Nürnberg
Entspannte Fahrten durch die Blaue Nacht

Im historischen Omnibus um die pulsierende Altstadt - Eine Rundfahrt mit Busfahrer Christopher

07.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:09 Uhr
  −Foto: Fotos: Pelke

Nürnberg (HK) Christopher fährt immer im Kreis. Die ganze "Blaue Nacht" hindurch kutschiert er die Besucher mit seinem historischen Omnibus rund um die pulsierende Altstadt. Auch auf diese Art ist dieser ereignisreiche Samstag in Nürnberg ein Erlebnis.

"Bitte einsteigen!", ruft Busfahrer Christopher, während Andrea die drei Stufen beim Einstieg erklimmt und sich im Rücken des Fahrers in einem der weich gepolsterten Sitze fallen lässt, die mit herrlich rotem Kunstleder bezogen sind. "Puh! Mit dem Bus ist die ,Blaue Nacht einfach bequemer", sagt die Nürnbergerin und lacht, während der alte Diesel im ersten Gang lostuckert. "Ich war gerade im Opernhaus. Jetzt will ich zur Burg, um einen guten Platz für die Burgprojektion zu bekommen." Zu Fuß durch die rappelvolle Altstadt? Das wäre der kunstverliebten Frau dann doch zu viel des Guten gewesen.

Bei der nächsten Haltestelle bekommt Christopher hinter dem Steuer plötzlich einen Kuss. "Das ist meine Michelle", sagt der Busfahrer. Diese Mitfahrerin bedankt sich auf besonders liebevolle Weise dafür, dass sich Christopher als aktives Mitglied der Nürnberger Straßenbahn-freunde ehrenamtlich hinter das Lenkrad des historischen Omnibusses aus dem Jahr 1959 klemmt, um die ganze Blaue Nacht lang die Altstadt zu umrunden.

Derweil haben die 120 Pferdestärken des alten Gefährts den Vestnertorgraben im Rücken der Kaiserburg erreicht. Andrea winkt kurz dem Fahrer zu und hüpft dann die drei Stufen beim Ausstieg hinunter. Viele andere Fahrgäste wählen denselben Weg. Denn von der Haltestelle ist es nur ein Katzensprung zur Burgprojektion und damit zum Höhepunkt jeder "Blauen Nacht". Heuer hatte Dan Reeder, Nürnberger Künstler-Urgstein mit amerikanischen Wurzeln, die Ehre. Im Internet kursieren bereits Fotos von Riesenbratwürsten, die wie zum Anbeißen über die Kaiserburg tanzen.

Norbert ist einer der wenigen Fahrgäste, die nicht aussteigen und noch im Bus sitzen bleiben. "Ich mache eine Rundfahrt. Ich genieße es, meine Stadt heute Nacht aus einer anderen Perspektive zu erleben", sagt er und erklärt, dass er bisher noch keine Blaue Nacht verpasst habe. "Als Bürger hat man die Verpflichtung, seine Anerkennung für das Engagement der Stadt und der vielen ehrenamtlichen Helfer mit der Teilnahme und dem Kauf eines Tickets auszudrücken", sagt der Nürnberger.
Nach 45 Minuten ist die Haltestelle beim Opernhaus wieder erreicht und der siebenjährige Daniel steigt mit einem blauen Luftballontier in den Bus ein. "Ich bin das letzte Kind gewesen, dass einen Luftballon bekommen hat", erzählt der Siebenjährige stolz. "Jetzt fahren wir ins historische Straßenbahndepot. Mit Straßenbahnen kenne ich mich aus. Da fährt das allerneueste Modell", sagt Daniel und zeigt vor dem Hauptbahnhof lässig auf eine vorbeifahrende Tram. Überhaupt die Straßenbahnen. Die sind offensichtlich angesagt bei Familien. "Wir fahren auch zu den Straßenbahnen", schaltet sich Max vom Nachbarsitz ein. "Wir machen seit fünf Uhr die Familientour. Ich finde es schon sehr anstrengend", sagt Mutter Sonja, doch der kleine Max strahlt zufrieden.

"Ist die Stadt sehr voll?", fragt dann ein neuer Passagier den Fahrer. "Ich bekomme von der Blauen Nacht hier am Steuer nicht so viel mit", muss Christopher auf dem Fahrersitz zugeben und erklärt, dass er immer nur "um" und niemals "in" die blau leuchtende Altstadt fahre. Aber er könne sich gut vorstellen, dass sich jetzt mit dem Einbruch der Dämmerung viele der geschätzt 150000 Besucher zur Burg aufmachen. "Dort soll die Hölle los sein", meldet sich ein anderer Fahrgast im nun voll besetzten Omnibus zu Wort und zieht die analoge Klingelleine mit der Glocke. Die komplette Busladung steigt kurz darauf aus und macht sich zur Burg auf. Dort lässt Dan Reeder rote Herzen über die Burg flimmern. Und später fliegen tatsächlich noch Riesenbratwürste durch die blaue Sommernacht.
 

Nikolas Pelke