Dietfurt
Eine aufgeweckte Truppe

Weckrufer gehören seit mehr als sechs Jahrzehnten zum Dietfurter Chinesenfasching

26.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:44 Uhr

Sendboten des Frohsinns: Die Weckrufer gehören zum Dietfurter Chinesenfasching wie der Kaiser. Seit 1954 sorgt die bunte Truppe zuverlässig dafür, dass niemand den Unsinnigen verschläft. ‹ŒArch - foto: Bachhuber

Dietfurt (khr) Sie stehen eher selten im Rampenlicht und sind dennoch unverzichtbarer Bestandteil des Dietfurter Chinesenfaschings. Die Weckrufer sind am Unsinnigen die ersten, die auf den Beinen sind. Mit viel Krawall und Getöse ziehen sie durch die nächtlichen Straßen von Bayrisch-China.

Mit Trommeln, Trillerpfeifen und anderen Krach machenden Instrumenten sorgen sie zuverlässig dafür, dass auch der letzte Bürger um den Schlaf gebracht wird. Die zusammengewürfelte Truppe ist schon seit 1954 eine Institution in der Sieben-Täler-Stadt. Ursprünglich war es nur ein kleiner Haufen, unter ihnen der Friseur Hans Geyer, der später als Kaiser Bo-Da-Washy viele Jahre über Bayrisch-China regierte. Erich Moser und Willi Huber waren ebenfalls Weckrufer der ersten Stunde, erinnert sich Johann Gietl. Stadtrat Gietl stieß 1960 als 14-Jähriger mit der Trompete dazu. "Es geht halt darum, die Dietfurter früh genug aus dem Bett hinauszuhauen", scherzt er. Auch in ihrer Anfangszeit waren die Mitglieder des Weckrufs nicht chinesisch gewandet, sondern als Clowns maskiert. Beim Weckruf dabei zu sein, wurde immer beliebter, und so wurde die Zahl der lärmenden Gesellen auf 30 begrenzt, das Mindestalter liegt mittlerweile bei 18 Jahren.

Neuzugänge mussten zuerst die "Feuertaufe" bestehen und ein übles Gebräu aus Schnaps, Bier, Wein und Krautbrühe trinken, erinnert sich Gietl. Sohn Thomas, 39 Jahre, ist in die Fußstapfen - besser noch in das Clownskostüm - seines Vaters geschlüpft und führt die Tradition weiter. Wie "Weckrufbruder" Michael Heislbetz, 37 Jahre, ist auch er mit voller Leidenschaft dabei, wenn es am Unsinnigen Donnerstag um 0.30 Uhr in der Stammwirtschaft, dem Gasthaus zum Lukas, losgeht. "Die meisten von uns werden zu Hause geschminkt oder schminken sich selbst, dann treffen wir uns alle beim Herrler und essen Gulaschsuppe," erklärt Gietl junior. Um 2 Uhr schlängelt sich der bunte, laute Haufen dann Richtung Innenstadt zur ersten Station, dem Haus von "Geyer Boda", also des gestorbenen Friseurs Hans Geyer. Dann geht es in Richtung Max- und Weiherstraße und in Richtung Gries-stetter Straße, wo an einer Station Kaffee und Kuchen auf die lustigen Maschkerer wartet. Hier und dort wird ein Ständchen geträllert, ein dreifaches Killewau geschmettert und die Chinesenhymne hinauf- und hinuntergesungen. Manchmal werden gute Gaben vor der ein oder anderen Haustür postiert, welche die Weckrufer als kleine edle Spende sehr gerne mit einpacken. Zurück in Richtung Innenstadt steht ein Einkehrschwung bei Obermandarine Cao-Lin - bei Bürgermeisterin Carolin Braun (SPD) - auf dem Programm. Die empfängt den Weckruf mit heißen Wienern. Weiter führt der Weg der Weckrufer Richtung Blumenstraße und ins Wohngebiet beim Freibad. Unterwegs werden Honoratioren der Stadt, ehemalige Stadtratsmitglieder oder ehemalige Kaiser besucht. Für Geburtstagskinder, die noch verschlafen in der Haustür stehe, springt ein Ständchen heraus. So viel Zeit muss sein, selbst wenn die Strecke, die sie in dieser Nacht zurücklegen, mitunter um die 20 Kilometer beträgt. Auch ein Aufwärm-Schnapserl darf schon mal dabei sein, schließlich ist der Weckdienst oft bei klirrender Kälte und unwirtlichen Wetterverhältnissen unterwegs.

