Gaimersheim
Direkte Hilfe aus Gaimersheim für Flutopfer

Sandra Ehrenthaler sammelt für das Ahrtal - Verein gegründet

11.11.2021 | Stand 23.09.2023, 21:46 Uhr |
Timo Schoch
Sandra Ehrenthaler aus Gaimersheim mit einem Ausdruck des späteren Adventskalenders. Der Kalender wird Mitte November verschickt, steht aber bereits jetzt zum Verkauf. Im Hintergrund stapeln sich bereits wieder Utensilien für die nächste Hilfslieferung. − Foto: Schoch

Gaimersheim - Das Hochwasser der Ahr hat das Leben vieler Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen von einem Moment auf den nächsten völlig verändert.

133 Personen starben. Die Hilfsbereitschaft ist enorm - doch die Katastrophe Mitte Juli droht in Vergessenheit zu geraten. Sandra Ehrenthaler aus Gaimersheim will dem entgegenwirken. Sie engagiert sich für die Flutopfer, sammelt Spenden und hilft Familien vor Ort. Deshalb hat sie kürzlich einen Verein für eine nachhaltige Hilfe gegründet.

Die "Herzens-Oma" von Sandra Ehrenthaler ist 82 Jahre alt. Die Gaimersheimerin hat die alte Dame liebgewonnen. Fast täglich schreiben sie sich Nachrichten. Unglaublich herzlich und dankbar sei sie. Dabei hat sie alles verloren. Wie so viele Menschen zwischen dem 14. und 15. Juli dieses Jahres. Bis zum Bauchnabel stand Ehrenthalers "Herzens-Oma" in ihrem Haus im Hochwasser. Und die Flut stieg weiter. Ein Strudel verhinderte, dass sie sich selbst retten konnte. Die Feuerwehr leistete Hilfe. Dann wollten ihre Enkel noch rasch ein paar Habseligkeiten der alten Frau retten. Doch auch sie wurden von der Flut überrascht, die immer höher stieg. Sie flüchteten sich in das obere Stockwerk. Von dort wurden sie schließlich aus akuter Lebensgefahr befreit. Das Haus ist seither unbewohnbar. Alles weg. Von jetzt auf gleich. Und was besonders schwer wiegt: Die alte Dame hatte keine Versicherung gegen die Flut. "Die Ahr ist von ihrem Haus so weit entfernt, dass keiner im Traum an Hochwasser gedacht hätte", sagt Ehrenthaler. Der alten Dame geht es so wie vielen anderen Menschen dort.

Kälte und Dunkelheit setzt den Menschen zu

Vier Tage vor der Flut besuchte Ehrenthaler den Landkreis Ahrweiler. Dort also, wo die Flut mit am heftigsten gewütet hat. Wenige Stunden später glich die Region einem Kriegsgebiet. Kaum ein Stein stand mehr auf dem anderen. Das ist nun 15 Wochen her. Und auch jetzt ist nicht so viel passiert.

Die Politiker, sagt Ehrenthaler, würden die Menschen im Stich lassen. Und nun werden die Tage kürzer. Dunkelheit und Kälte setzen den Menschen zu. Manche haben noch nicht einmal eine Heizung. Es braucht also dringend kurzfristig Hilfe - aber auch langfristig. Ehrenthaler war klar, als sie die Bilder der Katastrophe im Fernsehen sah, dass sie helfen muss. Nur wie? Per Zufall lernt sie andere Leute kennen. Sie kommen aus allen Teilen Deutschlands, beispielsweise aus Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und eben aus Bayern. Sie helfen, wo es nur geht, unterstützen Familien, bringen Spenden direkt an Bedürftige. Aber sie merken schnell: Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es braucht mehr Unterstützung. Eine breitere Basis. Vor allem langfristige Hilfe. Denn diese Flut wirkt Jahre nach. Und: Sie droht langsam in Vergessenheit zu geraten. Bereits jetzt. Sie entschließen sich deshalb, einen Verein zu gründen. "Paten für Katastrophenopfer" ist ein langfristiges Projekt. Es soll nachhaltig sein. "Wir wollen nicht blind sammeln, sondern den Menschen direkt helfen", sagt Ehrenthaler, die gleichzeitig Schatzmeisterin und Gründungsmitglied des Vereins ist.

Direkte und langfristige Hilfe für Betroffene

Aktuell unterstützt der Verein 28 Familien direkt und langfristig. Dazu kommen noch viele Einzelspenden. Die Namen der Bedürftigen erhalten sie von einem Pastor oder die Menschen melden sich direkt. Jeder Fall werde separat geprüft. Und so kennt Ehrenthaler viele Einzelschicksale. Persönliche Tragödien. Familien, die zu Fünft unter dem Dach in einem Rohbau leben, ohne Wasser und Heizung. Eltern, die mit neun Kindern in zwei Zimmern wohnen. "Ihr Haus stand bis zum Dach unter Wasser. Bis sie zurückkommen, wird es ewig dauern", sagt Ehrenthaler.

Erst kürzlich war sie wieder unterwegs im zerstörten Hochwassergebiet. Ein Transporter voll bis unters Dach, mit Laptops, Tischen, Matratzen, vielen kleinen Utensilien, und, und, und. Teilweise fährt die Unternehmerin wöchentlich hin, mindestens aber alle zwei bis drei Wochen. Täglich stimmt sie sich telefonisch mit ihren Mitkämpfern ab, teilweise bis tief in die Nacht. "Meine Familie unterstützt mich tatkräftig und ich schlafe weniger", sagt sie. Aber die Schicksale lassen sie nicht los. Sie will helfen. Möglichst allen. Für die Adventszeit hat sich Ehrenthaler deshalb etwas Besonderes einfallen lassen: einen Adventskalender mit Preisen (siehe eigener Artikel). Vom Geld werden die Flutopfer unterstützt. Denn dort wird alles gebraucht. "Die Menschen haben teilweise nichts mehr, selbst Kleinigkeiten wie Stifte und Radiergummis fehlen." Und so stapeln sich Schulmaterial, Bettwäsche, Kleidung, Geschirr, Schränke oder Spielsachen in Ehrenthalers Garage schon wieder bis unters Dach. Alles ist wieder bereit für den nächsten Transport.

Der Adventskalender

"Das ist mein Herzensprojekt, dafür habe ich gekämpft", sagt die Gaimersheimerin Sandra Ehrenthaler. "Viele hatten nicht geglaubt, dass wir einen solchen Adventskalender in dieser kurzen Zeit auf die Beine stellen können." 500 Adventskalender stehen nun zum Verkauf. 36x36 Zentimeter sind sie groß und mit Schokolade gefüllt. Dazu gibt es noch täglich besondere Preise zu gewinnen. "Bislang beteiligen sich über 60 Unternehmen mit Preisen. In der Regel sind es regionale Firmen", sagt Ehrenthaler. "Mit einem Notar wird täglich dann ausgelost." Eine Vorbestellung des Kalenders ist auf der Webseite https://paten-fuer-katastrophenopfer.de/ oder per Mail Paten-fuer-Katastrophenopfer@web.de möglich. Am 17. November wird der Kalender dann an die Käufer verschickt. Der Erlös kommt zu 100 Prozent den Flutopfern zugute.

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Timo Schoch

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