Wellheim
Ein geheimnisvoller Ort

Das Zigeunerloch: Früher lagerte das "fahrende Volk" in dem zerklüfteten Felslabyrinth

11.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:12 Uhr |
Seit Jahrhunderten eine sagenumwobene Stätte: das Zigeunerloch im Wald bei Wellheim. − Foto: Pfaller

Wellheim (EK) Das Urdonautal ist reich an Burgruinen, Legenden und mysteriösen Plätzen. Die Wilde Jagd braust in alten Sagen nachts durch das Tal, verborgene Schätze sollen hier ruhen und wilde Raubritter raubten reisende Kaufleute aus. Und an einem versteckt liegenden Ort - dem "Zigeunerloch" - lagerte vor Jahrhunderten das fahrende Volk.

Folgt man der Straße von Wellheim Richtung Rennertshofen, zweigt nach etwa einem Kilometer nach rechts ein Feldweg ab, der zu einem Feldstadel führt. Der Weg verläuft weiter in den Bergwald und steil nach oben. Auf halber Höhe wird aus dem Weg ein schmaler Pfad und nur Wegmarkierungen an einzelnen Bäumen weisen darauf hin, dass man dem Ziel näher kommt. Plötzlich taucht ein gewaltiges Felsmassiv im schattigen Hochwald auf. Felsspalten, Türme, Zinnen und Höhlen wechseln sich ab, bis man zum Hauptplatz kommt. Ist es nur ein Felsmassiv oder eine Burgruine? Die Fantasie lässt beide Möglichkeiten zu.

Der Vorplatz des Zigeunerlochs bietet eine gewaltige Kulisse, vor der man sich bestens ein Zigeunerlager vorstellen kann, mit Lagerfeuer, Wagen und Pferden. Eine Legende - teils Schauermärchen, teils historisch belegt - berichtet jedenfalls eine passende Begebenheit aus dem Jahre 1699: Auf ihrem Zug von Osten her hatte die Zigeunersippe des Larto das in der Nähe von Wellheim gelegene Versteck gefunden und sich hier heimisch niedergelassen. Von diesem Zufluchtsort aus zog der Zigeunerhäuptling mit seine Bande musizierend, wahrsagend, bettelnd und auch stehlend in der Gegend umher. Abends versammelte Larto seine Mannen zur Verteilung der Beute - an guten Tagen gab es abends ein Fest.

Eines Abends kam ein flotter Bursche namens Jago von seinem Streifzug aus dem Donautal zurück. Er berichtete, dass drüben in Neuburg große Festlichkeiten bevorstünden und dass er sich verpflichtet habe, mit der Zigeunerkapelle vor den Herrschaften und Volk in der Donaustadt aufzuspielen. Häuptling Larto beschloss, so die Legende, dieses Angebot auszunutzen. Es war Mitte Oktober 1699, als Kurfürst Johann Wilhelm in Neuburg Einzug hielt. Viele Menschen waren gekommen, um ihn zu begrüßen. Tage und Nächte fand ein jubelndes Volksfest statt, an dem die Sippe Lartos unermüdlich musizierte und sang.

Die glutäugige Amara tanzte und faszinierte Männer und Mädchen gleichermaßen mit ihren fremdartigen Tanzweisen. Sogar der Herzog holte sie ins Schloss, damit diese schwarzhaarige Schönheit seine hohen Gäste mit ihren ungarischen Tänzen erfreue. Während ihres Tanzes berauschte sich Amara an den prächtigen Geschmeiden der hohen Frauen und wertvollen Gemälden alter Meister, die in dem prunkvollen Saal an den Wänden hingen. Das Gemälde einer orientalischen Hofdame im goldenen Prunkrahmen wirkte auf die Zigeunerin besonders anziehend. Amara beschloss, sich das Bild irgendwie anzueignen. In einer Liebesnacht überredete die schöne Amara den kühnen Zigeunerhauptmann Larto, heimlich ins Schloss einzusteigen und das Bild für sie zu stehlen. Er hatte Pech und wurde von der Leibwache ertappt und in den Turm gesperrt. Das Gericht machte wenig Federlesens mit dem Räuber und verurteilte ihn zum Tode am Galgen.

Wieder war viel Volk auf den Straßen von Neuburg, als die Henkersknechte Larto zum Hochgericht führten. Der zweirädrige Henkerskarren polterte an den Neugierigen vorbei, manche bekreuzigten sich und sprachen ein stilles Paternoster. Kaum hatte man den Richtplatz erreicht, bekam Larto die Schlinge um den Hals gelegt. Die Gesellen stießen den Delinquenten von der Leiter und schnell war sein Lebenslicht ausgeblasen. Das Volk verließ die schaurige Stätte und die Nacht brach herein. Der Leichnam baumelte nicht lang am Galgen, denn dunkle Gestalten schlichen zur Richtstätte und holten den Unseligen herunter. Auf heimlichen Pfaden trugen die Zigeuner ihren toten Anführer ins heimliche Schlupfloch über dem Urdonautal. Dort wehklagten die Frauen, während Larto auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Nur Amara, die ihn zum Diebstahl angestiftet hatte, war verschwunden. Und bald auch die ganze Sippe, denn die Häscher aus Neuburg waren schon unterwegs.

Werner Pfaller

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