Dampfende Spaghetti stehen dann beim Dritten Bürgermeister Bernd Mayr (FW) auf dem Tisch. Frisch gestärkt ziehen die munteren Gesellen weiter durch die Straßen, Richtung Hainsberger Straße, Sudentenstraße und weiter zum Franziskanerkloster, wo sie in etwa um 6.15 Uhr ankommen. Auch der Stadtpfarrer und Pi-Pri-May, das ist Tourismuschefin Pia Pritschet, werden aus den Federn geholt. Hier warten wiederum wärmende Heißgetränke auf die Weckrufer. Schließlich geht es weiter in die Stadtmitte, die Hauptstraße und Griesstetter Straße entlang in Richtung Tennisheim und Industriestraße. "Hier hört man die Kanone wegen des Schalls vom Wolfsberg besonders gut," weiß Michael Heislbetz, der Kanonenmeister. Weiter geht es zu den Supermärkten am östlichen Ende der Stadt. Zwischendurch gibt es an einer Station wieder mal Krapfen und feinen Kaffee.

Ab Höhe des Friedhofs stellen sich die Weckrufer ordentlich in Zweierreihen auf und marschieren, die Fahne voraus, die Kanone ganz hinten, feierlich in die Stadtmitte. Flugs eingekehrt wird noch bei einer örtlichen Metzgerei und Bäckerei, falls der ein oder andere Magen nach der langen Wegstrecke noch knurren sollte. Um 8 Uhr läutet der Weckruf dann zusammen mit Kaiser Fu-Gao-Di den Unsinnigen ein.

Wieder in Zweierreihen zieht der lärmende Haufen zur Grund- und Mittelschule, wo er um 8.30 Uhr ein Stelldichein hat. Ihren letzten Auftritt haben die etwa zehn Dietfurter Musikanten, die dem Weckruf angeschlossen sind, um 9.30 Uhr im Dietfurter Altersheim. Die donnernde Kanone, scheppernde und donnernde Marschtrommeln, lärmende Ratschen und quietschende Hupen haben danach erst einmal bis zum Umzug um 13.61 Uhr Pause. Beim Umzug am Nachmittag ist der Weckruf selbstverständlich dabei und fester Bestandteil der Zugfolge.

In Erinnerung geblieben ist Thomas Gietl das Jahr 2001, an dem der Weckruf einmal ganz leise war. Am Grab des ein Jahr zuvor gestorbenen Bo-Da-Washy spielten sie zum Gedenken an den beliebten Herrscher über Bayrisch-China dessen Kaiserhymne zur Melodie von "Sierra Madre".

Zu den lustigen Höhepunkten eines jeden Weckruflaufs zählen für Michael Heislbetz und Thomas Gietl stets immer die Besuche im Kindergarten, der Schule und im Seniorenheim, wo sie schon freudig erwartet werden. Ob die Freude über das Erscheinen der Weckrufer auch mitten in der Nacht bei den noch friedlich schlafenden Dietfurtern so groß ist, sei dahingestellt.

Doch das Einzige, was zählt, ist, dass die Dietfurter Chinesen für ihren großen "Feiertag" pünktlich und rechtzeitig aus den Federn geholt werden, damit niemand das große Ereignis verpasst. Denn Tradition verpflichtet.