Pfaffenhofen -"Fühle mit allem Leid der Welt, aber richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du helfen, den du lieben und erfreuen kannst!" Dieser Satz des Literaturnobelpreisträgers Hermann Hesse steht als Leitwort über der Arbeit des Vereins Familien in Not. Seit seiner Gründung am 5. Oktober 1990 unterstützt der Hilfsfonds Menschen im Landkreis Pfaffenhofen, die durch schwere Krankheiten, Unfälle und andere Schicksalsschläge in finanzielle Probleme geraten sind. Gleichzeitig fördert der Verein Projekte anderer sozialer Institutionen im Landkreis. Der frühere PK-Redaktionsleiter Willy Hailer, Gründungsmitglied und bis Juni 2020 Vorsitzender des Vereins, blickt zurück auf eine 30-jährige Erfolgsgeschichte der Nächstenliebe:
Die Anfänge des sozialen Engagements der Heimatzeitung für in Not geratene Menschen reichen wesentlich weiter zurück. Damals noch unter ihrem früheren Titel "Ilmgaukurier" veranstaltete die Zeitung im Dezember 1973 ihre erste größere Spendenaktion für einen 33-jährigen Landwirt, der sich beim Sturz von der Leiter im Hopfengarten eine Querschnittlähmung zugezogen hatte und kurze Zeit später seine Ehefrau bei einem Verkehrsunfall verlor. Berichte über neue Operationsmethoden in Russland weckten bei dem Familienvater Hoffnungen, mit ärztlicher Hilfe vielleicht doch wieder gehen zu können. Die Leserinnen und Leser der Zeitung unterstützten das Vorhaben großzügig mit Spenden in Höhe von 82000 D-Mark. So konnte der Patient in Begleitung eines BRK-Sanitäters zweimal zu Untersuchungen nach Leningrad fliegen, seine Hoffnung auf ein Leben ohne Rollstuhl erfüllte sich aber nicht. Wegen der unsicheren Erfolgsaussichten rieten die russischen Chirurgen nach gründlicher Prüfung von einem Eingriff ab. Dennoch war die Hilfsaktion nicht umsonst: Mit den restlichen Spendengeldern, rund 50000 D-Mark, konnten zusätzliche Rehamaßnahmen und Alltagshilfen für den Landwirt sowie Projekte des Roten Kreuzes zugunsten anderer querschnittgelähmter Menschen im Landkreis Pfaffenhofen finanziert werden.
Ab 1975 beteiligte sich der Ilmgaukurier dann an der Aktion Vorweihnacht der guten Herzen, die der Ingolstädter Medienpartner DONAUKURIER schon im Jahr 1951 ins Leben gerufenen hatte. Neben der neuen Förderschule und Tagesstätte des Vereins "Hilfe für das behinderte Kind" in Pfaffenhofen wurden bis Ende der 1980er Jahre auch viele andere karitative Projekte im Landkreis aus den Spenden der Aktion "Vorweihnacht der guten Herzen" unterstützt.
Im Jahr 1989 entschloss sich die Redaktion, die Vorweihnachtsaktion einem besonders tragischen Einzelfall zu widmen und löste damit die bis heute größte Spendenwelle im Landkreis Pfaffenhofen aus. Anlass war ein tödlicher Verkehrsunfall, der sich am 28. November auf der Bundesstraße 300 bei Reichertshofen ereignet hatte. Beim Zusammenstoß mit einem Lastwagen waren ein 34-jähriger Autofahrer aus Vohburg und sein 56-jähriger Arbeitskollege aus Wettstetten ums Leben gekommen.
Besonders tragisch: Die Ehefrau des Vohburgers leidet an Multipler Sklerose und sitzt seit Jahren im Rollstuhl. Mit ihrem Mann und den zwei Töchtern im Alter von vier und neun Jahren ist sie gerade erst in das neue, noch nicht komplett ausgebaute Eigenheim umgezogen. Die Kosten für die noch ausstehenden Restarbeiten und die Raten zur Rückzahlung des Bankdarlehens hätte sie mit der Witwenrente unmöglich aufbringen können. Vor finanziellen Problemen stehen auch der damals 17-jährige Sohn und die 19-jährige Tochter des Unfallopfers aus Wettstetten. Sie sind zu Vollwaisen geworden. Vier Jahre zuvor war ihre Mutter gestorben und auf dem Elternhaus lasten noch Schulden in fünfstelliger Höhe. Schon wenige Tage nach dem schrecklichen Unfall organisierten Verwandte und Freunde Hilfsaktionen für die Hinterbliebenen. Im Landkreis Pfaffenhofen konzentrierte sich die Anteilnahme auf die Vohburger Familie. Martin Schmid, damals Stadtrat und heute 1. Bürgermeister von Vohburg, war der erste, der die Redaktion des Pfaffenhofener Kurier in einem Telefonanruf auf das schlimme Schicksal der Familie aufmerksam machte: "Wir brauchen eure Hilfe, damit die arme Frau und die Kinder in ihrem Haus bleiben können." Für die Verantwortlichen der Heimatzeitung stand sofort fest, dass die nächste Aktion Vorweihnacht der guten Herzen ausschließlich der Vohburger Familie zugute kommen wird. Schon zwei Wochen nach dem Spendenaufruf war das Ziel erreicht und genügend Geld für die Restarbeiten am Haus und zur Rückzahlung der Darlehen gesammelt. Doch viele weitere Hilfsaktionen waren bereits organisiert oder liefen schon. So hatte sich der FC Bayern München mit Trainer Jupp Heynckes zu einem Benefizspiel in Vohburg angesagt. Auch nachdem die Witwe in einem Interview mit der Heimatzeitung öffentlich erklärt hatte, dass ihre finanziellen Probleme gelöst sind und mit den zusätzlich noch eingehenden Geldern der PK-Vorweihnachtsaktion auch andere hilfsbedürftige Menschen im Landkreis unterstützt werden sollen, rollte die Spendenwelle unvermindert weiter.
