommen am Ende doch wieder die Schulweghelfer ins Spiel. Die seien zwar nicht leicht zu finden. "Aber in vielen Orten haben wir welche", sagt Elena Merk. "Vielleicht gibt es ja auch in Nassenfels Eltern, die sich tageweise abwechseln. Das wäre eine gute und einfache Lösung. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. "

EK

Stephan Zengerle