Roth - Der Klaps auf die Schulter war sowohl Anerkennung als auch Wachablösung.
Die Spitze hatte im abschließenden Marathon des Challenge Roth gerade den Main-Donau-Kanal erreicht, da holte Patrick Lange bereits den Führenden ein. Gut drei Minuten hatte er seit dem Wechsel vom Rad in die Laufschuhe schon reingelaufen; schwebte der Konkurrenz nun endgültig davon. Mit einem erhobenen Daumen für Ruben Zepuntke zog der Doppel-Weltmeister bei Laufkilometer 6 vorbei und ließ den davor bravourös im Sattel agierenden Ex-Radprofi hinter sich. Ein Gedanke setzte sich da schon fest, der dem Status des Top-Favoriten, der Erfahrung vieler Langdistanzrennen wie auch dem Glauben in die eigene Stärke entsprang: "Nachdem ich die Führung übernommen habe, war mir schon klar, die anderen müssen sich ganz schön strecken", sagte Lange etwas mehr als zwei Stunden später im Ziel im Rother Stadtpark - als strahlender Sieger des fränkischen Triathlon-Klassikers.
Nach 3,8 Kilometer Schwimmen, 170 (statt der sonst üblichen 180) Kilometer auf der wegen Baustellen verkürzten Radstrecke und 42,195 Kilometer Laufen ging der gebürtige Nordhesse im Rother Stadion gemäßigten Schrittes auf das Zielband zu; vollführte noch eine langsame Pirouette, um auch alle Zuschauer auf den Stahltribünen einmal zu Gesicht bekommen zu haben. "Ein hartes Rennen, ich musste sehr viel kämpfen", sagte er nach der Bierdusche und ein paar Tränen im Arm von Ehefrau Julia, die der 35-Jährige beide vergoss. "Der Zieleinlauf entschädigt für viel. Es bedeutet mir auch unglaublich viel, hier gewonnen zu haben. "
Nach den Triumphen 2017 und 2018 als Ironman-Weltmeister auf Hawaii glänzte Lange nun auch endlich in Deutschland, darf sich nach seiner erfolgreichen Premiere im Frankenland nicht nur Roth-Sieger, sondern zum dritten Mal bereits Deutscher Meister und Europameister nennen. Ein großer Erfolg auf heimischen Boden war ihm bisher verwehrt geblieben.
Im Stile eines großen Champions bot Lange dafür eine Weltklasseleistung. Seine Gesamtzeit (7:19:19 Stunden) dürfte durch die kürzere Radstrecke allerdings die Liste der Weltbestzeitenliste verpassen. Irreschnell war sie trotzdem. Dem Kanal entstieg er nach 47:28 Minuten als Zweiter, kontrollierte zunächst am Ende der Verfolgergruppe das Geschehen, während sich Zepuntke als Zeitfahr-Ass vorne absetzte und das Feld mit seinem Antritt sprengte. Der Mitfavorit Sebastian Kienle, immerhin Hawaii-Weltmeister von 2014 und 2018 noch Roth-Sieger, war da mit fast uneinholbarem Rückstand schon überraschend ausgestiegen (siehe eigener Artikel rechts).
Als auch Langes Abstand auf fast drei Minuten angewachsen war, übernahm der Top-Mann im Feld selbst die Tempoarbeit der Fünfer-Bande hinter Zepuntke, die letztlich durch die Verschärfung zu einem Tandem zusammenschmolz, das gemeinsam hinter dem Langdistanzneuling in die zweite Wechselzone einrollte. Mit Lange konnte auf dem Rad nur Nils Frommhold mithalten, der in Roth seine sportliche Wiederauferstehung feierte. Der Challenge-Sieger von 2014 hatte "die letzten zwei Jahre überhaupt keine Ergebnisse eingefahren - und dann so ein Ding", wie der gebürtige Berliner im Ziel ungläubig sagte.
Elf Minuten hinter dem Sieger kam er im Stadion an und trottete dennoch mit einem großen Lächeln in Richtung Ziellinie. Jede Millisekunde saugte er auf, um sich zurückzuholen, was er 2014 verpasst hatte. Wie das? An den damaligen Triumph habe er kaum noch Erinnerungen, sagte Frommhold offenherzig, da er damals alle Kraft auf der Strecke gelassen hatte und geistig benebelt nur noch ins Ziel wanken konnte.
Dieses Mal aber ergriff er grinsend das Sponsorenband im Zielturm und reckte es über den Kopf. Der zweite Platz fühlte sich wie ein Sieg an. Wie gewünscht, durfte der 32-Jährige später mit Champagner herumspritzen. "Bei Kilometer 130 habe ich ein Gefühl bekommen, das ich seit fünf Jahren vermisst habe", berichtete Frommhold. "Die Kampfeslust kam zurück! " Dabei habe er geglaubt, sich mit dem hohen Radtempo "verzockt zu haben". Doch einen Vorsprung von 41 Sekunden rettete er knapp ins Ziel.
Denn hinter ihm flog Überraschungsmann Felix Hentschel (32) aus Bamberg heran, der mit seinem unfassbaren Marathonlauf den Rother Streckenrekord der Einzeldisziplin brach, an den Sieger Lange (2:38:30 Stunden) schon nah herangekommen war. Der ehemalige Leichtathlet Hentschel knackte die Uralt-Marke von Luc van Lierde (2:36:49) aus dem Jahr 1997 um 1:10 Minuten. Damit krönte er sich zum Dritten und komplettierte ein rein deutsches Männerpodium.
Zepuntke, der so lange im Fokus gestanden hatte, kam auf Rang 27 ins Ziel, Titelverteidiger Andreas Dreitz als Achter mit gut einer halben Stunde Rückstand auf Triumphator Lange. Ihn hatte das Radtempo geschafft. Wie viele andere.
DK
Christian Rehberger
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