Pfaffenhofen
Die unsichtbare Gefahr

Nitrat in Trinkwasser und Nahrung Pfaffenhofener Experten raten bei Säuglingen zu Vorsicht

05.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr |

Pfaffenhofen (PK) Lässt sich jegliche Gefahr durch Nitrat für Säuglinge ausschließen, wenn die Grenzwerte beim Trinkwasser eingehalten werden? Leider ist die Sache komplizierter, denn auch in der Nahrung steckt Nitrat. Experten raten Eltern deshalb zu Vorsicht bei der Zubereitung von Babynahrung.

Eigentlich wäre es so einfach. Laut einer Empfehlung des Umweltbundesamtes 2004 ist Trinkwasser "gesundheitlich unbedenklich", wenn es nicht mehr als 50 Milligramm pro Liter Nitrat erhält. Bei höheren Werten seien schwere Verläufe der gefährlichen Nitratvergiftung - auch als Blausucht bekannt - in den vergangenen 40 Jahren "fast nur in Verbindung mit Magen-Darm-Infektionen" beobachtet worden. In diesem Fall könne nämlich die Nitrat/Nitritproduktion im Körper stark erhöht sein.

Grund zur Besorgnis gibt es im Landkreis Pfaffenhofen wirklich nicht, sagt der Pfaffenhofener Kinderarzt Stephan Arenz (kleines Foto links). Er hat in seiner Praxis noch nie eine Nitratvergiftung bei Säuglingen festgestellt und auch die aktuell dokumentierten Fälle in medizinischen Artikeln kämen alle aus Ländern wie Indien oder China, wo die Wasserqualität bekanntlich deutlich schlechter ist als in der Bundesrepublik. Allerdings sagt Arenz auch: "Es könnte natürlich eine Dunkelziffer geben. Eigentlich denkt man bei blauen Lippen erst einmal nicht sofort an eine Nitratvergiftung."

Die gefährliche Nitratvergiftung - auch Blausucht genannt - kann entstehen, wenn Nitrat im Körper zu Nitrit umgewandelt wird. Dann kann es dazu kommen, dass der rote Blutfarbstoff - das Hämoglobin - oxidiert. Hier reagieren Säuglinge besonders empfindlich. Wenn das passiert, steht das Hämoglobin zur Sauerstoffbindung nicht mehr zur Verfügung. Es kommt zur Atemnot und im schlimmsten Fall stirbt der Säugling.

Umso wichtiger ist es, dass Grenzwerte eingehalten werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung veröffentlichte im Jahr 2003 eine etwas andere Stellungnahme als das Umweltbundesamt. Insgesamt dürfe ein Säugling nicht mehr als 3,7 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen. Bei der Donald-Studie kam es aber zu einem überraschenden Ergebnis: Wenn die Nahrung mit Wasser zubereitet wurde, die die geltende Höchstmenge an Nitrat, also 50 Milligramm pro Liter, voll ausschöpft, dann war die akzeptierte Aufnahmemenge in einem Fall um rund ein Viertel überschritten - der Median lag bei Säuglingen im Alter von drei bis sechs Monaten bei 5,4 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem Nitratgehalt des Wassers von bis zu 10 Milligramm pro Liter lag die Nitrataufnahme der Säuglinge dagegen deutlich unter dem Grenzwert.

Jetzt könnte man natürlich einfach den Grenzwert beim Trinkwasser noch weiter heruntersetzen, um auf Nummer sicher zu gehen. Doch so leicht ist es nicht. Denn Nitrat, so Arenz, kommt vor allem in Nahrungsmitteln wie Spinat vor. Dort reichern sich die Stoffe aus dem Grundwasser an. Besonders betroffen sind zum Beispiel rote Beete, Radieschen, Rucola, Spinat und Mangold, sagt Ernährungsberaterin Heike Fuß aus Altkaslehen (rechtes Bild). Auch der Gang zum Biobauern hilft nicht unbedingt - zumindest, was den Nitratgehalt angeht. "Pflanzen brauchen den Stickstoff", sagt die Expertin. Und den müsse eben auch der Biobauer zuführen, wenn er gleichwohl nicht so viel düngen dürfe wie konventionelle Bauern.

Zudem ist der Nitratgehalt auch davon abhängig, wann geerntet wird: denn unter der Einwirkung des Sonnenlichts werde Nitrat abgebaut. Wenn der Bauer also im Sommer erst am Nachmittag ernte, sei das Gemüse deutlich nitratärmer.

Wer bei Säuglingen auf Nummer sicher gehen wolle, dem rät sie, im ersten halben Jahr zu stillen. Was aber nicht bedeute, dass auf Gemüse verzichtet werden solle: "Ganz im Gegenteil. Wichtig ist eine möglichst bunte, abwechslungsreiche Ernährung." Und da könne natürlich auch dem Nachwuchs ein Mahl aus Gemüse zubereitet werden. Sie rät zu Bioprodukten und saisonaler Ernährung, weil bei diesen Produkten potenziell weniger schädliche Stoffe enthalten seien. "Man kann ja auf dem Marktstand auch nachfragen, wie der einzelne Bauer düngt", sagt Fuß. Zu denselben Grundsätzen rät sie bei der Ernährung auch stillenden Müttern.

Allerdings gibt es beim Nitrat noch ein anderes Problem, das auch Erwachsene betrifft: Wenn es zu Nitrit umgewandelt wurde, können daraus wiederum Nitrosamine gebildet werden. "Diese haben sich in Tierversuchen als krebserregend erwiesen", so Arenz. Er gibt seinen Patienten deshalb einen Tipp: "Je weniger Nitrat, desto besser". Wer Risiken ausschließen wolle, könne abgepacktes Trinkwasser für die Zubereitung von Säuglingsnahrung kaufen. Das Gesundheitsamt Pfaffenhofen weist zudem darauf hin, dass es auch spezielles Wasser mit dem Vermerk "geeignet zur Säuglingsernährung" zu kaufen gibt.

Das Trinkwasser zu meiden, das empfiehlt Kinderarzt Arenz trotzdem niemanden. "Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es hier eigentlich keine Probleme gibt", sagt er.

Das bestätigt auch das Gesundheitsamt: "Die Trinkwasserverordnung mit ihren Grenzwerten ist so konzipiert, dass das Trinkwasser von allen Nutzern unbedenklich verwendet werden kann", heißt es. Die 55 Brunnen im Landkreis nutzten ausschließlich Grundwasser und seien gegenüber äußeren Einflüssen relativ gut geschützt.

Einige Regeln seien dennoch zu beachten, sagt Kinderarzt Arenz: "Grundsätzlich sollte das Leitungswasser ein paar Momente laufen gelassen werden, damit es mikrobiologisch einwandfrei ist." Denn bei abgestandenem Wasser ist das nicht mehr garantiert. Wer zudem in einem alten Haus wohne, sollte vielleicht über eine Untersuchung des Trinkwassers nachdenken - denn je älter die Leitungen, desto wahrscheinlicher, dass Stoffe ins Wasser gelangen, die schädlich sein können.

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