Die Klarheit des Klangs

29.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:51 Uhr

Der Schwerpunkt liegt beim Amadeus-Chor auf geistlicher Literatur der Romantik sowie auf zeitgenössischer Chormusik. - Foto: Schneider

Eichstätt (DK) Neuendettelsau ist ein beschauliches Örtchen zwischen Ansbach und Nürnberg, eine sogenannte Wohngemeinde mit weniger als 8000 Einwohnern, und der größte Arbeitgeber am Ort ist die Kirche. Dass nun ein Chor aus dieser Ortschaft seinen interpretatorischen Schwerpunkt auf geistliche Musik gelegt hat, überrascht deshalb nicht.

Was aber die Qualität des aus jenem Örtchen stammenden Amadeus-Chors unter der Leitung von Nicol Matt angeht, so fragt man sich nach dem Konzert fassungslos: Wie machst du das nur, Neuendettelsau?

Ausgezeichnet ist die Ausgewogenheit der Stimmgruppen, die perfekte Intonation, die klare Artikulation und die brillante technische Ausführung in jeder Hinsicht. Und hervorragend zusammengestellt ist das Programm voller abwechslungs- und facettenreicher Chormusik. "Kontraste und Entwicklungslinien" – so könnte das Motto formuliert werden, das Chorleiter Nicol Matt bei der Zusammenstellung der Stücke geleitet haben mag.

Mit dem "Ave Maria" von Jaakko Mäntyjärvi (geb. 1963) beginnt das Konzert, wo die Musik selbst geboren wird: Zu tiefen Vokalisen der Männerstimmen sprechen die links und rechts neben den Bänken flankierend positionierten Frauen halb flüsternd, halb zischend in einem lebendigen "Chaos" den Text. So kommt aus der Vermischung von halb noch gesprochenem Text und zunächst bloß gesummter Melodie die Verbindung zum Chorstück nachgerade urwüchsig zu Stande und dabei als musikalisches Moment der Raum selbst zur Geltung.

Während sich in dieser Ent-ortung des Wortes und der Streuung des Klangs bei klarer räumlicher Gliederung die Musik erhebt, stellt sich die zweite Nummer, ein in vollen Jazz-Harmonien tönendes "Ave Maria" von Javier Busto (geb. 1949) im Kontrast ganz traditionell ein in unverstellter Klarheit des Klangs. Noch einmal greift das dritte Stück, "Ave Maris Stella" von Trond Kverno (1945–2007) klangliche Möglichkeiten auf, die sich im Wechselspiel zwischen Männer- und Frauenstimmen ergeben. War das erste Stück noch als Selbstkonstruktion der Musik im Raum zu verstehen, so arbeitet sich hier der Chor in einer zunehmend romantisch volltönenden Harmonik in eine musikalische Analyse des Textes, die aus dem Klang der Wortsilben Motive für die Deklamation und dann für die Dekonstruktion des tönenden Geschehens gewinnt. Und dann: Sergej Rachmaninow, "Bogoroditse Devo"; und so erschließt sich der erste Programmabschnitt als eine Reise – zunehmend harmonisch weicher, gefälliger – zurück in die Romantik. Vielleicht unüblich in Kirchenkonzerten, ganz besonders in Eichstätt, aber absolut verdient: spontaner Applaus schon jetzt! Domkapellmeister Christian Heiß spielt zwischen den Chorparts ein Stück des barocken Nicolaus Bruhn und ein Andantino von César Franck.

Auch der zweite Chorteil ist in ähnlicher Weise wohldurchdacht, hier zeigen sich ausgehend von Henry Purcells strömendem Klang Kontraste in der Behandlung der Harmonie bei Schanderl, Rutter und Men- delssohn-Bartholdy. Der letzte Chorteil bringt relativ leichte, sehr amerikanische Musik, nur das letzte Stück stellt noch einmal einen Kontrast zu allem zuvor Erklungenen dar: Das "Benedictio" von Urmas Sisask (geb. 1960), das stark von der Minimal Music" beeinflusst ist und Melodie und Harmonie zugunsten einer lebendigen Rhythmik in den Hintergrund treten lässt. Das Publikum über- klatscht einfach das im Anschluss an die Eichstätter Dom-konzerte übliche Glockengeläut. Ohne Zugabe darf der Amadeus-Chor nämlich nicht zurück nach Neuendettelsau.