Gerolfing
Ein schmucker Urvater

Historischer Arbeitskreis rekonstruiert nach archäologischen Funden in Gerolfing die Grabausstattungen

05.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:35 Uhr

Foto: DK

Gerolfing (DK) Wer bin ich, woher stamme ich? Diese Frage treibt die Menschen seit jeher um. Oft helfen archäologische Funde weiter, wie die Entdeckung zweier Gräber in Gerolfing beweist. Ist einer der Toten gar der Gründer des Ortes? Die Ausstattung der Krieger ist jetzt aufwendig restauriert worden.

Die Ursprünge des neuerdings stark wachsenden Stadtteils westlich von Ingolstadt lagen lange Zeit im Dunkeln. Aber der Boden gab seine Geheimnisse stellenweise preis und brachte hier und dort Aufhellung. Oftmals Zufallsfunde wie in den 1980er Jahren, als ein Ortsbauer beim Unterkellern seines Hauses auf drei Skelette, eine Schale und einen Keramikkrug stieß. Die Knochen warf er aufs Feld, die Schädel und Gefäße hob er auf. Als der damalige Grabungsleiter Karl Heinz Rieder vom Landesamt für Denkmalpflege eher zufällig von dem Fund erfuhr, stellte sich heraus, dass die Toten im 6. Jahrhundert gelebt haben mussten – etwa zur Gründungszeit Gerolfings um das Jahr 500.

Der eigentliche Urvater des Orts, damals eine Siedlung mit höchstens acht Höfen und 100 Menschen, ist unbekannt. „Gerolf“, so nennt Rieder ihn, war nach seiner Ansicht ein Zuwanderer, ein Ostgote vielleicht, ein Alemanne oder Langobarde – ein Vertreter jener Volksgruppen, die Anfang des 6. Jahrhunderts in den Donauraum kamen. „Es könnte sich um den Mann handeln, dessen Überreste 1993 unter der Werkstatt vom Babinger-Schorsch entdeckt worden waren“, sagt der Archäologe. „Und wenn er nicht der Ortsgründer war, dann hat er ihn zumindest gekannt“, meint er augenzwinkernd.

Dieser Krieger, etwa 1,80 Meter groß, war für damalige Verhältnisse ein stattlicher Mann. Seine Angehörigen hatten ihn um das Jahr 500 samt Waffen begraben. Reihenbestattungen, alle etwa aus derselben Zeit, belegen, dass hier nahe der heutigen Eichenwaldstraße wohl die Ursprünge Gerolfings liegen.

Dabei war es nicht der erste spektakuläre Fund auf Ortsflur. Bereits über 100 Jahre vorher waren Gerolfinger Bürger beim Kiesabbau nördlich des Dorfes auf ein bemerkenswertes Grab aus der Zeit um 700 n. Chr. gestoßen. Franz Xaver Ostermair vom Historischen Verein hatte den Fund seinerzeit nach München gemeldet, sodass er auf der ersten prähistorischen Karte Bayerns von 1881 Erwähnung fand. „Am Löwenbuckl, einer mäßigen Anhöhe, kamen im Jahre 1877 die Gebeine eines Mannes zum Vorschein, der im Grabe saß, ein langes breites eisernes Schwert, dann eine Lanze zur Seite hatte und von golddurchwirkten Kleiderresten umgeben war“, schrieb Ostermair. Im Grab lagen zudem ein Glastumbler, also ein Trinkgefäß, das einzig dem Zweck diente, sich sturzartig zu betrinken, ein goldener Nietkopf und der Beschlag einer Schwertscheide.

Teile des Fundes liegen heute im Stadtmuseum, andere wurden gestohlen. Die Geschichte um die Relikte rekonstruierte Karl Heinz Rieder erst ab 2010, nachdem er zuvor ähnliche Gräber bei Bergheim, Etting, Enkering, Großmehring und Pfünz entdeckt hatte. „Es handelt sich in allen Fällen um Ortsvorsteher der jeweiligen Siedlungen, die separat bestattet wurden, wie es damals üblich war. Diese Leute waren also noch im Tod hervorgehoben.“ Die Funde seien Zeugnisse einer Gesellschaftsform mit einer Standesdifferenzierung, wie sie in der Zeit von 650 bis etwa 725 typisch war. „Der kleine Mann ist damals im Ort beigesetzt worden, die sogenannten Besseren außerhalb.“ Die jetzt abgeschlossene Rekonstruktion der Grabausstattungen (siehe Kasten links) soll die Bedeutung der Funde für die Gerolfinger Ortsgeschichte unterstreichen.