Ingolstadt
Die Maske des Pestdoktors: Fakt oder Fiktion?

Die Echtheit des Objekts im Medizinhistorischen Museum ist zweifelhaft - Morgen Vortrag über den Schwarzen Tod in Manching

11.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:24 Uhr
Ob authentisch oder nicht: Die Schnabelmaske des Pestdoktors, die aus der Zeit um 1700 stammen soll, ist eines der faszinierendsten Objekte im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt. Morgen um 18 Uhr beginnt ein Vortrag zur Geschichte der Pest im Kelten- und Römermuseum in Manching. −Foto: Medizinhistorisches Museum

Ingolstadt/Manching (DK) Der Schwarze Tod hat bis heute nichts von seiner Wirkung verloren - weder die Faszination, die er ausübt, noch die Gefahr, die von ihm ausgeht, wie der jüngste Ausbruch 2017 in Madagaskar zeigte.

Stefan Leenen, Museum für Archäologie/Westfälisches Landesmuseum in Herne, spricht morgen im Kelten- und Römermuseum Manching zum Thema "Die Pest - Geschichte und Archäologie einer Seuche". Die Dauerausstellung ist bis Vortragsbeginn um 18 Uhr geöffnet.

Leenens Vortrag beginnt in der Steinzeit und stellt den ersten gut überlieferten Ausbruch im 6. und 7. Jahrhundert vor sowie natürlich den berüchtigten "Schwarzen Tod", dem Mitte des 14. Jahrhunderts schätzungsweise ein Drittel der europäischen Bevölkerung zum Opfer fiel - wobei unter Fachleuten immer noch diskutiert wird, ob der Erreger tatsächlich das Pestbakterium war. Nahezu jede spätere Generation wurde von der Seuche ebenfalls heimgesucht, so beispielsweise auch Ingolstadt während des Dreißigjährigen Kriegs. Erst im 18. Jahrhundert verschwand die Pest weitgehend aus Europa.

Im Westfälischen Landesmuseum Herne wird noch bis Mai 2020 eine Sonderausstellung über diese Seuche gezeigt. Für den dazu erschienenen Katalog hat die Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt, Prof. Marion Ruisinger, einen Beitrag über eines der rätselhaftesten, aber auch beliebtesten Ingolstädter Museumsobjekte geliefert. Die Maske des "Schnabeldoktors" steht bei Laien und Fachleuten gleichsam "ikonisch" für die Pest, was sich seit einigen Jahren in der großen Nachfrage, aber auch in Form von ähnlich aussehenden Halloweenmasken, Computerspielen und Anderem zeigt - und für Ruisinger Anlass war, sich nochmals näher damit zu befassen.

Als die Medizin noch nicht so weit war wie heute, war die Vorstellung sehr verbreitet, dass die Pest durch eine verdorbene Luft ausgelöst werde, den "Pesthauch" oder das "Miasma", oder durch eine Art materialisiertes Krankheitsgift. Daher wurde den Ärzten empfohlen, lange und geschlossene, möglichst eng anliegende Kleidung aus glattem Stoff wie Leder oder gewachstem Stoff zu tragen, damit nichts hängen blieb. Gegen den Pesthauch sollten Feuer und Rauch helfen, wobei man sich zusätzlich schützen konnte, indem man sich kleine Säckchen mit Kräutern oder Duftschwämme beim Atmen vor die Nase hielt. Außerdem gibt es Hinweise, so Ruisinger weiter, dass im 17. Jahrhundert sich Ärzte gelegentlich mit einer Kopfbedeckung zusätzlich zu schützen pflegten. Ab diesem Jahrhunderts sind auch erste Beschreibungen und Zeichnungen überliefert, wie Ärzte feste Halterungen für die Schwämme und Säckchen benutzten, um beide Hände frei zu haben: Das Bild des Schnabeldoktors entstand, der sich mit Hut, Brille, Handschuhen und eben dem langen Nasenfutteral gegen Übertragungen wappnen will. Die frühesten Befunde für diesen schnabelartigen Schutz datieren aus dem 17. Jahrhundert. "Sie beziehen sich allerdings nur auf Frankreich und Italien", so Ruisinger weiter: "Für den deutschsprachigen Raum gibt es keine entsprechenden Quellen. "

Was bedeutet dies nun für die Pestmaske im Deutschen Medizinhistorischen Museum, eines von weltweit nur drei bekannten Exemplaren? Dessen Spur lässt sich nur bis ins Jahr 2002 zurückverfolgen, als das gute Stück, das zwischenzeitlich schon einmal restauriert wurde, bei einem Kunsthändler in Stuttgart ersteigert worden ist.

Die Ganzkopfmaske besteht überwiegend aus imprägniertem Leinen, Schnabel und Augenfassungen sind aus Leder gefertigt, kleine runde Augengläser gaben dem Träger einen gewissen Durchblick. Die Schnabelspitze ist allerdings zugenäht. Das Material entspreche den zeitgenössischen Empfehlungen, so Ruisinger. "Auch die Machart erlaubt eine Datierung auf das 17. oder 18. Jahrhundert", stellt sie weiter fest. Doch dem würde in der Praxis entgegenstehen, dass die Augengläser ziemlich weit auseinander stehen, so dass man nur eingeschränkt sehen könnte, und der Schnabel keine Löcher hat, was das Atmen ziemlich erschwert. Und weil die Haube innen keinerlei Gebrauchsspuren aufweist, "darf also mit gutem Grund an ihrer Authentizität gezweifelt werden".

Auch für die zweite Haube in Deutschland, die im Deutschen Historischen Museum in Berlin verwahrt wird, erscheine es "mehr als unwahrscheinlich", dass sie wirklich zu Pestzeiten getragen wurde. "Der Schnabeldoktor war bestenfalls eine Randerscheinung der Pest", lautet daher ein Fazit Ruisingers. Bekannt wurde er vor allem durch viele Drucke, die um das Jahr 1700 Verbreitung fanden. Historisch belegt ist der Pestarzt mit der schnabelförmigen Maske nur für Italien und Frankreich, und da auch erst nach 1600. Präsentationen in einem anderen zeitlichen oder regionalen Zusammenhang sind laut Ruisinger "als historisch nicht belegbar abzulehnen".

Bernhard Pehl