Ingolstadt
Eine Lanze für das "Refugium"

Mit Pflege- und Nachsorge GmbH droht zweiter Einrichtung für Suchtkranke das Aus - doch es gibt Hoffnung

10.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:26 Uhr
Solche Szenen wie auf dem Symbolfoto gibt es in der Therapeutischen Wohngemeinschaft nicht. Wer hier untergebracht ist, muss absolut trocken sein. In der Wohngemeinschaft sollen Suchtkranke lernen, wieder ein normales Leben zu führen. −Foto: Heinl, dpa

Ingolstadt - Sie soll Menschen, die am Abgrund standen, wieder in die Spur bringen. Strukturen vermitteln, wo keine waren, weil die Betroffenen etwa ihr Heil im Alkohol gesucht hatten, ihren Probleme sprichwörtlich runterspülten, um sie zu verdrängen. Und damit die Abwärtsspirale erst richtig in Gang setzten. Die Rede ist von der Therapeutischen Wohngemeinschaft und dem Betreuten Einzelwohnen der Ambulanten Pflege- und Nachsorge GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Ingolstädter Klinikums. Weil die Einrichtung, in der psychisch Kranke und insbesondere trockene (!) Alkoholiker lernen, wieder ein normales Leben zu führen, in den letzten Jahren nur defizitär zu betreiben war, könnte dieser freiwilligen Leistung des Klinikums bald das Aus drohen.

Nach der Entwöhnungsstation im Anna-Ponschab-Haus, die als freiwillige Leistung ebenfalls gestrichen wurde, wäre es dann die zweite Einrichtung für Suchtkranke in Ingolstadt, die geschlossen würde. Doch es gibt Hoffnung. Denn die seit Jahren ins Stocken geratenen Pflegeentgeltverhandlungen mit dem Bezirk Oberbayern scheinen auf einem guten Weg.

In der jüngsten Sitzung des Krankenhauszweckverbandes hatte Erich Göllner, Pflegedirektor des Klinikums und Geschäftsführer der Ambulanten Pflege- und Nachsorge GmbH, auf eine Nachfrage des Grünen-Bezirksrats Joachim Siebler geantwortet, bei einem weiteren Defizit müsse man "die Aktivität in dem Bereich überdenken". Der Jahresfehlbetrag von 1000 Euro, den die Gesellschaft 2019 schrieb, war deutlich geringer als das Defizit im Jahr zuvor mit 8000 Euro. Für 2020 erwartet die Gesellschaft laut Beteiligungsbericht ein Minus von 12000 Euro. Zahlen, die auf den ersten Blick nicht allzu beunruhigend wirken. Eine Zeit lang könne man die roten Zahlen durch Rücklagen überbrücken, sagte Göllner auf Anfrage unserer Zeitung. Doch wenn sich der Trend über die Jahre fortsetze, "kann ich das Defizit nicht vermitteln".

Die Ambulante Pflege- und Nachsorge GmbH "Refugium" war 2005 auf Initiative des Klinikums gegründet worden. Sie sollte eine ähnliche Einrichtung der sozialen Dienste Integra entlasten. Auch der Steuerungsverbund psychische Gesundheit habe sich damals für die Einrichtung starkgemacht, erinnert sich Joachim Siebler. Der Bedarf ist nach wie vor vorhanden: Mit im Jahresdurchschnitt 15,5 der 18 Plätze war die Therapeutische Wohngemeinschaft 2019 gut ausgelastet. Beim Betreuten Einzelwohnen, wo Menschen unterstützt werden, die allein oder zu Hause leben können, aber dennoch Betreuungsbedarf haben, seien noch Kapazitäten frei. 2019 waren hier im Durchschnitt 12,8 der 36 Plätze belegt.

Bis 2017 war das Jahresergebnis der Einrichtung im Plus. Doch seitdem seien die Löhne gestiegen, ein zusätzlicher Rufdienst am Wochenende wurde eingeführt. So sind die Kosten gestiegen, die Pflegeentgelte, die die Gesellschaft vom Bezirk bekommt, sind jedoch seit vielen Jahren gleich. Schon 2016 habe sein Vorgänger Franz Damböck mit dem Bezirk über höhere Pflegeentgelte verhandelt, so Göllner. Doch die Verhandlungen seien "aus verschiedenen Gründen" nie zu einem Ergebnis gekommen. Auch dem Beteiligungsbericht 2019 ist zu entnehmen: "Die überfällige Anhebung der Pflegesätze konnte nicht realisiert werden."

Vom Beteiligungsbericht alarmiert, hat Bezirksrat Siebler an den Bezirk Oberbayern eine Anfrage gestellt. Er wollte die Gründe für die außergewöhnliche Länge der Entgeltverhandlungen wissen. Die Antwort, die er bekommen hat, werfe weitere Fragen auf, die geklärt werden müssten, so Siebler zum DK. Er hat aber auch große Hoffnung, dass die Verhandlungen jetzt wieder in Gang kämen.

Denn müsse die Einrichtung tatsächlich schließen, wäre dies laut Siebler "ein deutlicher Verlust" für die Versorgung Suchtkranker. Fatal wäre für ihn vor allem, wenn der Grund dafür gescheiterte Verhandlungen wären.

Wie der Antwort des Bezirks zu entnehmen ist, liegt der Ball jetzt beim Klinikum. Man werde alle Informationen, die der Bezirk haben möchte, geben, so Göllner. Durch die Anfrage Sieblers seien die ins Stocken geratenen Verhandlungen wieder in Fluss gekommen. Göllner: "Ich habe große Hoffnung, dass wir jetzt zu einer Einigung kommen."

DK

Ruth Stückle