Pfaffenhofen/Valjevo
Deutsch, russisch oder chinesisch?

Serbische Bürger können sich zwischen drei Vakzinen entscheiden - große Skepsis gegenüber Impfung

26.01.2021 | Stand 30.01.2021, 3:34 Uhr
Am 10. Januar haben in Valjevo die Impfungen mit dem Impfstoff des chinesischen Herstellers Sinofarm begonnen. −Foto: Ciric

Pfaffenhofen/Valjevo Die serbische Stadt Valjevo mit ihren rund 86000 Einwohnern gehörte zeitweise zu den Corona-Hotspots in Serbien und war stark von der Pandemie betroffen. Bis einschließlich 21. Januar sind 151 Bürger in Valjevo und seinen eingegliederten Dörfern mit oder infolge des Virus verstorben. Das teilt Bernd Duschner, Vorsitzender des Pfaffenhofener Vereins Freundschaft mit Valjevo mit. "Insgesamt gesehen liegen die Sterbefälle in Serbien mit knapp 3900 auf die Bevölkerung umgerechnet aber unter den Zahlen in Bayern", sagt Duschner. Er verfolge lokale Medien und tausche sich außerdem mit Ärzten und Bekannten in Valjevo aus, um über die Corona-Lage in deren Heimatstadt informiert zu sein.

Die Epidemie habe Serbien im Frühjahr 2020 genauso unvorbereitet getroffen wie Deutschland, schildert Duschner. Es fehlte sowohl an der erforderlichen Schutzausrüstung in den Krankenhäusern und Altenheimen sowie an Ärzten und Pflegepersonal. Dies liege hauptsächlich daran, dass Serbien nach der schweren Banken- und Wirtschaftskrise 2008/2009 seine Ausgaben für das Gesundheitswesen drastisch gekürzt und seine Privatisierung vorangetrieben habe, schildert der Vorsitzende.

Rade Panic, Anästhesist und Chef der "Gewerkschaft der Ärzte und Apotheker" beklagt die Folgen. Bereits jetzt fehlen in Serbien 300 bis 400 Ärzte und 7000 Krankenschwestern, so Panic laut Duschners Mitteilung. Außerdem verschlechtere sich die Situation weiter, da jedes Jahr bis zu 900 Ärzte das Land verließen. Häufig müssten Krankenpfleger zusätzlich zur eigenen Arbeit noch die Arbeit der Reinigungskräfte übernehmen, so dass die Zahl der Erkrankungen durch Krankenhausinfekte stark steige. Die derzeitige Belastung der vorhandenen Mitarbeiter infolge der Epidemie sei, so Mihailo Markovic, Chefarzt des Krankenhauses in Valjevo, unvergleichbar höher als in den vergangenen Jahren.

So kam es, laut Duschner, im vergangenen Frühjahr zu einem strikten Lockdown, um die Ausbreitung der Epidemie zu verhindern. Diese Ausgangsverbote wurden allerdings durch den Präsidenten, Aleksandar Vucic, vor den Parlamentswahlen im Juni gelockert. Die Folge: steigende Infektionszahlen. So habe - laut Duschners Recherchen - der Präsident allerdings nach den Wahlen am 21. Juni einen erneuten Lockdown ab Anfang Juli angekündigt. "Es folgten tagelang schwere Unruhen, so dass die Regierung die Pläne fallenließ und sie seitdem nicht mehr aufgegriffen hat", erklärt Duschner. Es gebe also keinen Lockdown, aber eine Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in geschlossenen Räumen. Ebenfalls müsse auf den Abstand geachtet werden. Des Weiteren dürfen sich nicht mehr als fünf Personen versammeln, so Duschner.

