Ingolstadt
Einfach mal blühen lassen

Auf kommunalen oder kirchlichen Flächen lässt sich mit ein wenig Mut ein großer Beitrag für die Artenvielfalt leisten

07.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:54 Uhr
Wildblumen am Mauerrand - ein solcher Anblick mag für den ein oder anderen ungewohnt sein - doch für die Artenvielfalt sind solche Flächen ein Segen, wie Biologin Christiane Geidel erklärt. −Foto: Wittmann, Meier/LBV

Ingolstadt (DK) Den eigenen Balkon oder den heimischen Garten können Hobby-Gärtner in ein Paradies für die Artenvielfalt verwandeln - hier haben sie das Sagen und können walten und schalten, wie sie wollen.

Anders sieht es bei öffentlichen Flächen im Besitz von Gemeinden oder mit kirchlichen Arealen aus - was hier gepflanzt wird, darauf hat der Einzelne wenig Einfluss. Oder doch? "Natürlich ist die Bewirtschaftung öffentlicher Felder erst einmal Sache der Eigentümer", erklärt Christiane Geidel, Biologin und Gartenexpertin beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein (Kreis Roth). "Aber jeder Bürger kann die Eigentümer ansprechen, ihnen Anregungen geben oder sie darauf hinweisen, wie man auf solchen Flächen mehr für die Artenvielfalt tun kann. "

Geidel ermutigt alle, sich zu engagieren. "Durch das erfolgreiche Volksbegehren ,Rettet die Bienen' sind viele Kommunen sensibilisiert. " Beim Volksbegehren standen vor allem die Landwirte im Kreuzfeuer - in den Augen von Naturschützern ist deren Wirtschaftsweise der größte Treiber des Artenschwundes. Doch einen Beitrag kann jeder leisten.

"Interessierte Bürger könnten sich in Gruppen zusammenschließen und Bauhof oder Gartenamt vorschlagen, zu helfen. " Ideen, was auf kommunalen Flächen anders gemacht werden könnte, hat die Biologin einige. Selbstverständlich sollte es in den Augen von Natur- und Artenschützern sein, auf Pestizide zu verzichten. Durch die richtige Planung und Pflege ließe sich auch auf städtischem Grund viel Wildkraut vermeiden, wenn es denn unbedingt weg muss. Außerdem kommt es auf die Böden an: Split beispielsweise heizt sich auf und unterbindet den Keimprozess der Kräuter. Aber warum immer alles wegschneiden? Man könne auch Grünstreifen entlang der Straßen einfach mal nicht mähen, sondern wachsen lassen. "Und heimische Wildpflanzen sind oft besser an unsere klimatischen Bedingungen angepasst als fremdländische und brauchen daher auch weniger Pflege. Einen Teil der Flächen naturnah zu bewirtschaften bedeutet weniger Arbeit. " Die Blüten zögen eine Vielzahl von Insekten und Schmetterlingen an, "und das sieht auch schön aus".

Abseits der klassischen Stiefmütterchenbeete gebe es zahlreiche Arten, die besser für die Biodiversität seien. Wildtulpen zum Beispiel. "Wenn man solche Maßnahmen auf öffentlichen Flächen in Angriff nimmt, sollte man jedoch die Bevölkerung mit Hinweisschildern darauf aufmerksam machen", empfiehlt Geidel. Über das Aussehen von vertrockneten Blumen könne sich ansonsten so mancher beschweren. Was für den einen nach Verwahrlosung aussieht, ist für den anderen ein Zeichen von Biodiversität, wo es kreucht und fleucht. "Aber wenn man auch mal etwas liegenlässt, können zum Beispiel Larven im Stängelbereich ihre Eier ablegen, und samenfressende Vögel freuen sich auch. " Man müsse vielleicht anfangs ein wenig Mut aufbringen, "aber mit der Zeit akzeptiert die Bevölkerung das auch".

Über Gemeinschaftsprojekte mit Bürgern, Aktionen von Schulklassen oder Kindergärten lässt sich in den Augen der Biologin "etwas Gemeinsames schaffen, das verbindet". Sind mehrere Akteure beteiligt, steigere das das Gemeinschaftsgefühl. "Und gerade für Kinder und Jugendliche ist das ja auch eine tolle Möglichkeit, mehr über die Natur, Tiere und Pflanzen zu lernen. "

Verena Belzer