Ingolstadt
Eine Ehe – älter als die Bundesrepublik

26.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:18 Uhr

Seit 65 Jahren ein Ehepaar: Edeltraud und Alfons Zippold haben am 27. Januar 1945 geheiratet. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Er hat sich in sie verliebt, weil sie damals in Hamburg ihre Schnitten mit ihm geteilt hat. Keine Selbstverständlichkeit – 1943, mitten im Krieg, war das Essen immer knapp. Aber Edeltraud teilte, was sie hatte, und Alfons dachte sich: "Das ist eine gute Frau, die erhältst du dir." Zwei Jahre später haben sie geheiratet.

Alfons hatte gerade gerade noch seine Spengler-Lehre abschließen können, bevor er mit 18 Jahren zuerst zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und dann auf ein Minensuchboot abkommandiert wurde. In Hamburg lernte der Ingolstädter seine zukünftige Frau kennen – auf der Reeperbahn.

Edeltraud hatte mit 18 Jahren ihr Heimatdorf bei Leipzig verlassen und war nach Hamburg gegangen. Dort arbeitete sie im Hotel Atlantik. Viel Zeit hatten die beiden nicht miteinander. Alfons musste zurück auf das Minensuchboot, Edeltraud blieb in Hamburg. "Wir wurden ausgebombt und verschüttet", erzählt sie. "Und jeden Tag Luftalarm."

Am 27. Januar 1945 heirateten die beiden in einem Dorf in Sachsen. Das Kirchendach war zerbombt und ein Pfarrer nicht in der Nähe. "Mein ehemaliger Lehrer hat uns getraut", erzählt Edeltraud. Alfons hatte vier Tage Urlaub.

Das Paar feierte mit wenigen Verwandten. Es gab ein selbst gezüchtetes Kaninchen und eine Flasche Rotwein. Dann musste Alfons wieder aufs Schiff. "Meine Frau hat immer gesagt: Bleib doch da – aber was hätte ich machen sollen? Der Krieg war ja noch nicht vorbei, das wäre Fahnenflucht gewesen." Zwei Wochen nach der Hochzeit geriet Alfons in russische Gefangenschaft.

Edeltraud wusste lange nicht, was aus ihrem Mann geworden war. "Erst ein zurückkehrender Kamerad hat eine Karte von Alfons mitgebracht. Da habe ich erfahren, dass er noch lebt, aber schwer krank ist." Edeltraud blieb bis zum Frühjahr 1948 bei ihren Eltern in Sachsen, dann floh sie mit dem Zug zu ihrer Schwiegermutter nach Ingolstadt.

Im Juli 1948 kam Alfons Zippold endlich frei. Es dauerte ein Jahr, bis er sich in Berchtesgaden von der Kriegsgefangenschaft erholt hatte. "Wir waren jung verheiratet, wir haben nichts gehabt außer einem kleinen Zimmer bei der Schwiegermutter. Wir mussten aufs Dorf und um Brot betteln", erzählt Edeltraud. 1950 bezogen sie ihre erste eigene Wohnung. "Wir waren so glücklich", erinnert sich Alfons.

60 Jahre später sitzt das Ehepaar Zippold in seiner Ingolstädter Wohnung. Beide haben jahrelang bei Audi gearbeitet, schon als der Konzern noch Auto-Union hieß. Kinder haben sie keine, aber ihre Nichte kümmert sich um sie, wenn sie Hilfe brauchen. Eine Kerze auf dem Wohnzimmertisch erinnert an die Diamantene Hochzeit vor fünf Jahren. "Die größte Feier hatten wir 1995 zur Goldenen Hochzeit. Da haben wir mit fast 50 Leuten im Sportheim gefeiert."

Die Eiserne Hochzeit feiern sie heute im kleinen Kreis, wie die Hochzeit vor 65 Jahren auch. Ihre Nichte kocht für alle. Eigentlich wollten sie ins Restaurant gehen, aber seit einem Sturz vor ein paar Monaten sitzt Edeltraud im Rollstuhl. Alfons ist darüber sehr unglücklich. "Sie kann gar nicht mehr aus dem Haus!"

Das Ehepaar Zippold hat 2010 noch mehr zu feiern: Beide werden heuer 90 Jahre alt. Er hat im Juli, sie im Oktober Geburtstag. Alfons lacht: "Und dann warten wir auf die Gnadenhochzeit!" Das wäre 2015.