Neuburg
Die unbekannte Seite Kurt Weills

Das Julia-Hülsmann-Quartett mit Theo Bleckmann im Neuburger "Birdland"-Jazzclub

29.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Neue musikalische Perspektiven: Theo Bleckmann und Julia Hülsmann in Neuburg - Foto: Löser

Neuburg (DK) „Mack The Knife“ und der „Alabama Song” gehören zum festen Repertoire eines Konzerts, in denen die Kompositionen Kurt Weills aufgeführt werden. Das gilt auch für diesen überaus interessanten Abend mit dem Julia-Hülsmann-Quartett im Neuburger „Birdland“. Hülsmann, die ihre Band vom Flügel aus leitet, begnügt sich freilich nicht damit, sondern hat zudem Outtakes im Programm, Stücke also, die zwar für ein Bühnenwerk vorgesehen waren, aber dann aus welchen Gründen auch immer keine Verwendung fanden.

Jedoch gerade sie, die die weitgehend unbekannte Seite des Kurt Weill repräsentieren, werden zu den Gewinnern eines von der ersten bis zur letzten Note spannenden Konzerts, bei dem in erster Linie der Song, das Chanson, die Ballade im Mittelpunkt stehen und nicht die improvisatorischen Leistungen der einzelnen Ensemblemitglieder. Die Stücke des Programms „A Clear Midnight – Kurt Weill And America“, zu dem auch Vertonungen von Texten Walt Whitmans und Langston Hughes gehören, leben vom Gesamtsound der Combo. Marc Muellbauer am Kontrabass, Heinrich Köbberling am Schlagzeug und Tom Arthurs an der Trompete geben ihn vor, Julia Hülsmann bemalt ihn mit den Farben der Poesie, Theo Bleckmann freilich macht ihn einzigartig.

Er ist einer der ganz großen Jazzsänger der jüngeren Generation, seine phänomenale Stimme dient nicht nur dazu, Texte zu vermitteln und Geschichten zu erzählen, nein, er benutzt sie auch, um Klangbilder zu entwerfen und Sounds zu kreieren. Scheinbar völlig mühelos meistert er jede Hürde in den beileibe nicht einfach strukturierten und arrangierten Kompositionen, immer wieder wird seine Stimme zum Instrument. Sollte je ein Preis für absolute Intonationssicherheit ausgelobt werden, wäre Bleckmann vermutlich der erste Anwärter.

Äußerst geschickt bewegen er und in seinem Gefolge Hülsmann und die Band sich in der Grauzone zwischen Jazz, elektronischer Musik – den Voice-Sampler setzt er immer wieder ein – und Performance. Und wer bedenkt, dass Bleckmann auf die Zusammenarbeit mit Laurie Anderson, John Zorn und Philip Glass zurückblicken kann, den kann es eigentlich auch nicht verwundern, dass manche Weill-Komposition in der Version dieses Quintetts durchaus verwegen klingt, mitunter auch die Grenzen des Jazz ignoriert und bisweilen deutlich neben der Spur läuft. Genau darin jedoch liegt wiederum der Reiz.

Wie sagt Julia Hülsmann sinngemäß, als die Band gerade eben den „Alabama Song“ beendet hat? „Nachspielen ist uns zu wenig. Wir wollen Ihnen neue Perspektiven anbieten.“ Und genau das tut das Ensemble an diesem Abend, wofür sich das Publikum mit lang anhaltendem Beifall bedankt.