Trendsport Hyrox
"Der Puls ist konstant über 170"

Das Duo Scherbel/von Stelzer gehört in der Fitnesssportart zu den Weltbesten - und kämpft um den WM-Titel

14.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:15 Uhr
Beim Hyrox müssen Clemens Scherbel (vorne) und Christopher von Stelzer unter anderem einen 125 Kilogramm schweren Schlitten schieben. −Foto: privat

Ingolstadt - Fitness-Workout als Wettkampf: Bei der Trendsportart Hyrox müssen die Athleten nacheinander an acht verschiedenen Stationen an ihre Grenzen gehen, dazwischen immer wieder einen Kilometer laufen. Eine echte Herausforderung, der sich der Theißinger Clemens Scherbel und der Ingolstädter Christopher von Stelzer mit Erfolg stellen. Als Duo gehören die beiden zu den weltbesten - und wollen im Mai 2022 in Las Vegas Weltmeister werden.

Erst seit 2017 gibt es Hyrox, einen Art Zirkeltraining für Fitness-Verrückte. Moritz Fürste, zweifacher Hockey-Olympiasieger, und der Hamburger Unternehmer Christian Toetzke (u. a. Cyclassics und Triathlon Hamburg) haben sich dieses Event ausgedacht, das inzwischen als Wettkampfserie in zahlreichen Großstädten in Nordamerika und Europa ausgetragen wird. In Deutschland gehören unter anderem Hamburg, Berlin, Leipzig und München zu den Veranstaltungsorten.

Dabei ist die Herausforderung immer die gleiche: In großen (Messe-)Hallen muss auf einem Rundkurs achtmal jeweils ein Kilometer gelaufen werden. Zwischen den Läufen gibt es acht genormte Fitness-Stationen (siehe Kasten), die es in sich haben. Eine Tortur im Kampf gegen die Uhr, die die Athleten an ihre Grenzen bringt.

"Viele Starter gehen es gerade bei ihren ersten Wettkämpfen viel zu schnell an und brechen hinten raus ein. Man lernt dann auf recht schmerzhafte Weise, dass es ganz wichtig ist, hier eine gute Balance zu finden und sich die Kraft gut einzuteilen", erklärt Scherbel, den aber gerade diese Herausforderung reizt.

Denn nur wenn Kraft und Ausdauer gut kombiniert werden, kann der Hyrox-Athlet erfolgreich sein. "Es reicht nicht, ein Top-Läufer zu sein, weil man dann bei den Workouts einbricht. Genauso bekommt der muskelbepackte Bodybuilder Probleme, wenn er nicht ordentlich laufen kann", beschreibt der 34-Jährige.

"Gute Beine" seien indes die Basis, wie der Audi-Ingenieur erklärt: "Christopher und ich kommen beide aus dem Läufer-Umfeld, haben zum Beispiel auch schon an Hindernis-Wettkämpfen teilgenommen. Das hilft uns sehr, denn die Anforderungen beim Hyrox sind insgesamt schon recht beinlastig." Neben einer guten Ausdauer braucht der Hyrox-Athlet aber vor allem auch einen ordentlichen Schuss Leidensfähigkeit. "Das Schlittenschieben und -ziehen sind für uns aufgrund unserer Statur die härteten Disziplinen", gibt Scherbel lächelnd zu. "Da schießt das Laktat ganz schön in die Oberschenkel". Auch wenn man sich beim Doppel-Wettbewerb an den Stationen abwechseln kann und somit kurze Regenerationspausen bekommt, bleibt die Anforderung während des fast einstündigen Wettkampfes dauerhaft hoch. "Der Puls ist konstant über 170", sagt Scherbel.

Wie gut der 34-Jährige und sein sieben Jahre jüngerer Teamkollege von Stelzer beim Hyrox unterwegs sind, haben sie Ende des vergangenen Jahres in Berlin eindrucksvoll gezeigt. Obwohl es nach einigen Einzelstarts ihr erster gemeinsamer Wettkampf war, kamen sie nach 53:02 Minuten auf Anhieb mit der viertschnellsten jemals erzielten Zeit ins Ziel. Der Lohn: Neben dem Sieg in Berlin sicherte sich das Duo damit auch gleich das Ticket für die Weltmeisterschaft 2022.

Gestärkt durch das gute Ergebnis von Berlin, wo Scherbel und von Stelzer lange Zeit sogar auf Weltrekord-Kurs lagen, wollen die beiden am 14. Mai in Las Vegas nun das ganz große Ziel angreifen: "Ganz klar, wir wollen dort Weltmeister werden", kündigt Scherbel selbstbewusst an.

