Neuburg
Die Zeit fordert den Christen heraus

CSU-Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl hält eine Fastenpredigt in der Hofkirche

17.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:11 Uhr

Der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl war Fastenprediger in der Hofkirche; er brachte dabei Aufnahmekriterien für Flüchtlinge ins Gespräch. - Foto: Heumann

Neuburg (SZ) Wie christlich kann Politik sein? Zu dieser Frage war am Sonntag ein ungewöhnlicher Prediger in der Neuburger Hofkirche zu Gast: CSU-Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl sprach vor den Gläubigen.

Den Auftakt der an den kommenden Sonntagen folgenden Reihe an Fastenpredigten mit interessanten Referenten machte jetzt der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl. Seine Botschaft: Zumal in Zeiten, wo oftmals schwere Entscheidungen, etwa auch über militärische Einsätze zu treffen sind, könne für einen Politiker die Bibellektüre zu einer wertvollen und wichtigen Hilfe werden.

Als Steilvorlage in Tagen "neuer Herausforderungen, in denen auch Christen hin- und hergerissen sind", gab Stadtpfarrer Herbert Kohler die Schilderung eines Weltengerichts im Matthäus-Evangelium vor, mit dem berühmten Jesus-Satz: "Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Ausdrücklich formuliert der Evangelist auch den Umkehrschluss, was nicht getan wurde.

Gerade auf diesen Aspekt des Unterlassens als womöglich nicht mindere Tat hob Brandl in seiner vielbeachteten Predigt ab. So kollidiere das durchaus christliche Prinzip der Gewaltlosigkeit in der praktischen Politik rasch mit der Pflicht, Menschen zu helfen, sie gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln vor Gewalt und Unrecht zu schützen, wo sich der christsoziale Politiker durchaus im Einklang auch mit der Deutschen Bischofskonferenz weiß.

Auch dies zeige sich gerade heute, dass Religion nicht die Triebfeder für Politik werden dürfe. Sehr wohl aber könne der Christ aus seinem Glauben Leitlinien für seine Entscheidungen gewinnen. Mit seiner Antwort auf die Frage, "wer in unserem Leben der Geringste ist", trifft Brandl dann ins Zentrum der aktuellen Flüchtlingssituation. "Unseren Geringsten können wir nicht aussuchen. Er taucht plötzlich auf." Die Entscheidungen realer Politik müssten aber auch jene einbeziehen, "die ich nicht sehe, von denen ich aber weiß, dass es sie gibt." Für sichere Wege nach Europa bringt er deshalb durchaus Auswahlkriterien für die Flüchtlingsaufnahme ins Gespräch, "sonst überlassen wir die Auswahl womöglich dem Mittelmeer, zwischen denen, die es schaffen und die nicht".

Nachdrücklich fordert der CSU-Mann ein "Bekenntnis zu unseren Werten." Der Christ sei geradezu aufgefordert, diese Werte, wie sie in dem gewählten Evangeliumstext Ausdruck finden, anderen Menschen auch zu vermitteln. "Die Würde des Menschen über alles zu stellen", hieß es in den anschließenden Fürbitten.

Nachdenklich entließ Stadtpfarrer Kohler aus diesem besonderen Gottesdienst, wenn er ein "Mangel an Humanität, auch in der christlichen Politik" beklagt. "Handelt der Mensch wirklich frei" lautet die Fragestellung dann am kommenden Sonntag.

Verstärkt in jüngster Zeit werden die sogenannten Fastenpredigten zum interdisziplinären Dialog genutzt. Die Zeit zwischen Fasching und Ostern ist im christlichen Verständnis eine vierzigtägige Fastenzeit. Eine geistig mentale und vielleicht auch geistliche Auseinandersetzung oder, wie es der in Neuburg wirkende Jungpriester Shenoy Maniyachery so schön formulierte, "hinauszugehen aus unserer Komfortzone", wird dabei fast wichtiger in Zeiten, wo körperliches Fasten bei fast täglich neu alles Glück versprechenden Diäten zum Zeitgeistspaß geworden ist. Eine Besonderheit sind die Fastenpredigten bei den Katholiken auch deshalb, ist es sonst im Rahmen der Messe Laien nach wie vor nicht erlaubt zu predigen, innerhalb der Kirche ein seit Jahren heißt diskutiertes Thema.