Eichstätt
"Ein unglaublicher Aufwand"

Freiwillige haben schon 3800 Mund-Nase-Masken im Landkreis Eichstätt angefertigt - Schutz für Feuerwehr und THW

08.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:34 Uhr
Übergabe mit Abstand: 300 Mund-Nase-Masken aus Vlies nahm (von links) Christian Tontarra für das THW entgegen, 3000 Martin Lackner für die Feuerwehr. Larissa Baumann organisiert die Näh-Aktion, Franz Heiß und David Vogl vom Katastrophenschutz sind für die Verteilung der fertigen Produkte zuständig. Pflegedienstleiterin Julia Föttinger und Marco Fürsich, Geschäftsführer der Kliniken im Naturpark Altmühltal, nahmen 500 Masken aus Baumwollstoff entgegen. −Foto: Kurz

Eichstätt - Vier Kartons mit prall gefüllten Plastiksäcken stehen im Innenhof der Eichstätter Residenz.

 

Fast 4000 Mund-Nase-Masken befinden sich darin. Sie stammen nicht aus einer Massenfabrik; über 100 Freiwillige haben sie zu Hause genäht, man könnte "Unikat aus Handarbeit" auf jede einzelne draufschreiben.

Wer muss den Anstoß geben, damit Hobbynäherinnen und Schneiderinnen Tausende Masken nähen? In diesem Fall war es ein Seniorenheim.

Die Caritas-Einrichtung St. Josef in Denkendorf hatte sich an die Gemeinde gewandt: Ihnen gingen die Masken aus, sie bräuchten Hilfe. Wisse denn jemand, wo noch Masken zu bekommen seien?

Bürgermeisterin Claudia Forster findet bei Facebook einen Beitrag des Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger: Vliesrollen seien auf dem Weg in die bayerischen Städte und Landkreise. Wer kann, soll nähen. Larissa Baumann, Mitarbeiterin in der Gemeindeverwaltung, schreibt also ans Landratsamt, das am Tag darauf meldet: Eine Rolle ist nun eingetroffen. Niemand hatte das Amt auf die unverhoffte Lieferung vorbereitet - "etwas seltsam" sei das schon gewesen, sagt Pressesprecher Manfred Schmidmeier, aber man habe natürlich gleich versucht, das Beste daraus zu machen.

Die Frage war: Wie geht es weiter? Baumann ergreift die Initiative und startet einen Aufruf im Internet, sucht Freiwillige. Sie spricht sich außerdem mit David Vogl, Fachbereichsleiter für Katastrophenschutz am Landratsamt Eichstätt, ab. Er bietet ihr Hilfe an. "Zwei Tage später habe ich den Notruf abgesetzt", sagt Baumann. Denn die Organisation sei "ein unglaublicher Aufwand", die für eine allein nicht zu schaffen sei.

Die Verteilung läuft folgendermaßen: Zunächst holt das Technische Hilfswerk die Rolle aus einem Lager bei München ab, zusammen mit anderen Schutzartikeln. Das können zum Beispiel 3000 Handschuhe und 365 Liter Desinfektionsmittel sein, wie THW-Ortsleiter Christian Tontarra erklärt. Die Vlies-Rolle, die beim THW ankommt, muss dann zu einer von vier Feuerwehren, die sich für den Zuschnitt bereiterklärt haben; das Vliesband misst 400 Meter. Starre Abläufe gebe es bei dieser ersten Verteilung nicht, sagt Baumann. "Ich schreibe dann: Eine neue Rolle ist da", und diese Info gibt der zuständige Koordinator für die Feuerwehr weiter. Diejenige Wehr, die Zeit hat, meldet sich. Nach dem Zuschneiden holen dann wiederum Feuerwehren die Nähmaschinen-gerechten Stoffhäppchen ab, in zehn Bereiche haben die Koordinatoren den Landkreis dafür eingeteilt, zum Beispiel bilden Denkendorf, Pondorf und Mendorf eine Einheit. Die Bereichskoordinatorinnen nehmen den Stoff in Empfang und verteilen ihn wiederum an die freiwilligen Schneiderinnen - mehr als 120 gibt es davon zurzeit insgesamt. "Da steht dann eine große Kiste im Carport", beschreibt Baumann das Zwischenlager, aus dem sich die Schneiderinnen bedienen und in das sie die fertigen Masken zurücklegen, damit sich niemand einem Ansteckungsrisiko aussetzt. Geübte Hände brauchen nur 10 bis 15 Minuten für die Näharbeit. Die fertigen Produkte holt dann wieder die Feuerwehr bei der Koordinatorin ab und fährt sie ins Landratsamt, das über die Verteilung entscheidet. Bei der ganzen Aktion beeindrucke Baumann vor allem der Einsatz, den jede und jeder zeige, auch haben die Firmen Stiefel und Kabeltronik spontan Stoff und Draht gespendet.

Die erste Fuhre ging am Mittwoch an die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk: 3000 Masken für die Wehr mit ihren circa 6000 Aktiven, 300 bekam das THW mit etwa 80 THWlern. "Sie sind nicht unbedingt ein Schutz für einen selbst", sagt Franz Heiß, Sachgebietsleiter für Katastrophenschutz am Landratsamt Eichstätt. Der Mund-Nasen-Schutz sei dafür da, dass die Einsatzkräfte sich gegenseitig schützen, indem sie die Masken bei Einsätzen tragen. "Letztlich sind sie leider ein Einweg-Produkt", sagt Heiß, der Stoff sei nicht bei der erforderlichen Temperatur waschbar. Kreisbrandrat Martin Lackner ergänzt aber: "Die Feuerwehr hat ja nicht jeden Tag einen Einsatz", und hinzu komme, dass gerade viel weniger los sei, etwa auf der Autobahn. Auch Einwegmasken trügen daher zur Sicherheit bei, wenn mal etwas passieren sollte und die Wehr gefordert ist.

Katastrophenschutz-Fachbereichsleiter Vogl ergänzt, man müsse den "bestmöglichen Schutz untereinander" haben - auch, wenn die Masken nicht zertifiziert sind und keinen Eigenschutz bieten.

Für die Kliniken gab es darüber hinaus noch 500 Masken, die nicht aus dem "Aiwanger-Vlies" gemacht sind, sondern aus einem mehrlagigen Baumwollstoff, den die Schneiderinnen selbst zur Verfügung gestellt haben. 1600 Masken waren eigentlich geplant, aber dafür muss noch mehr Stoff gekauft werden. "Das sind Behelfsmasken", sagt der Geschäftsführer der Kliniken Marco Fürsich, und sie sollen dann benutzt werden, wenn die Mund-Nasen-Masken der Klinik aufgebraucht sind - "wir bauen vor".

Acht weitere Vlies-Rollen sollen in den nächsten Tagen ankommen. "Die Schneiderinnen stehen in den Startlöchern", sagt Baumann.

EK