München
Ein Advokat der Dichtkunst

Ingolstädter Jurist Sebastian Knott gewinnt mit einem gereimten Vortrag den Redewettstreit des Deutschen Anwaltvereins

13.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:23 Uhr

Wortreich zum Sieg: Sebastian Knott aus Ingolstadt ist gestern mit seiner „Ode an das Verfassungsgericht“ beim Redewettstreit des Deutschen Anwaltvereins auf den ersten Platz gekommen - Foto: Bartmann

München (DK) In München traten gestern Anwälte aus ganz Deutschland zum Redewettstreit an – am Ende gewann Sebastian Knott aus Ingolstadt.

Reden kann man auf ganz unterschiedliche Weise. Der erste Kandidat redet vor allem mit den Händen. Er gestikuliert so wild umher, dass er mit der Hand an das Mikrofon stößt und ein lautes „Plopp“ verursacht. Ein anderer Kandidat redet mit dem Gesicht. Mal bohrt sich sein Blick ins Publikum, mal stellen seine Augen Fragen, mal ziehen sich die Augenbrauen zusammen und wollen sagen: „Achtung, Ironie!“

Sebastian Knott aber redet wie sonst Keiner. Eigentlich redet er gar nicht, er dichtet. Mit seiner juristischen Lyrik reimte sich der Ingolstädter Rechtsanwalt beim Redewettstreit des Deutschen Anwaltvereins (DAV) im vergangenen Jahr auf Platz zwei, bei der Neuauflage gestern in München nahm er nun den ersten Platz ins Visier – mit Erfolg.

Seit zwölf Jahren ruft der DAV im Rahmen des alljährlichen Deutschen Anwalttages zum Redewettstreit. Zehn Wortartisten aus ganz Deutschland hatten es heuer nach München geschafft, darunter auch Knott. Der Ingolstädter Jurist wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als er vor zwei Jahren für die Schrobenhausener Waisenhausstiftung als Sonderermittler zur Aufklärung der Affäre um den damaligen Augsburger Bischof Walter Mixa tätig war. Mixa wurden Schläge gegen Heimkinder während seiner Zeit als Stadtpfarrer sowie Veruntreuung vorgeworfen; er verlor wegen der Affäre seinen Posten als Bischof.

Der Redewettstreit steht bei Juristen hoch im Kurs, schließlich gehört das Reden zu den wichtigsten Werkzeugen der Advokaten. Mit ihren Worten klagen sie an, mit ihren Worten ringen sie um Kompromisse, verteidigen, kontern, entlarven. In der fünfköpfigen Jury sitzen die Hochkaräter der Branche, etwa der Berliner DAV-Vorsitzende Ulrich Schellenberg und Thilo von Trotha, ehemaliger Redenschreiber von Helmut Schmidt und Ehrenpräsident des Verbandes der Redenschreiber.

Sieben Kandidaten haben bereits gesprochen, als Knott an das Pult tritt. Ohne Vorgeplänkel fängt der 36-Jährige in seiner „Ode ans Verfassungsgericht“ zu reimen an. Nur wer zum ersten Mal beim Redewettstreit dabei ist, reagiert etwas irritiert, alle Anderen wissen: Die Dichtkunst ist Knotts Markenzeichen. „Ich habe als Kind schon Gedichte geliebt und auch selbst gedichtet“, sagt er. „Das ist hier einfach eine Gelegenheit, meine Leidenschaft auch unters Volk zu bringen.“ Knott lobpreist in seinen Strophen das Bundesverfassungsgericht, erzählt dessen Geschichte und webt auch einige historische Urteile in seine Verse mit ein. „Ein Flugzeug, das in Terrorhand, nicht abzuschießen über’m Land. Unsere Kultur, sie ist geprägt – Das Leben wird nicht abgewägt. Der Staat darf niemals Mörder sein, zu keinem Zweck: ganz einfach Nein.“

Aber ist ein Gedicht tatsächlich richtig bei einem Redewettstreit? „Aber ja,“ sagt Juror Thilo von Trotha. Sogar als Plädoyers vor Gericht seien Gedichte ausdrücklich zugelassen. Egal ob Gedicht oder normale Rede, für seine Bewertung hat von Trotha ganz klare Kriterien: den Aufbau, das Tempo, Lautstärke, Gestik, Mimik. „Der Text und die Gestik müssen zusammenpassen. Sonst wirkt es einstudiert und unnatürlich.“

Bei einer Kandidatin erinnert man sich an diese Worte. Ihre Stimme ertönt in einem auffälligen Singsang, der für Parodisten eine wahre Freude wäre. Ihre Gestik wirkt vorsätzlich, als wolle sie einfach jedes einzelne Wort mit einer hektischen Handbewegung Richtung Publikum schubsen. Trotzdem kommt ihre Rede bei der Jury gut an, wohl vor allem wegen des recht philosophischen Inhalts. Am Ende landet sie auf Platz drei. Chancen auf den besten Platz hat der Vorjahressieger, Arpad Farkas aus Eschweiler. „Beeindruckend“ findet Sebastian Knott die Rede des Titelverteidigers. Aber auch der Ingolstädter ist noch im Rennen. Im Publikum gilt der Vorjahreszweite als Favorit. Und tatsächlich: Als Jurypräsident Ulrich Schellenberg den Sieger des Wettstreits verkündet, fällt der Name des Lyrikers. „Ihr Beitrag hat uns diesmal regelrecht gefangen“, heißt es von der Jury.

Knott nimmt das Kompliment routiniert entgegen. Warum er bei so viel Dichterleidenschaft nicht gleich sein Hobby zum Beruf gemacht hat, sondern Anwalt geworden ist? Knott lacht. Dann sagt er, man müsse ja mit irgendwas auch Geld verdienen.