Rettenbach
Die Biene hat es immer schwerer

SZ TRIFFT Michael Tyroller, für den die Imkerei eine Herzenssache ist

25.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:11 Uhr

Hobbyimker Michael Tyroller macht sich Sorgen um die Bienen. „Die Natur hat sich brutalst verändert“, sagte er - Foto: Staimer

Rettenbach (SZ) Michael Tyroller ist Hobbyimker und Vorsitzender des Schrobenhausener Imkervereins. Mit seinen 37 Jahren zählt er zu den Jungen unter den Imkern. Seine Erfahrungen über Zucht und Pflege der Imme lassen bei dem Rettenbacher, der die Imkerei vor 21 Jahren für sich entdeckt hat, die Alarmglocken läuten.

„Die Natur hat sich brutalst verändert“, sagt Tyroller. Und zwar nicht zum Vorteil für die fleißigen Nektarsammlerinnen. Abzulesen sei das unter anderem am Honigertrag. Seit 15 Jahren dokumentiert Tyroller, wie viel Honig seine Völker produzieren. Das Jahr 2014 sei mit Abstand das schlechteste, sagt er. Mit 20 Kilogramm pro Volk werde heuer nicht einmal die Hälfte des Durchschnitts der Vorjahre erreicht.

Zu früh und zu kurz: So lässt sich die Blütezeit in diesem Jahr in eine Formel fassen. Hatten die Imker zu Anfang noch mit einem Rekordjahr gerechnet, wurden sie schnell eines Besseren belehrt. „Alles hat auf einmal geblüht. Die Raps- und Obstbaumblüte fand quasi gleichzeitig statt. Dann war alles schlagartig vorbei“, berichtet der Land- und Baumaschinenmechanikermeister. Die Bienen hätten sich ausgehungert auf Blüten, die sie sonst verschmähen, gestürzt. Bei ihrer Futtersuche seien sie auch auf Komposthaufen gesichtet worden. Abhilfe könnten Heimgärtner durch die Pflanzung von Himbeer- und Brombeersträuchern schaffen oder in einer Ecke des Gartens eine Wildblumenwiese aussäen, erläutert Tyroller.

Mit dem Imkerjahr, das mit der Honigernte sonst Mitte August endet, war heuer schon in der zweiten Juliwoche Schluss – also über einen Monat früher. Seither ist der Imker auf die Winterfütterung, wie er sagt, übergegangen. Tyroller spricht von „Totalausfall“.

Die Bienen seien besonders gefährdet, weil sich die Landwirtschaft verändert. In der heute intensivierten Form würden die Wiesen weit vor der Blüte und mehrfach im Jahr gemäht. Damit falle eine wichtige Nahrungsquelle der Bienen schlicht weg.

Die Vielfalt der verschiedenen Nektararten trage zur Gesunderhaltung der Bienenvölker bei, sagt Tyroller. Maiswüsten, wie sie den Ackerbau heutzutage dominieren, seien da gänzlich kontraproduktiv. Wobei diese durchaus mit einem bienenförderlichen Blühstreifen am Ackerrain aufgewertet werden könnten – „einfach und auch ein ästhetischer Gewinn“, findet Tyroller. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist ihm ein Dorn im Auge. „Selbst bei als bienenfreundlich klassifizierten Pestiziden verenden binnen 48 Stunden noch 41 Prozent der Bienen bei direktem Kontakt“, zitiert Tyroller die Fachliteratur. Er sucht das Gespräch mit Landwirten und wirbt um Verständnis. Meist stoße er auf ein offenes Ohr, sagt er. Schließlich sei es ein Leichtes, die kleinen Bestäubungskünstler zu schützen, man müsse die Präparate nur in den Abendstunden ausbringen, wenn die Biene schon Feierabend gemacht hat.

Das gelte auch für den Einsatz der Mähfahrzeuge, die heute so effektiv und schnell arbeiteten, dass die Bienen zwar aufgeschreckt würden, aber sich nicht mehr schnell genug in Sicherheit bringen könnten. Eine große Zahl der Honiginsekten falle den landwirtschaftlichen Geräten zum Opfer.

Was den Bienenfachmann besonders ärgert, ist der „wildwütige Kahlschlag“, wie er sagt, den er heuer an den frühlingsblühenden Sträuchern entlang von Straßen und Lärmschutzwällen beobachten musste. Statt Hasel, Weide oder Schlehe mit Maß zurückzuschneiden, seien die Gehölze vielerorts bodenbündig abgemäht worden. „Bis diese Gewächse wieder zum Blühen kommen und der Biene Nektar und Pollen liefern, vergehen Jahre“, bedauert Tyroller.

Geringe Völkerverluste über die Wintermonate mit ihren milden Temperaturen freuten Tyroller und seine Imkerkollegen zunächst. Viele hatten aber in ihrem Bestand mit der Varroa-Milbe zu kämpfen. Der Bienenschädling, der in den Bienenstöcken lebe, vermehre sich in der Brut. Da die Brutsaison in diesem Jahr ungewohnt früh begann, konnte sich die Milbe über mehrere folgende Brutperioden vermehren. „Die Varroa ist ein großes Problem, das man als Imker ernst nehmen muss. Man kann es aber medikamentös in den Griff bekommen“, so Tyroller. „Ohne Imker können Bienen heutzutage nicht mehr überleben.“