Lange hat Markus Söder gezögert, sich öffentlich zur Kanzlerkandidatur bereit zu erklären.
Dass er sich das Amt zutraut, war klar, allen "Mein-Platz-ist-in-Bayern"-Nebelkerzen zum Trotz. Aber Söder wollte von der Union gerufen werden. Der Ruf allerdings kam nicht. Stattdessen läuft die Zeit davon. Die SPD hat schon längst einen Kandidaten, die Grünen erledigen die K-Frage elegant und leise bis zur nächsten Woche. Und die Union? Die steht vor der für sie völlig ungewohnten Situation, zwei Kandidaten zu haben, die sich beide für kanzlerfähig halten - nachdem es 15 Jahre lang immer nur eine Kandidatin gab.
Nun sind Kampfkandidaturen in einer Demokratie kein Unfall, sondern ein Grundpfeiler des Systems. Aber diese Entscheidung muss organisiert werden, mit einem Wahlparteitag, einer Mitgliederbefragung, im Notfall auch im kleinsten Kreis wie beim berühmten "Wolfratshauser Frühstück" 2002, als CSU-Mann Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur übernahm. All das hat die Union aber versäumt. Nun rückt der Wahltermin immer näher, die Partei wird zunehmend ungeduldig - und die Kontrahenten Armin Laschet und Markus Söder stehen wie Boxer im Ring, bereit den jeweils anderen in aller Freundschaft aus dem Weg zu räumen.
In dieser Situation mit der Kanzlerkandidatenkür Aufbruchstimmung zu verbreiten, wird schwierig sein. Dabei bräuchte die Union genau das dringend: Das Umfragehoch der Krisenbewältigungs-Partei ist längst Geschichte, mit den Grünen hat die Union einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Und damit noch nicht genug: Die Schwesterparteien CDU und CSU werden sich nach dem Ende der Ära Merkel neu erfinden müssen. Ob nun Söder oder Laschet - jeder Unionskanzlerkandidat wird einen schweren Weg vor sich haben. Umso mehr müssen die beiden darauf achten, bei ihrem Zweikampf so wenig zusätzlichen Flurschaden wie möglich anzurichten.
Johannes Greiner
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