Letztlich blieb ein Überschuss von rund 100000 Mark als Startkapital für den Verein Familien in Not, der am 5. Oktober 1990 in der Müllerbräu-Klause in Niederscheyern gegründet wurde. Seither gehen die gesamten Spenden der Aktion Vorweihnacht der guten Herzen im Landkreis Pfaffenhofen an den gemeinnützigen Hilfsfonds.
In den ersten Jahren nach der Vereinsgründung spielten die Einzelfallhilfen für private Haushalte noch eine untergeordnete Rolle. Der größere Teil der Spendengelder wurde wie schon in den 1970er und -80er Jahren weiterhin für Projekte anderer karitativer Einrichtungen wie Caritas, BRK-Rettungsdienst oder den Verein Hilfe für das behinderte Kind eingesetzt. Zum Beispiel zur Anschaffung von Fahrzeugen im Rettungs- und Pflegedienst.
Die erste große Welle an Hilfsanträgen kam auf den Verein Familien in Not nach der Hochwasserkatastrophe im April 1994 zu. Starke Schneefälle mit anschließendem Tauwetter und tagelangem Starkregen hatten im ganzen Landkreis zu schweren Überschwemmungen mit Schäden in zweistelliger Millionenhöhe geführt. An der Ilm in Pfaffenhofen, Rohrbach, Geisenfeld und vor allem in Vohburg standen zahlreiche Wohnhäuser unter Wasser. Nach einem Spendenaufruf im Pfaffenhofener Kurier konnte der Verein Familien in Not rund 100000 D-Mark als Soforthilfe an die vom Hochwasser besonders stark betroffenen Bürger auszahlen.
Finanzielle Notlagen wegen Schäden durch Naturgewalten, Brände oder Unglücksfälle spielten auch in den folgenden Jahren immer wieder eine Rolle in der Arbeit des Vereins. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Hilfsanträge ging es aber um Schicksalsschläge und menschliche Tragödien, die in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden: Schwere Erkrankungen, psychische Krisen, der plötzliche Tod eines Angehörigen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder wenn sich Elternpaare voneinander trennen. Das sind bis heute in den allermeisten Fällen die Ursachen dafür, dass Menschen aus scheinbar geordneten Verhältnissen plötzlich in finanzielle Miseren geraten, die sie ohne fremde Hilfe nicht bewältigen können.
Die Bilanz, die der Verein nach 30 Jahren Einsatz für hilfsbedürftige Menschen im Landkreis Pfaffenhofen vorlegen kann, ist beeindruckend: Rund 2,5 Millionen Euro an Zuschüssen und zinslose Darlehen wurden seit 1990 über den Sozialfonds ausbezahlt. Von den direkten Einzelfallhilfen und Spendengeldern, die für soziale Projekte anderer Wohlfahrtsverbände und Sozialeinrichtungen wie Caritas, Tafel, BRK-Rettungsdienst, Alten-, Behinderten- und Suchthilfeeinrichtungen bereitgestellt wurden, konnte in den vergangenen 30 Jahren vielen tausend Kindern und Erwachsenen in existenziellen Nöten unbürokratisch geholfen und damit Freude, neue Hoffnung und Lebensmut geschenkt werden.
Aber ist das Jubiläum von Familien in Not wirklich ein Grund zu feiern? Die Erfolgsbilanz weckt zwiespältige Gefühle. Dass in einem reichen Land wie dem unseren 15,9 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben müssen, wie jüngste Zahlen des deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes besagen, dass auch im boomenden Freistaat Bayern trotz deutlich niedrigerer Armutsquote (11,9 Prozent) Menschen an den Ausgabestellen der Tafeln Schlange stehen müssen, während internationale Konzerne wie Amazon in Deutschland Milliardengewinne machen, ohne dafür Steuern zu bezahlen - all das ist wahrlich kein Grund zum Feiern.
