Kelheim
Die letzten wahren Könige

Inspiriert von Bayerns Kunstmäzenen: Ludwig Angerer der Ältere zeigt seine Werke in Kelheim

14.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

"Phantastik der Freiheit" nennt Ludwig Angerer der Ältere dieses Opus, in dem er das Versöhnliche zwischen den europäischen Nationen in den Blick nimmt. ‹ŒGemälde: Ludwig Angerer der Ältere

Kelheim (DK) Von der großen weiten Welt in die Heimat: Ludwig Angerer der Ältere zeigt seine Werke nun im Rahmen einer Ausstellung in Kelheim. Die Vernissage findet am Freitag, 23. März, statt.

Ludwig I. (1786 bis 1868) und sein Enkel Ludwig II. (1845 bis 1886) gehören zu den großen Kunstmäzenen ihrer Zeit. Während der eine seine Residenzstadt München zu der machte, wie sie sich heute noch in ihrem inneren Kern präsentiert, schuf sich der andere mit seinen Schlössern eine wunderbare Märchenwelt, in die er immer wieder abtauchte. Beides fasziniert die Zeitgenossen bis heute und zieht nach wie vor Millionen von Touristen aus der ganzen Welt nach Bayern.

Der Architekt, Maler, Bildhauer und Autor Ludwig Angerer der Ältere ist ein großer Bewunderer dieser beiden Monarchen. Ihn beeindrucken das Kunstverständnis der beiden Wittelsbacher und die Bauwerke, die sie der Nachwelt hinterlassen haben. Aus dieser Bewunderung für die "Förderer des Zaubers der Fantasie", wie er sie nennt, entstanden diverse Werke des in Biburg lebenden und arbeitenden Künstlers, die nun in einer Ausstellung der Kelheimer Kreissparkasse präsentiert werden. "Begeben Sie sich auf eine Zeitreise quer durch das gesamte künstlerische Schaffenswerk von Angerer dem Älteren", heißt es dazu in der Einladung zur Vernissage am Freitag, 23. März, um 19 Uhr in der Filiale der Kreissparkasse am Ludwigsplatz 1 in Kelheim. Dort ist die Ausstellung dann ab Montag, 26. März, zu den Schalteröffnungszeiten zu sehen.

"Phantastik der Freiheit", "Agnes mit dem Zauberband", "Befreiungs-Ufo", "Schöne blaue Donau", "Kelheimer Weltraumbasis", "Walhalla ideal" - so lauten die Titel der Bilder von Angerer (Jahrgang 1938), die er als eine Art Hommage an die beiden bedeutenden bayerischen Könige versteht. Sie sind Teil der jetzt anlaufenden Ausstellung mit Bildern und Skulpturen des Künstlers.

"Was wäre Bayern ohne seine Könige", fragt Ludwig Angerer der Ältere zum 150. Todestag von Ludwig I., der am 29. Februar 1868 in Nizza 81-jährig verstarb. Dieser bayerische König ließ seine Residenzstadt durch seinen Hofarchitekten Leo von Klenze (1784 bis 1864) in der damals angesagten Architektur des Klassizismus zu einem "Isar-Athen" umgestalten. Die verwinkelten, mittelalterlichen Straßen und Gassen verschwanden und machten einem klar gegliederten Stadtbild mit einer mächtigen Nord-Süd-Magistrale Platz. Die Leopold- und in ihrer Fortsetzung die Ludwigstraße bis hin zur Feldherrnhalle am Odeonsplatz beherrschen den Münchner Norden bis auf den heutigen Tag.

Der Herrscher selbst, Zeit seines Lebens allem Weiblichen zugetan und Ideengeber der Schönheitengalerie mit 38 Porträts fescher Münchnerinnen, stolperte über eine amouröse Affäre mit der Hochstaplerin Lola Montez, die ihm sein Volk einfach nicht verzeihen wollte. Die Revolutionswirren des Jahres 1848 taten ein Übriges. Der Monarch dankte zugunsten seines weit weniger kunstsinnigen Sohnes Maximilian II. (1811 bis 1864) ab. Aber dann folgte der Enkel.

