Barnsdorf
Eine Katastrophe nach Plan

Bei ihrem gestrigen Großeinsatz profitiert die Feuerwehr von einem lange vorbereiteten Szenario

05.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:50 Uhr
  −Foto: Goppelt/News5

Barnsdorf (HK) Ein Schaden in Millionenhöhe, ein eilig geräumtes Wohnhaus, aber glücklicherweise keine Verletzten: Der gestrige Großbrand im Rother Stadtteil Barnsdorf hat nicht nur das Firmengelände der Carl Schlenk AG verwüstet, sondern wegen einer riesigen Rauchwolke den ganzen Landkreis in Aufruhr versetzt. Aus der Sicht der Feuerwehr hätte der spektakuläre Einsatz aber kaum besser verlaufen können.

Wer die dramatischen Bilder sieht, die bei dem gestrigen Großbrand in Barnsdorf entstanden sind, der vermag sich kaum vorzustellen, dass sich ein solches Inferno auf irgendeine Art und Weise steuern lässt. Doch Kreisbrandrat Werner Löchl ist sich sicher: Auf keinen anderen Einsatz dieser Größenordnung als diesen trifft die gängige Formulierung besser zu, dass die Feuerwehr den Brand stets unter Kontrolle hatte. Denn für dieses Feuer, das gestern gegen 5.45 Uhr auf dem Firmengelände der Carl Schlenk AG ausbrach, hatten die Einsatzkräfte einen vorbereiten Plan in der Tasche. Und nicht zuletzt dank dieses Plans konnte Löchl gestern Nachmittag eine zufriedene Zwischenbilanz der Feuerwehrarbeit ziehen. "Nach unseren Informationen wurde bei dem Brand niemand verletzt."

Angesichts des gewaltigen Schadens, den die Polizei auf eine Million Euro schätzt, wird es für die Führung der Carl Schlenk AG wohl nur ein kleiner Trost sein, dass Kreisbrandrat Löchl ein großes Lob aussprach. "Dieses Unternehmen hat wirklich viel für einen vorbeugenden Brandschutz getan, und das hat sich jetzt positiv ausgewirkt." Denn paradoxerweise sei dieser Brand das beste Beispiel, dass sich ein guter Brandschutz lohnt. Andernfalls hätte der Schaden um ein vielfaches größer werden können, so Löchl.

Vor allem Metallfolien, Metallpigmente und Metallpulver werden bei Schlenk in Barnsdorf hergestellt. In der Halle, die das gestrige Feuer zerstörte, war unter anderem Aluminiumpulver gelagert, das als besonders leichtentzündlich gilt. "Dass sich hier ein Brand entwickelt, ist für uns ein Szenario, mit dem wir immer rechnen müssen und auf das wir jederzeit vorbereitet sind." Der ganze Einsatz, der rund 150 Feuerwehrkräfte teilweise bis heute früh fordert, sei trotz des enormen Ausmaßes zu jeder Zeit im geplanten Rahmen abgelaufen, versichert Löchl.

Eine Besonderheit dieses Brandes war, dass die Lagerhalle auf gar keinen Fall mit Wasser gelöscht werden durfte. Wer jemals gesehen hat, was passiert, wenn glühend heißes Aluminiumpulver in Kontakt mit Wasser kommt, mag sich die Folgen nicht vorstellen, wenn hier Feuerwehrleute das Kommando "Wasser marsch" gegeben hätten. "Es wäre eine fatale Knallgasexplosion geworden", sagt Löchl. Schließlich lagerten gleich mehrere hundert Kilogramm Aluminiumpulver in der brennenden Halle.

Der Feuerwehr blieb deshalb nichts anderes übrig, als diese Halle kontrolliert abbrennen zu lassen, wie es im Jargon der Einsatzkräfte heißt. Umso mehr Wasser benötigten die Feuerwehrleute, um gleichzeitig die Nebengebäude vor den Flammen zu schützen. Aus vollen Rohren habe man über mehrere Stunden hinweg bis in die Mittagszeit hinein "eine Wasserwand errichtet", die letztlich auch hielt. Trotz der unvorstellbar hohen Temperaturen, die Löchl in der brennenden Halle auf rund 2000 Grad Celsius bezifferte, seien an der benachbarten Produktionshalle lediglich die Fenster geborsten. "Die Produktion kann deshalb bald weitergehen", vermutet Löchl. "Wir hätten aber auch einen Plan B gehabt, wenn das Feuer nicht zu halten gewesen wäre."