Auf der anderen Seite erfüllt uns das Jubiläum von Familien in Not aber dennoch mit großer Freude: Denn seit 30 Jahren beweisen die Leserinnen und Leser des Pfaffenhofener Kurier mit ihrer großartigen Spendenbereitschaft, dass ihnen die Not der Menschen in ihrer Nachbarschaft nicht gleichgültig ist. Solidarität und Mitgefühl zeigen auch viele Kulturschaffende und Vereine, die seit Jahrzehnten Familien in Not mit Benefizveranstaltungen unterstützen. Die Pfaffenhofener Stadtkapelle, die Liedertafel und die städtische Musikschule seien als Helfer der ersten Stunde hier nur stellvertretend genannt. Nicht zu vergessen auch die finanzielle Unterstützung durch die heimische Wirtschaft, große und kleine Unternehmen aus Industrie, Handwerk, Handel und Gewerbe sowie die Belegschaften von Behörden und vielen anderen öffentlichen Einrichtungen, die Spenden für ihre in Not geratene Mitbürger sammeln.
Dieses breite Bündnis der guten Herzen ist für die Mitglieder des Vereins Familien in Not eine sehr wertvolle Bestätigung ihrer ehrenamtlichen Arbeit und gibt ihnen Motivation, für die künftigen Aufgaben. Die Wohlfahrtsverbände befürchten, dass sich durch die Corona-Pandemie die Situation der jetzt schon benachteiligten Gesellschaftsschichten, besonders der Kinder in ärmeren Haushalten, weiter verschlechtern wird. Für Familien in Not und alle anderen karitativen Organisationen im Landkreis Pfaffenhofen gibt es in den kommenden Monaten sicherlich viel zu tun. Packen wir es gemeinsam an!
whaDaten und Fakten zur VereinsarbeitDer Verein Familien in Not wurde am 5. Oktober 1990 in Pfaffenhofen gegründet und am 22. Januar 1991 in das Vereinsregister eingetragen. Gründungsmitglieder waren der Verleger des Pfaffenhofener Kurier, Michael Ludwig,, der katholische Stadtpfarrer Anton Keller und sein evangelischer Amtskollege Hans-Gerhard Groß, sowie die Redakteure der Geisenfelder Zeitung und des Wolnzacher Anzeiger, Gerhard Kohlhuber und Manfred Hailer. Bis heute noch im Verein aktiv sind die Gründungsmitglieder Willy Hailer, Herbert Lorenz und Sieghard Pichl.Derzeit (November 2020) sind es 16 Persönlichkeiten, die ihre Erfahrungen aus beruflicher Tätigkeit und anderen ehrenamtlichen Funktionen dem Verein zur Verfügung stellen. Sie entscheiden in jedem Einzelfall per Abstimmung, ob und in welcher Form eine Hilfe gewährt wird. Bei der Prüfung der Hilfsanträge steht der Verein im Kontakt mit Sozialbehörden und anderen karitativen Einrichtungen und engagiert sich grundsätzlich nur dort, wo staatliche Stellen, Krankenkassen, Versicherungen und andere Kostenträger nicht oder nur unzureichend helfen können.Für ihre Tätigkeit erhalten Vorstand und Mitglieder keinerlei finanzielle Entschädigung. Lediglich 5,2 Prozent seiner Spendeneinnahmen musste der Verein im Geschäftsjahr 2019/20 für Personal- und Verwaltungskosten aufwenden - ein sehr niedriger Wert nach den Richtlinien des Deutschen Zentralinstitutes für soziale Fragen (DZI), das für die Vergabe seines Spendensiegels an karitative Organisationen eine Quote bis 30 Prozent für vertretbar hält.Aktuell gehören dem Verein Familien in Not folgende Mitglieder an:Vereinsvorstand: Helmut Stanglmayr 1. Vorsitzender, Direktor des Kommunalen Prüfungsverbandes Bayern i. R., Hettenshausen; Hermann Heubeck, stellvertretender Vorsitzender, Bankdirektor i. R., Pfaffenhofen; George Spanos, stellvertretender Vorsitzender, evangelischer Pfarrer, Pfaffenhofen; Robert Schmidl, Schriftführer, PK-Redaktionsleiter, Pfaffenhofen; Katharina Schwertler, Schatzmeisterin, Bankkauffrau, Pfaffenhofen; Gudula Langmaier, Rechnungsprüferin, Angestellte, Pfaffenhofen;Weitere Mitglieder: Heidi Andre, Leiterin des städtischen Seniorenbüros, Pfaffenhofen; Michael Baldeweg, evangelischer Pfarrer, Wolnzach; Armin Fischer, Immobilienkaufmann, Pfaffenhofen; Willy Hailer, Journalist, Pfaffenhofen; Herbert Lorenz, Jurist, Berufsstadtrat i. R., Reichertshausen; Albert Miorin, katholischer Pfarrer, Pfaffenhofen; Herbert Payer, Jugendamtsleiter i. R., Pfaffenhofen; Sieghard Pichl, Rechtsanwalt, Pfaffenhofen; Karin Trouboukis, Redakteurin, Wolnzach; Dr. Axel Witte, Facharzt, Hettenshausen.Externer Rechnungsprüfer: Walter Reisinger, Kreiskämmerer, Pfaffenhofen.wha
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