Anders als der Großvater, hasste Ludwig II. seine Residenzstadt. Der zunehmend exaltierte König blieb dem lauten Treiben der Metropole im Laufe der Zeit oft wochen- und monatelang fern. Viel lieber zog er sich irrlichternd zurück an einsame, mythisch überladene Orte, wo er zu seinem Wohlbehagen Schlösser wie Herrenchiemsee, Linderhof oder Neuschwanstein errichten ließ. Abgeschottet von der Welt, umgeben nur von seiner engsten Entourage lebte der schrullige "Kini", vom Volk geliebt und gleichzeitig ein wenig gefürchtet, ein Leben in seiner eigenen Märchenwelt. Seine Unsummen verschlingende Bauwut und damit der drohende Staatsbankrott kosteten ihn schlussendlich den Thron. Das Ende ist bekannt. Gemeinsam mit seinem Arzt Bernhard von Gudden kam Ludwig II., 40 Jahre alt, am Abend des Pfingstsonntags, 13. Juni 1886, unter mysteriösen Umständen ums Leben. Beide ertranken im Würmsee, dem heutigen Starnberger See. Damit war ein Mythos geboren.

In den Augen von Ludwig Angerer sind diese beiden bayerischen Herrscher das Sinnbild der Förderer der Schönen Künste, die letztlich beide irgendwie an kleinkarierten Krämerseelen gescheitert sind: "Im Überfluss eines vermeintlichen ,Mäzenas €˜ scheiterte jedoch die Schönheitssuche unserer bayerischen Könige an kleinen Buchhaltern, die es aber dennoch für richtig hielten, den Märchenkönig in den ungewollten opferreichen und teuren Krieg gegen Preußen zu treiben. Sie, unsere bayerischen Monarchen, waren die letzten wahren Könige, die von diesem märchenhaften Zauber, den das einfache Volk liebt, umgeben waren. Nur hoch oben über den Wolken, unberührt vom trivialen Zeitgeist, der unter ihnen in trüben Strudeln dahinwallt und alle Städte und Dörfer ihres Landes in Hässlichkeit stürzt, finden sie in der phantastischen Kunst ihre Huldigung."

"Sicher, die Welt der Monarchie war ungerecht im Sinne des heutigen Gleichheitsanspruchs", konstatiert Angerer in seinem Kunstband "Die Rückkehr des Menschen in die Kunst", den er bei der Vernissage auch signiert. "Aber eigenartigerweise war alles, was in dieser vom Volke abgewandten, elitären Welt künstlerisch entstand, ästhetisch und anziehend, sogar so anziehend, dass der sich nach Schönheit sehnende Mensch von heute begeistert diese Stätten monarchischer Pracht aufsucht." Dem steht heute eine Art von Beliebigkeit gegenüber, die Angerer beklagt: "Dieser Umstand sollte uns zu denken geben, insbesondere hinsichtlich der monotonen Gestaltungslosigkeit unserer Demokratie mit Mehrheitsentscheidungen."

Begleiten wir den bald 80-jährigen Künstler auf seinem Weg durch jede beliebige Metropole der Vergangenheit: "Gehen wir durch Straßen, Gassen oder Gärten monarchischer Ordnung, und seien sie noch so verschlungen, geraten wir zwingend immer wieder an Punkte, von denen wir das Zentrum - mag es eine Kirche, ein Obelisk oder sonst ein bedeutendes städtebauliches Signum sein - erblicken können. Dies ist der Mittelpunkt eines Systems, zu dem immer wieder aufs Neue hingeschaut werden kann, damit die Orientierung nicht verloren geht."

Und heute? "Elemente dieser sinnlichen Wahrnehmung fehlen aufgrund der mangelnden geistigen Ordnung im heutigen Städtebau- und Verkehrsgewirr. Unansehnliche Verkehrs- und Hinweisschilder und Verbote ersetzen Metaphorik, und so gerät alles Menschliche aus den Fugen. Rein techno- und bürokratische Richtlinien zerstören den natürlichen Lebensfluss; die Fähigkeit zur Intuition, dazu, die Dinge nach ihrer sinnlich logischen Folgerichtigkeit zu ordnen, schwindet. Alles bleibt in einer linearen Oberflächlichkeit, anstatt die raumgreifenden Phänomene des Lebens in ihrer Tiefe aufzuspüren."

Der Ästhet Ludwig Angerer der Ältere verzweifelt schier an so viel banaler Mittelmäßigkeit zweckoptimierter Architektur und geistig-kahlem Städtebau: "So ist der anspruchsvolle Neubau eines Gebäudes vom Typus der Befreiungshalle in heutiger Zeit undenkbar, da ihm keine nützliche Verwendung zugewiesen werden könnte. Jede etwas höher angesiedelte Idee scheitert heute an vermeintlichen Sach- und Finanzzwängen - das Platte, Ordinäre ist zeitgemäß und unüberwindbar. Das Ende der abendländischen Kultur scheint besiegelt."