Die größte Sorge bereitete den Einsatzkräften gestern die große Rauchwolke, die über der brennenden Lagerhalle in den Himmel stieg. Schon bald nach dem Ausbruch des Feuers rief die Polizei die Menschen in Roth und der Umgebung dazu auf, Fenster und Türen wegen des Rauchs geschlossen halten. Die Polizei hatte dabei vor einer womöglich giftigen Rauchwolke gewarnt. Die Carl Schlenk AG teilte dagegen mit, dass beim Verbrennen von Aluminium keine giftigen Stoffe freigesetzt würden. Der dunkle Rauch über Roth entstehe vor allem durch das Verbrennen der Bausubstanz des Lagergebäudes. In dem rund 750 Quadratmeter großen Gebäude lagerten laut Polizeimeldung überwiegend Verpackungsmaterialien, Holzpaletten und eben das Leichtmetall.

Um die riesige Rauchwolke zu überwachen, stieg ein Polizeihubschrauber auf. Aus der Luft beobachteten die Beamten, wie die Wolke nach Schwanstetten und Großschwarzenlohe und weiter in den Süden Nürnbergs zog. Die besondere Wettersituation ließ die Rauchwolke gestern besonders lange so bedrohlich wirken, ehe der Regen den Himmel wieder aufklarte. Wegen der sogenannten Inversionslage löste sich die Rauchwolke nicht allmählich nach oben auf, sondern blieb bei einer Höhe von 500 Metern hängen und reichte bis auf Baumwipfelhöhe hinunter.

Für die Einsatzkräfte war zu dieser Zeit schon ein weiterer Abschnitt des vorbereiteten Plans erreicht. Der Katastrophenschutz rückte aus, um die Schadstoffbelastung zu messen. "In Bodennähe ist derzeit kein Rauchgas in gesundheitsschädlichen Mengen feststellbar", teilte die Polizei schon am Vormittag mit. Vor dem Regen nahmen die Einsatzkräfte im gesamten Rother Stadtgebiet auch sogenannte Wischproben. Eine Probe von einem Verkehrsschild in Barnsdorf wird im Labor als Vergleichswert dienen, wie hoch die Schadstoffbelastung in der direkten Umgebung des Feuers war. Die Ergebnisse der anderen Proben, die laut Löchl so bald wie möglich veröffentlicht werden sollen, zeigen dann, wie hoch die Schadstoffbelastung für die Rother Bevölkerung tatsächlich war.

An der abgebrannten Lagerhalle hält die Feuerwehr bis heute eine Brandwache. Mit einer Wärmebildkamera werden die Glutnester überprüft, in denen auch in der Nacht noch mit Verpuffungen zu rechnen war. Um die Arbeiten der Einsatzkräfte nicht zu behindern und keine Passanten in Gefahr zu bringen, bleibt die Barnsdorfer Hauptstraße mindestens bis heute gesperrt. In der nächsten Woche wird das Landratsamt dann Proben von den Überresten der Lagerhalle nehmen, um eine fachgerechte Entsorgung zu gewährleisten. Diese Arbeiten werden sich laut Löchl wohl mehrere Wochen hinziehen. Die genaue Brandursache versuchen Ermittler der Kriminalpolizei zu ermitteln, wenn das Feuer endgültig erloschen ist. Der kontrollierte Abbrennvorgang wird dementsprechend von Kräften der umliegenden Feuerwehren überwacht. In diesem Zusammenhang bleibt die Barnsdorfer Hauptstraße (RH 6) im Bereich des Brandortes bis mindestens kommenden Montag gesperrt, so die Polizei am Freitag.

 

Jochen Münch