Pfaffenhofen
Eine engagierte Familie

Shemsi Haziri flüchtet 1988 aus dem Kosovo – und gründet später einen Kulturverein in Pfaffenhofen

05.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:44 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Am Freitag beginnen die interkulturellen und interreligiösen Wochen. Wir stellen vorab Familien vor, die aus dem Ausland nach Pfaffenhofen gekommen sind und sich hier gut integriert haben. Heute: die Familie Haziri.

Shemsi Haziri (51) stammt aus dem Kosovo, hat aber schon sein halbes Leben in Deutschland verbracht. 1988 flüchtete er als politisch Verfolgter aus seiner Heimat und kam 1991 als einer der ersten Albaner nach Pfaffenhofen.

Er nahm schon als 18-jähriger Landwirtschaftstechniker an Demonstrationen teil und schrieb Artikel in Studentenzeitschriften und anderen Zeitungen gegen das Regime Milosevics und gegen den Kommunismus. Er kam für drei Monate ins Gefängnis und durfte keine Universität mehr besuchen. Von Slowenien aus begann er dann ein Fernstudium in albanischer Literatur und Journalistik, das er aber nicht abschließen konnte, da er weiter fliehen musste. Als Asylbewerber lebte Shemsi Haziri ein paar Wochen in München, dann wurde er für eineinhalb Jahre nach Manching verlegt. Das war für ihn eine schlimme Zeit, da er nicht arbeiten durfte. Und einen Deutschkurs in Ingolstadt konnte er nicht besuchen, da er den Landkreis Pfaffenhofen nicht verlassen durfte. Als anerkannter Asylant konnte Haziri erst 1992 arbeiten, allerdings nicht als Übersetzer, da das Arbeitsamt nur eine Ausbildung in Bauberufen finanzierte. Also begann Haziri eine Maurerlehre und drückte mit über 30 Jahren noch einmal die Schulbank in der Berufsschule. 2003 machte er sich im Bau- und Gartenbereich selbstständig. Und nebenbei ist er jetzt doch als Übersetzer tätig – ehrenamtlich.

Mit seiner Frau Hyra (47) und den beiden Kindern wohnt Shemsi Haziri in einem kleinen Mietshaus. Hyra arbeitet stundenweise als Küchenhilfe. Die Tochter Fjolla (17) macht gerade eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten, möchte aber eigentlich Zahnärztin werden. So macht sie gerade ihre Mittlere Reife und möchte dann das Abitur nachholen. Vielleicht studiert sie aber auch Musik, denn sie ist eine begeisterte Sängerin und hat schon seit fünf Jahren Gesangsunterricht an der Städtischen Musikschule. Im albanisch-deutschen Kulturverein Verein Sali Çekaj war sie in der Tanzgruppe aktiv und moderiert und übersetzt bei Veranstaltungen.

In der Kinder- und Jugendtanzgruppe ist auch ihr jüngerer Bruder Fatjon (11). Fjolla und Fatjon sprechen beide perfekt Deutsch, aber auch Albanisch. „Ich rede mit meinen Kindern nicht Deutsch“, erklärt der Vater, „weil ich nicht so gut Deutsch spreche und sie nicht meine Fehler übernehmen sollen.“ Außerdem ist es ihm wichtig, dass die Kinder ihre Muttersprache beherrschen und sich auch ihre Kultur bewahren.

Jeden Sommer fahren alle vier – Shemsi, Hyra, Fjolla und Fatjon – in die Heimat. Heimat – das ist für Shemsi sein Heimatdorf Zhabel im Südkosovo, nicht weit von der Grenze zu Albanien; und für seine Frau ist es Mitrovice, die geteilte Stadt im Norden. Beide Orte und beide Familien werden besucht, und in Zhabel lebt dann die ganze 32-köpfige Großfamilie für vier Wochen zusammen in seinem Elternhaus. Haziri genießt diese Zeit in seiner Heimat mit seiner großen Familie sehr. Immerhin hatte er sie während des Jugoslawienkrieges nicht besuchen können. Die Serben hätten auf dem Bauernhof seiner Eltern Stellung bezogen und seine Familie als „lebenden Panzerschutz“ festgehalten. Haziri fand sein Elternhaus ausgebrannt vor, nur die Granitwände standen noch. Zwei Wochen lang suchte er seine Angehörigen, bis er wusste, dass einer seiner Brüder gefallen und sein Vater einen Monat später gestorben war. Und dass die Frauen und Kinder nach Albanien geflüchtet waren.

Shemsi Haziri ist Muslim, genau wie die meisten Kosovo-Albaner, die in Pfaffenhofen und Umgebung leben. Manche sind aber auch Christen. Für die Gemeinschaft der Kosovo-Albaner ist die Religion nicht ausschlaggebend, denn sie haben auch in ihrer Heimat schon zusammengelebt. „Wir haben drei Kirchen in Pristina – muslimisch, katholisch und griechisch-orthodox“, erzählt Shemsi Haziri.

Zusammen mit Landsleuten gründete Shemsi Haziri 1994 den albanisch-deutschen Kulturverein Fan. S. Noli, den sie später in Sali Çekaj umbenannten. Hauptziel war neben der Bewahrung ihrer Kultur vor allem das Spendensammeln für den Kosovo. „Wir haben damals innerhalb von einer Woche 80 000 Euro gesammelt“, erzählt Haziri, und jeder aus seinem Verein habe jahrelang drei Prozent seines Lohns oder seines Sozialgeldes als Solidaritätsbeitrag abgegeben.

Shemsi Haziri war mehrere Jahre Vorsitzender seines Vereins. Heute ist er der Kulturbeauftragte, leitet mit Gasmend Dashi die Kinder- und Jugendtanzgruppe, schreibt Sketche und Gedichte. Zum Tanztraining trifft man sich im Kolpinghaus, aber ein großer Wunsch wäre ein Vereinsheim. „Wir hätten dann viel mehr Möglichkeiten“, meint Haziri, denn immerhin hat sein Verein inzwischen mehr als 160 Mitglieder. „Mit Politik haben wir seit Kriegsende nichts mehr zu tun“, betont Haziri. Und wie fühlt er sich, wenn er Serben trifft? „Kein Problem, die meisten können ja nichts dafür, was damals passiert ist“, erklärt er und fügt hinzu: „Wir dürfen nicht vergessen, was damals war, aber wir müssen friedlich zusammenleben.“