Eichstätt
Eine Bereicherung für Geist und Seele

Eichstätter Vokalensemble Crescendo kombiniert alte und neue Musik miteinander

19.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:32 Uhr |
"Spirit" war der Leitgedanke des Crescendo-Konzerts in der Schutzengelkirche. − Foto: Mayer

Eichstätt (EK) Das vor über zwölf Jahren gegründete und inzwischen überregional agierende Eichstätter Vokalensemble Crescendo hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Konzerten alte und neue Musik miteinander zu verknüpfen.

Die musikalischen Darbietungen sollen dabei als Lichtquellen dienen, die die programmatische Ausrichtung des Konzertprogramms beleuchten.

Für das diesjährige Novemberkonzert hatte der aus Obereichstätt stammende Chorleiter Volker Hagemann, der den Chor seit seiner Gründung leitet und prägt, den Leitgedanken "Spirit" ausgewählt, der sich wie ein roter Faden beim Konzert in der Schutzengelkirche durchs Programm zog. Die ausgewählten Stücke erforderten neben hohem technischen Können und stimmlicher Gewandtheit auch eine kraftvolle Dynamik, die von den 19 Frauen- und 14 Männerstimmen auf bewundernswerte Weise umgesetzt wurde.

Mit der alten Pfingstsequenz "Veni Sancte Spiritus" kündigte die Männerschuola an, dass das Chorkonzert einen starken musikalischen Bogen von Tod und Trauer hin zu Hoffnung und Licht spannt. Im Mittelpunkt zwei Komponisten des Barocks: Heinrich Schütz (1585-1672) und Johann Sebastian Bach (1685-1750). Letzterer wird immer wieder als der bedeutendste Komponist in der Musikgeschichte bezeichnet, Max Reger tat es mit den Worten "Bach ist Anfang und Ende aller Musik". Welche Wirkung Bach'sche Motetten entfalten, das durften und konnten die Zuhörer in der Schutzengelkirche bei drei Werken genießen, denn jede einzelne der Bach-Motetten ist ein Meisterwerk. Im von Bach anlässlich des Todes von Johann Heinrich Ernesti 1729 komponierten "Der Geist hilft unserer Schwachheit" zeigte der Chor in radikaler Beleuchtung offensichtliche Schichtungen von virtuoser Beweglichkeit und Spannkraft auf. Durch die tiefgründige Auseinandersetzung von Bach mit Leben und Tod und der Erfüllung des christlichen Erwartens im nächsten Leben ist ein Werk fern aller Depressivität entstanden, das auf die Kraft archaisch-polyphoner Formen, auf leuchtend kühne Chromatik setzt und letztlich auch Bachs Geist atmet. Man spürt, wie intensiv sich der Chor mit dem musikalischen Werk auseinandergesetzt hat.

Jedes Wort findet bei Bach einen Ausdruck im Klang, der weit über das Illustrative hinausgeht. Wenn Bach die Aufgabe hatte, eine Sterbemotette, eine Begräbnismusik zu komponieren, dann war es für ihn etwas, das zwischen ihm und seinem Gott stattfand. Auch bei der dritten Motette, die an diesem Abend zu hören war, "Fürchte dich nicht, ich bin bei dir" (BWV 228), ging der Chor sehr sorgsam und ehrfurchtsvoll mit dem doppelchörigen, als Dialog gestalteten Werk um.

Als Kontrapunkt dazu "Veni" des zeitgenössischen Komponisten Georg Grün, das aus seiner dreiteiligen Komposition "Marantha" stammt.

In der Mitte des Konzerts drei spätromantische Kompositionen von Albert Becker, der Leiter des Berliner Domchores war, für den er auch den größten Teil seiner geistlichen Musik komponierte: "Befiehl dem Herrn deine Wege", "Ich bin die Auferstehung und das Leben" sowie "Komm heiliger Geist". Gerade hier entfaltet sich der Chor zu voller Stärke.

Zwischen Johann Sebastian Bach und dem 100 Jahre eher geborenen Heinrich Schütz lassen sich zahlreiche Berührungspunkte festmachen, vor allem da Bach Enkelschüler von Heinrich Schütz war und damit in der Tradition der Vokalpolyphonie stand. Schütz, der oft auch als "Vater der deutschen Musik" bezeichnet wird, wirkte fast 40 Jahre lang als Hofkapellmeister in Dresden. Frei von aller Hektik, ruhig, tiefgründig, anmutig, harmonisch und ausgewogen interpretierte Crescendo seine von melancholischer und schwermütiger Schönheit geprägten Werke "Die mit Tränen säen", "Die Himmel erzählen" und "Tröstet, tröstet mein Volk".

Die von Schütz ausgewählten Texte wiederum weisen den Weg voraus zu einem friedvollen Leben auf der Erde und der göttlichen Erlösung nach dem Tod - zwei hoffnungsvolle und entscheidende Bitten im Jahr der Drucklegung, als der verheerende Dreißigjährige Krieg endlich geendet hatte. Am Ende offenbarte Crescendo ein Chorkonzert, das sich als eine Bereicherung für Geist und Seele gestaltete. Zeitlos gültige Texte und Klänge, die ebenso berühren wie erschüttern, feinsinnig ausgelegt von einem vortrefflichen Chor. Der Crescendo-Chor ist wieder zu hören am Samstag, 30. November, in der Uni-Aula.

Edgar Mayer

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