Corona: So steht es bei Freunden Der Pfaffenhofener Kurier hat sich in Partnerstädten von Kommunen aus dem Landkreis umgehört und nachgefragt, wie sich denn dort die Corona-Lage entwickelt hat. Auch in ausländischen Kommunen, mit denen zwar keine offizielle Partnerschaft besteht, aber zu denen es enge Verbindungen gibt, haben wir für unsere kleine Serie "Corona: So steht es bei Freunden" recherchiert. Teil vier der Artikelreihe schildert die Situation in der serbischen Stadt Valjevo, die 90 Kilometer südwestlich von Belgrad liegt. Seit mittlerweile 20 Jahren besteht eine enge Beziehung zwischen Pfaffenhofen und Valjevo. Im Juli 1999 wurde der Verein Freundschaft mit Valjevo gegründet. Vorsitzender ist der Pfaffenhofener Bernd Duschner, der mit lokalen Medien, Ärzten und Bekannten aus Valjevo im ständigen Kontakt ist und sich über die aktuelle Corona-Lage informiert hat. PK

In den Schulen wechsle sich Präsenz- und Distanzunterricht ab. Anders als in Deutschland seien auch die Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten, Dienstleister wie Friseurläden oder Fitnesscenter, Kinos, Theater und Museen wochentags bis 21 Uhr geöffnet, sagt der Pfaffenhofener. "Diese Regeln galten auch über die Weihnachtszeit als Zehntausende im Ausland lebende Serben zu ihren Verwandten nach Hause fuhren", erklärt Duschner. Aber die Befürchtungen, es werde nach den Feiertagen zu einem starken Anstieg der Corona-Erkrankungen führen, haben sich bis heute nicht bewahrheitet. Die Infektions- und Krankheitsfälle seien in den vergangenen Wochen, wie auch in Deutschland, rückläufig. Dies bestätige auch Chefarzt Markovic für das Krankenhaus in Valjevo.

Am 10. Januar haben im Hotel Grand im Stadtzentrum von Valjevo die Impfungen begonnen. Sie sei freiwillig und werde zunächst den besonders von Covid-19 gefährdeten Bürgern mit über 65 Jahren angeboten, erklärt Duschner. Für den serbischen Virologen Milanko Sekler sei die Impfung zwar kein Zauberstab, er sei jedoch optimistisch, dass im Zusammenwirken von Impfen, Präventivmaßnahmen und des hohen Anteils von Bürgern, die als Folge einer Erkrankung beziehungsweise asymptomatisch verlaufene Infektion bereits Immunität erworben haben, das Virus bald seine Bedeutung verlieren werde.

Aktuell könne sich der serbische Bürger zwischen drei Impfstoffe entscheiden: dem Impfstoff von Biontech-Pfizer, dem russischen Impfstoff Sputnik V und dem chinesischen Impfstoff von Sinofarm. Präsident Aleksandar Vucic ist laut serbischen Medien Mitte Januar persönlich zum Belgrader Flughafen Nikola Tesla gefahren, um die erste Lieferung von einer Million Impfdosen aus China in Empfang zu nehmen. Das Produkt von Sinofarm werde als erster Impstoff in Valjevo für die Impfung angeboten. Sollten Bürger allerdings einen anderen Impfstoff wollen, müssten sie ein paar Wochen warten, erklärt Duschner.

Weiter, so Duschner, sei die serbische Bevölkerung im Allgemeinen sehr kritisch gegenüber Aussagen und Maßnahmen ihrer Regierung. Laut einer Umfrage des Institutes Demostat vom September 2020 hatten sich nur 46 Prozent der Bevölkerung bereiterklärt, sich impfen zu lassen, schreibt Duschner. 31 Prozent erklärten, eine Impfung auf jeden Fall abzulehnen. Zu ihnen gehöre laut Medien auch der populäre Lungenfacharzt und Universitätsprofessor Bransilav Nestorovic, der die Bürger auffordere, in erster Linie ihr Immunsystem zu stärken.

Die Belgrader Regierung sei deshalb sehr bemüht, die Bürger von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen. Ministerpräsidentin Ana Barnabic ließ sich bereits öffentlichkeitswirksam mit dem Produkt von Biontech-Pfitzer impfen, Parlamentspräsident Ivica Dacic mit dem russischen Produkt. Präsident Vucic soll sich in Kürze mit dem Impfstoff von Sinofarm impfen lassen.

PK