Zuversichtlich stimmt die beiden, die für den rund 5000 Euro teuren Trip in die US-amerikanische Millionenmetropole derzeit auch auf Sponsorensuche sind, dass bei ihrer Double-Premiere in Berlin noch nicht alles optimal lief. "Beim Schlittenschieben und vor allem bei den Wall Balls haben unsere Wechsel nicht gut geklappt. Gerade bei der letzten Disziplin haben wir mindestens eine Minute auf die Besten verloren", ärgert sich Scherbel noch heute. Sie können sich also noch steigern. Die Weltbestzeit von 50:21 Minuten - und damit womöglich auch der WM-Titel - scheinen also durchaus in Reichweite.

Doch bis es so weit ist, heißt es vor allem: Training, Training, Training. Fünf Einheiten pro Woche gönnen sich Scherbel und von Stelzer, der bei einem Sportartikelhersteller in Herzogenaurach arbeitet. Mitunter muss die Laufeinheit schon morgens vor dem Dienstantritt absolviert werden, zwei- bis dreimal pro Woche geht es auf den selbst gebauten Geräteparcour. "Ein gutes Zeitmanagement ist wichtig", erklärt Scherbel. Bislang, so der zweifache Familienvater, läuft aber alles nach Plan.

Auf dem Weg nach Las Vegas wollen beide - wenn Corona es zulässt - dann noch einen Testwettkampf bestreiten, um die erzielte Zeit und die Form zu bestätigen: entweder bei der EM am 5. Februar in Maastricht (Niederlande) oder am 26. Februar in München. Im Anschluss will es das Duo dann in den USA krachen lassen, wie Scherbel bestätigt: "Ziel ist es, den Titel in die Schanz zu holen."

DK

HYROX: ACHT LÄUFE PLUS ACHT WORKOUT-STATIONEN

Hyrox-Wettkämpfe finden in der Regel in großen Messehallen statt. Dabei starten die Athleten auf einem Rundkurs mit einem ein Kilometer langen Lauf in den Wettbewerb, bevor sie zur ersten von insgesamt acht "Workout"-Stationen kommen. Haben sie diese Aufgabe absolviert, geht es wieder auf die Laufstrecke, ehe es zur nächsten Station geht. Nach acht Läufen und den daran anschließenden achten Station geht es direkt ins Ziel, wobei ausschließlich die Zeit über die Platzierung entscheidet. Beim Doppel-Wettbewerb (Double Men), in dem Clemens Scherbel aus Theißing und der Ingolstädter Christopher von Stelzer bei der WM am 14. Mai 2022 in Las Vegas an den Start gehen werden, können sich die beiden Athleten die Aufgaben an den einzelnen Stationen aufteilen. Hierzu gehören:

1-Ski-Ergometer: An Seilzügen wird im Grunde der Stockeinsatz beim Langlauf simuliert. "Man holt mit den Armen weit aus und setzt am besten den ganzen Körper ein", empfiehlt Scherbel. 1000 Meter müssen hier zurückgelegt werden.
2-Sled Push: Ein 125 Kilogramm schwerer Schlitten muss über eine Strecke von 50 Metern (4x12,5 Meter oder 2x25 Meter) geschoben werden.
3-Sled Pull: Hier wiegt der Schlitten 75 kg und muss aus dem Stand an einem Seil ebenfalls über eine 50-Meter-Distanz (4x12,5 m) zu sich gezogen werden.
4-Burpee Broad Jump: Mit einer Kombination aus Liegestütz (die Brust muss den Boden berühren) und einem Standweitsprung müssen 80 Meter zurückgelegt werden.
5-Ruder-Ergometer: In Sitzposition sind mit beidarmiger Ruderbewegung 1000 Meter zurückzulegen.
6-Farmer's Carry: Zwei 24kg schwere Kugelgewichte (Kettlebells) sind über eine 200-Meter-Strecke (4x50m) zu tragen.
7-Sandbag-Lunges: Mit einem Sandsack (20 kg) auf den Schultern wird sich mit weiten Ausfallschritten fortbewegt, wobei das Knie des hinteren Beines bei jedem Schritt den Boden berühren muss. Die Gesamtstrecke ist 100 Meter (4x12,5m) lang.
8-Wall Balls: Eine Art Medizinball (6kg) muss nach einer Kniebeuge (Hüfte unterhalb der Knie) genau auf ein Ziel in drei Metern geworfen werden - insgesamt 100-mal.

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Norbert Roth