Eichstätt (jok) Manuel Bauer, einst eine der wichtigsten Figuren der deutschen Neonaziszene, der aber nach zwölf Jahren ausstieg, referierte am Willibald-Gymnasium. Der Vortrag bildete den Auftakt zu einer Reihe von Aktionen, die das Projektseminar "Rechtsextremismus" vorbereitet hatte.
Seit Februar beschäftigen sich acht Schüler unter der Leitung von Nadja Kohler mit rechtsextremistischen Organisationen und der Frage, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Wunsch der am Projekt beteiligten Schüler war es von Anfang an, die Ergebnisse des Seminars der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Zwar gibt es in Eichstätt selbst im Moment vermutlich keine "rechte" Szene, es erfüllt aber mit Sorge, dass – nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung – ausländerfeindliche Einstellungen bereits "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen sind, wie zum Beispiel das Abspielen von rechtsradikalen Liedern in so genannten Bauwagen zeigt.
Ein erster Höhepunkt war für die Schüler die Teilnahme an einer Fachtagung in Nürnberg, zu der sonst nur Professoren, Sozialpädagogen und Lehrer eingeladen werden.
Vor sämtlichen Schülern der Oberstufe zeigte nun Manuel Bauer, wie er immer mehr in die Welt des Rechtsradikalismus eintauchte. Mit dem Abzug der sowjetischen Armee im Rahmen der Wiedervereinigung galt es, wie Bauer berichtete, in weiten Bereichen der DDR als modern, die vollständige nationale Souveränität Deutschlands einzufordern. Dies hieß in den Augen der Neonazis, dass alle Ausländer aus Deutschland zu verschwinden hätten und alle nicht-deutschen Elemente wie zum Beispiel Döner getilgt werden müssen.
Bauer identifizierte sich immer mehr mit diesen Gedanken, studierte insbesondere Literatur der Nazis und machte in der Szene einen rasanten Aufstieg, der im Alter von 14 Jahren begann. Sein Ansehen wuchs mit jeder Aktion, bei der er sich als äußerst gewaltbereiter Aktivist "bewährte." Um die Hemmschwelle der Jugendlichen herabzusetzen, wurde dabei im Vorfeld exzessiv Alkohol konsumiert.
Der Referent wartete in seinem Vortrag mit drastischen Einzelheiten auf, wie brutal Neonazis Ausländern attackierten. Reichte anfangs noch ein dummer Blick, um anderen "aufzumischen", steigerten sich die Aktionen in paramilitärisch geplante Kommandos, bei denen die Opfer immer schwer verletzt wurden. In seiner Verblendung ging Bauer sogar so weit, seine Mutter und seine Schwester zu verprügeln und seinen Vater mit einem Messer zu verletzen. Am "Höhepunkt" seiner Nazi-Karriere versuchte er, durch Waffenhandel Geld für die verschiedenen NS-Organisationen einzutreiben.
Nach der Entführung eines Homosexuellen wurde Bauer schließlich gefasst und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Dort führte ein Schlüsselerlebnis dazu, dass er sich von der rechtsradikalen Szene abwandte. Weil er so genannte Kameraden dabei ertappt hatte, wie sie sich Drogen zuschoben, was dem Ehrenkodex der Neonazis widersprach, kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der ihm – ausgerechnet – zwei Türken zu Hilfe eilten.
Mit Unterstützung der Organisation "Exit", die Mitglieder der Naziszene beim "Ausstieg" betreut, ist es Bauer schließlich gelungen, das rechtsradikale Milieu zu verlassen und bis heute der Rache der ehemaligen "Kameraden" zu entgehen, obwohl auf ihn ein hohes "Kopfgeld" ausgesetzt ist.
Die unglaubliche Brutalität, die Bauer seit seiner Jugend an den Tag legte, hat ihn traumatisiert. Er ist auf ständige psychologische Beratung angewiesen, die Schmerzensschreie und Blicke der Opfer wollen nicht mehr aus seinem Kopf.
Die zahlreichen Fragen der Schüler nach dem Vortrag, die sich unter anderem auch mit der Opferperspektive befassten, zeigten, dass Bauers Warnung vor rechtsradikalem Gedankengut einen tiefen Eindruck hinterließ.
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