Dass
Einfach mal abschalten

Audi revolutioniert den quattro-Antrieb um Sprit zu sparen, setzt er nur noch bei Bedarf ein

16.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:12 Uhr

Blick ins Innenleben der neuen quattro-Hinterachse: Eine Klauenkupplung (rot) trennt Tellerrad und Kegelgetriebe (grün) von der sich drehenden Achse - das beseitigt Schleppverluste. ‹ŒGrafik: Audi

Dass sie bei Audi stolz darauf sind, dass man eine neue Technik in einem Auto nicht bemerkt, ist ungewöhnlich. Doch genau das war das Entwicklungsziel der Ingolstädter Ingenieure beim neuen quattro-Antrieb. Denn der ist bald nicht mehr permanent im Einsatz - sondern schaltet sich nur noch bei Bedarf zu.

Hält sich der Fahrer beispielsweise auf ebenen Autobahnpassagen mit dem Gasfuß zurück, werden nur die Vorderräder angetrieben. Eine kleine Revolution im Hause Audi - ist der Allradantrieb doch das Markenzeichen des Ingolstädter Autobauers. Rund sieben Millionen Allradautos hat Audi bis heute verkauft. Der TV-Spot, in dem ein Audi 100 CS quattro 1986 die Skischanze im finnischen Kaipola hinauffährt, ist legendär.

Grund für den enormen technischen Aufwand, den die Ingenieure bei der Neuentwicklung betrieben haben, sind die immer strenger werdenden CO2-Vorgaben: Der als quattro ultra bezeichnete Allradantrieb soll Sprit sparen. Auf Testfahrten rund um Ingolstadt, behaupten die Audi-Techniker, seien es gut 0,3 Liter Ersparnis auf 100 Kilometer gewesen. Die neue quattro-Generation wurde für Autos mit längs eingebautem Motor entwickelt - also für fast alle Audis ab A4 aufwärts. Der A4 Allroad, der demnächst auf den Markt kommt, wird das erste Fahrzeug mit dem neuen Allradantrieb sein.

Im Moment ist in den MLB-Audis (Modularer Längsbaukasten) noch ein quattro-Antrieb mit einem selbst sperrenden Mittendifferential verbaut. Im regulären Fahrbetrieb werden dabei die Antriebsmomente zu 40 Prozent auf die Vorderachse und zu 60 Prozent auf die Hinterachse verteilt. Diese Verteilung kann sich je nach Bedarf verschieben. Bis zu 70 Prozent der Kraft können nach vorne geleitet werden, maximal 85 Prozent nach hinten. Ganz stilllegen lässt sich das System allerdings nicht - und das kostet Sprit. Schließlich gibt es Situationen, in denen man den Vierradantrieb gar nicht benötigt.

Der neue Allradantrieb von Audi lässt sich nun abschalten. Zugegeben: Das können auch Fahrzeuge anderer Hersteller. Allerdings erzeugen für den Allradbetrieb nötige Zahnräder (Tellerrad und Kegelgetriebe) an der Hinterachse hohe Schleppverluste, die wiederum den Spritverbrauch erhöhen. Das quattro-ultra-System hat deshalb zwei Kupplungen verbaut: Die am Getriebeausgang sitzende Lamellenkupplung hängt die Kardanwelle ab, und - das ist das wirklich neue, - eine Klauenkupplung an der Hinterachse koppelt die besagten Zahnräder ab.

Das klingt extrem aufwendig - und das ist es auch. Das Zu- und Abschalten des Allradsystems erledigt die Elektronik. 100-mal pro Sekunde schaut sie nach, ob der Allradantrieb benötigt wird. Ob zugeschalten wird, hängt von diversen Parametern ab - unter anderem Lenkwinkel, Quer- und Längsbeschleunigung und Motormoment. Dabei schaut das System eine halbe Sekunde in die Zukunft. Bereits bevor ein Rad die Haftgrenze erreicht, wird der Allradantrieb aktiv. Ähnlich bei einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal: Noch bevor die Leistung tatsächlich an die Räder geht, hat sich der Vierradantrieb bereits zugeschaltet.

"Höchstes Entwicklungsziel war, dass der Fahrer den Umschaltvorgang nicht bemerkt", sagt Florian Kolb, Projektleiter des Systems. Auf einer ersten Testfahrt ist er mit einem iPad an Bord des A4, in dem das System bereits verbaut ist. Auf dem mit dem quattro-Steuergerät verbundenen Tablet lässt sich sehen, wann sich der Allradantrieb zuschaltet - und vor allem: warum. Das Verblüffende: Der Fahrer bekommt von alledem tatsächlich nichts mit. Die Allradkraft ist jederzeit verfügbar - weder Geräusche noch Ruckeln sind beim Umschalten zu bemerken. Nur Kolbs Tablet zeigt, was sich unterhalb der Fahrzeuginsassen so tut.

Nach dem A4 Allroad wird das System nun in weiteren Fahrzeugen eingeführt: A4, A5 und Q5 werden als Nächstes an der Reihe sein.