Pfaffenhofen
Ein Waisenhaus samt Altersheim

Stadtpfarrer Ludwig Kohnle plante am Schleiferberg ein Großprojekt und scheiterte an der Inflation

26.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:44 Uhr

Einen Prachtbau im späten Jugendstil mit neobarocken Formen entwarf der Architekt Otto Mayer aus Bamberg. Doch aus den Plänen von Ludwig Kohnle zum Bau eines Waisenhauses mit Altenheim am Fuße des Schleiferberges wurde nichts. Die mühsam beschafften finanziellen Mittel für das Großprojekt wurden während der Inflation binnen weniger Wochen wertlos. - Fotos: PK-Archiv

Pfaffenhofen (PK) Am Fuße des Schleiferberges liegt ein großes Grundstück, das sich rechts der Straße nach Osten bis kurz vor die Quellengasse erstreckt. Die Einheimischen nannten dieses Grundstück "Waisenhausgarten". Die Bewohner der Quellengasse konnten darauf bis zur Bebauung des Grundes durch den Pfarrkinderhort Don Bosco und die Kindertagesstätte St. Johannes, ohne ein Pachtgeld zu bezahlen, ihre Heimgärten anlegen. Der Pfaffenhofener Autor, Maler und Karikaturist Hermann Singer ging für unsere Zeitung der Frage nach, wie dieses Grundstück zu dem Namen "Waisenhausgarten" kam.

Es waren die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Deutschland wurde nach dem Versailler Friedensvertrag zum alleinigen Kriegsverursacher erklärt und zu enormen Entschädigungsleistungen an die alliierten Gegner verpflichtet. Gewaltige innere Unruhen vergifteten das Land. Die Reparationsforderungen und die Ruhrbesetzung trieben bis 1923 die Inflation auf den Höhepunkt. Über Nacht waren alle Ersparnisse dahingeschmolzen. Nach einem kurzen wirtschaftlichen Aufschwung zerstörte 1929 eine Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch den New Yorker Börsensturz, jegliche Grundlage für eine weitere Stabilisierung.

In diesen unruhigen Jahren wirkte in der Pfarrei Pfaffenhofen Ludwig Kohnle als Stadtpfarrer. Als "Vater der Armen" wurde er bezeichnet - "Ein Pfarrer in Zeiten von Krieg und Armut" schrieb die Heimatzeitung über den Geistlichen.

Ludwig Kohnle setzte sich unermüdlich für Arme und Kranke ein. Auf einem Grundstück am Fuße des Schleiferberges, das die Stadt und die Gritsch'sche Fundationsstiftung zur Verfügung stellten, wollte er ein Waisenhaus mit einem Altersheim errichten. Einen gewaltigen Prachtbau im späten Jugendstil mit neobarocken Formen entwarf ihm sein Architekt Otto Mayer aus Bamberg, der bereits Jahre vorher den Entwurf für die Verlängerung des Langhauses der Stadtpfarrkirche gestaltet hatte. Mit Spenden, mit Stiftungen wohlhabender Bürger, Frondiensten und mit Eigenkapital - der Pfarrer stellte aus seinem Privatvermögen eine große Summe zur Verfügung - wollte Ludwig Kohnle dieses Großprojekt finanzieren. Doch die Zeit war gegen ihn. Die Inflation zerstörte alle seine Pläne. Die mühsam beschafften finanziellen Mittel wurden binnen weniger Wochen wertlos. Doch der Pfaffenhofener Stadtpfarrer unternahm einen weiteren Anlauf: Er reiste 1923 per Schiff in die USA und verkaufte dort seine wertvolle Kunstsammlung. Aber die so gewonnenen Geldmittel reichten nicht für das Waisenhausprojekt, die Pläne wurden nie realisiert. Doch dafür setzte Kohnle, der anlässlich seines 70. Geburtstages zum Pfaffenhofener Ehrenbürger ernannt wurde, eine andere Idee um: Mit 30 000 Reichsmark gründete er eine Stiftung, die vor allem all jenen, die keiner gesetzlichen Krankenversicherung angehörten, die Aufnahme im Krankenhaus ermöglichen sollte. Der Aufbau dieser Stiftung brachte ihm den Namen "Vater der Armen" ein.

Ludwig Kohnle war von 1913 bis 1929 Stadtpfarrer in Pfaffenhofen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er dann sein Amt niederlegen. Er kehrte an seine frühere Wirkungsstätte Pfronten zurück, wo er im September 1930 im Alter von 74 Jahren starb. In Pfronten hatte er übrigens bereits im Jahr 1900 ein großes Bauprojekt realisiert: die Errichtung eines Waisenhauses.