München
Die Präsidentin mauert

Landtag kommt trotz neuer Regeln nicht zur Ruhe: Viele Abgeordnete sollen Schlupfloch genutzt haben

16.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:08 Uhr

München (DK) Die Verwandtenaffäre geht weiter. Mit dem neuen Abgeordnetengesetz wollte der Landtag gestern endlich reinen Tisch machen. Doch jetzt könnten neue Details mehrere Abgeordnete belasten. Und Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) mauert.

Kurz bevor die Debatte über das neue Abgeordnetengesetz beginnt, rauscht die Landtagspräsidentin an den wartenden Journalisten vorbei. Sie müsse jetzt die Sitzung leiten, könne keine Auskunft geben, sagt Stamm. Die Fragen bleiben unbeantwortet.

Es sollte ein Tag der Aufarbeitung werden. Eine Art Schlussstrich unter die sogenannte Verwandtenaffäre. Mit einem weitgehenden Verbot für Abgeordnete, Verwandte auf Staatskosten zu beschäftigen, wollte der Landtag reinen Tisch machen. Zudem sollen Verträge mit Mitarbeitern künftig nicht mehr von den Abgeordneten selbst, sondern vom Landtag verwaltet werden. Das Gesetz verabschiedeten die Abgeordneten dann auch. Aber die Affäre bekommt ein weiteres Kapitel. Es gibt neue Details.

Im Jahr 2000 hatte der Landtag den Abgeordneten schon verboten, nächste Verwandte und Ehefrauen anzustellen. Allerdings beschloss das Parlament eine Übergangsregelung für bestehende Verträge. Die durften unbefristet weitergeführt werden. Nun besteht der Verdacht, dass mehrere Abgeordnete solche Verträge noch abschlossen haben, kurz bevor das Gesetz in Kraft trat. Wie die „Abendzeitung“ berichtet, hatten im November 1999 hatten nur 45 Abgeordnete ihre Ehefrauen beschäftigt. Inzwischen ist bekannt, dass insgesamt 79 Abgeordnete die Altfallregelung in Anspruch nahmen. Hatten da etwa 34 Politiker noch schnell einen Vertrag abgeschlossen, weil sie wussten, dass es bald verboten sein würde? Und wenn ja, wer waren diese Abgeordneten?

Derzeit sitzen noch 17 betroffene Abgeordnete im Parlament. Vom CSU-Abgeordneten Georg Winter ist bekannt, dass er noch im Jahr 2000 seine 13 und 14 Jahre alten Söhne unter Vertrag genommen hatte. Er musste inzwischen als Chef des Haushaltsausschusses zurücktreten. Aber was ist mit den anderen? Die Landtagspräsidentin beantwortet nach der Debatte dann doch noch Fragen. Zur Sache sagt Stamm aber wenig. Das dürfe sie nicht, weil der Oberste Rechnungshof die Landtagsverwaltung seit Mittwoch in der Sache überprüft, sagt sie. Laut Rechnungshof ist es aber Sache der geprüften Behörde, zu was sie sich äußern möchte.

Es geht Stamm wohl vor allem darum, betroffene Abgeordnete zu schützen. Sie wirkt aufgewühlt. Sie bekomme Anrufe und Mails von den Ehefrauen der Parlamentarier, erzählt sie. Manche würden inzwischen auf der Straße geschnitten. Bevor sie weitere Details nenne, müsse mit den Betroffenen „intensiv“ sprechen. Der Verdacht bleibt bestehen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) äußert Verständnis. „Ich halte es für plausibel, dass der Rechnungshof zuerst prüft“, sagt er.

Dass an diesem Tag mit dem Gesetz reiner Tisch gemacht werden sollte, gerät fast in den Hintergrund. Am Ende wird es von allen Fraktionen angenommen. Bis zum Vormittag hatte es danach noch nicht ausgesehen. Den Freien Wählern (FW) ging es zu weit, dass mit Cousinen und Vettern auch der vierte Verwandtschaftsgrad ausgeschlossen sein soll. Mittags steht dann eine Gruppe FW-Abgeordneter vor dem Plenarsaal. Informelle Fraktionssitzung. Fraktionschef Hubert Aiwanger gestikuliert. Allgemeines Nicken. Die Fraktion will nun doch zustimmen. Man will nicht als letzte Bastion der Vetternwirtschaft dastehen.

Entsprechend geordnet verläuft die Debatte. Auch wenn die Opposition die CSU noch einmal heftig attackiert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher nimmt sich noch einmal Kultusminister Ludwig Spaenle vor. Der hatte zwar dafür, dass er seine Frau beschäftigt hatte, Geld zurück in die Staatskasse gezahlt. Aber nicht genug, meint Rinderspacher. Die Affäre sei mit dem neuen Gesetz nicht beendet, hat der SPD-Fraktionschef schon am Morgen gesagt. Damit dürfte er recht haben.

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