Augsburg
Es muss gestorben werden

Fabian Alder bringt in Augsburg Schillers "Die Räuber" auf die Bühne – als Parabel für das Unsühnbare

13.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:50 Uhr

„Es ist kein Gott“: Franz Moor (Tjark Bernau) und die Verlobte seines Bruders Karl, Amalia (Lucy Wirth) - Foto: Schaefer

Augsburg (DK) Ein bisschen Eifersucht, ein wenig Lotterleben, zwei gefälschte Briefe – mehr brauchte Friedrich Schiller nicht, um in „Die Räuber“ eines der größten Dramen der Literaturgeschichte in Gang zu bringen. Um die Mitglieder einer gräflichen Familie in tiefste Verzweiflung und Tod zu stürzen, in Verbrechen, die so furchtbar sind, dass sie in dieser Welt nicht mehr gesühnt werden können, sondern erst in der nächsten.

Wenn es möglich ist. Denn schon in dieser Welt „wohnet das Recht beim Überwältiger“, sind die Gesetze „beleidigt“, ist die Ordnung so „misshandelt“, dass sogar Zweifel an der höchsten Ordnung entstehen: „Es ist kein Gott“, sagt Franz Moor.

In der Premiere am Theater Augsburg entfaltet sich die Geschichte des verlorenen Sohnes Karl Moor zunächst wie gehabt. Sein Bruder, weniger geliebt, weniger smart und vor allem nachgeboren, intrigiert, um in den Genuss der väterlichen Gunst und vor allem des väterlichen Erbes zu kommen. Im Glauben, vom Vater zurückgewiesen worden zu sein, wird Karl Anführer einer Räuberbande. Bald hat der einst tugendhafte Karl so viel Blut an den Händen, dass eine Rückkehr in den Schoß der Familie nicht mehr möglich ist.

Erst an diesem Punkt zeigt sich an der bis dahin eher konventionellen Inszenierung, zu welcher Deutung sich Regisseur Fabian Alder entschlossen hat: Stärker noch als in Schillers Vorlage konzentriert er sich auf das Unumkehrbare, das Unsühnbare. Die Tode, die im letzten Akt gestorben werden, sind fast nur noch funktional. Das Sterben hat in den stark gerafften Szenen seine tragische Dimension verloren: Gestorben wird, weil nach alledem gestorben werden muss.

So stirbt auch Karls Verlobte, Amalia, als wär’s ein Spiel. Fabian Alder hat aus der reinen, hingebungsvollen Amalia eine wehrhafte gemacht, zugleich aber auch eine fast wahnhaft ergebene, die bravourös von Lucy Wirth gespielt wird. Ihre Amalia scheint der griechischen Tragödie entsprungen, mal rasende Erinnye, mal pathetisch überzeichnete Liebende. Umso bedauerlicher, dass Ulrich Rechenbach als Karl zu farblos bleibt.

Überhaupt bleibt die gesamte Inszenierung über weite Strecken farblos. Die Räume der Drehbühne (Ausstattung Susanne Hiller) sind gut bespielbar, wirken aber altbacken. Und altbacken wirkt mitunter auch das Geschehen auf der Bühne. Was schade ist, denn an anderen Stellen zeigt Fabian Alder, wie man dem Stoff Leben einhauchen kann. Die Räuber-Szenen haben alles, was gutes Theater haben kann: Energie und Rhythmus, sind stimmungsgeladen, zeugen von choreografischem Gespür und setzen Mittel wie Musik oder Licht passgenau ein. Das gibt den Schauspielern Raum für wirklich gutes Spiel wie Alexander Darkow als eiskaltem Rattenfänger.

Jenen, die glauben, die größten Dramen spielten sich im Finale irgendwelcher Castingshows ab, sei der Besuch von „Die Räuber“ empfohlen. Denn spätestens nach einem Abend mit Schiller und seiner wunderbaren Sprachgewalt weiß jeder, dass jene künstlichen Fernseh-Tragödien nicht tiefer als auf den Grund eines Suppentellers reichen.