Zell
Eine Kerze in der Dunkelheit

Mit Bräuchen und Symbolen wird bei der Osternacht in Zell das Fest eingeläutet

01.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:19 Uhr

Das Osterfeuer hat Pfarrer Michael Harrer bereits vor dem Gottesdienst geweiht, nun wird daran die Osterkerze entzündet. - Foto: Holland

Zell (dah) In der Kirche St. Walburga in Zell ist es stockdunkel. Obwohl die Kirche völlig überfüllt ist, scheint kein Licht. Selbst seinen Sitznachbar erkennt man nur schemenhaft. Plötzlich erleuchtet ein kleines Licht die Dunkelheit. Es ist die frisch geweihte Osterkerze, die von Pfarrer Michael Harrer – gefolgt von Diakon Albert Mildner und den Ministranten – in die Kirche getragen wird. Und auch wenn es nur der Schein einer einzigen Kerze ist, so erhellt sie dennoch bereits einen Teil des hohen Gemäuers.

An der Kerze werden schließlich von den Ministranten weitere Lichter entzündet, mit denen sie dann die Osterkerzen der Gläubigen entflammen. Und so wird der Kirchenraum Kerze um Kerze, Licht um Licht immer heller und heller, bis auch die hinterste Ecke des riesigen Gebäudes vom Schein des Lichtermeers ausgefüllt ist.
 
Mit diesem beeindruckenden Spektakel wird Jahr für Jahr das für die Christen wichtigste Fest ihres Glaubens eingeläutet: das Osterfest. Bevor es jedoch zum Evangelium, das von der Auferstehung handelt, kommt, hören die Gläubigen in den Lesungen zunächst die Schöpfungsgeschichte und die Spaltung des Meeres durch Moses.

Während die Kirchenbesucher im Inneren den Erzählungen aus längst vergangenen Tagen lauschen, stehen einige Männer draußen und sorgen dafür, dass das Osterfeuer nicht ausgeht. Vor dem Gottesdienst hat Pfarrer Michael Harrer das Feuer bereits geweiht und daran die Osterkerze entzündet.

Am Osterfeuer kann man außerdem Zeuge eines alten Brauchs werden: Ein Mann legt einen aus Haselnussholz geschnitzten „Brandstock“ in die Glut. Fein säuberlich ist darauf die Jahreszahl 2013 eingeritzt. „Den nehmen sie dann am Ende wieder mit und hängen ihn in die Wohnung oder in den Stall. Das soll vor Unglück beschützen“, erklärt einer der Gläubigen. Wie so viele Bräuche gerät jedoch auch das „Brandstockschnitzen“ mehr und mehr in Vergessenheit. Seien es vor ein paar Jahren in Zell noch an die sechs Stück gewesen, so hat sich dieses Jahr nur ein einziger Mann die Mühe gemacht, den Brauch am Leben zu erhalten.

Die Lichtfeier zu Beginn ist allerdings nicht die einzige Besonderheit des österlichen Gottesdienstes: Beim Gloria vor dem Evangelium werden symbolisch für die Freude über die Auferstehung Jesu auf einmal alle Lichter in der Kirche eingeschaltet, die Kirchenglocken läuten und die Orgel, die seit Gründonnerstag geschwiegen hat, erklingt wieder. Im Anschluss ans Evangelium segnet Harrer das Taufwasser und die Gläubigen erneuern ihr Taufbekenntnis. Kurz vor dem Ende des Gottesdienstes weiht der Pfarrer mit eben diesem Wasser noch die mitgebrachten Osterspeisen der Kirchgänger. Für viele ist besonders das ein Grund zu Freude. Mit der Osternacht und der Weihe der Speisen endet nämlich die 40-tägige Fastenzeit.

Bevor die Osternacht in Zell nach knapp eineinhalb Stunden schließlich ihr Ende findet, hat Harrer jedoch noch eine Bitte: „Bringt das Osterfeuer auch in die Wohnungen daheim und zu den Kranken!“ Doch das stellt sich für die meisten Gläubigen schwieriger heraus, als gedacht: Auch wenn mit Händen, Jacken und sogar Pfarrbriefen versucht wird, die Flamme zu schützen, macht vielen der Wind schon beim Verlassen der Kirche einen Strich durch die Rechnung. Glück hat, wer zufällig einen Bekannten trifft, der mit seiner Methode mehr Erfolg hatte und so freundlich ist, die Kerze neu zu entzünden – und man es bei einem neuen Versuch dann vielleicht schafft.