Amsterdam
Der Maler als Dichter

Die Münchner Sammlung Schack zeigt die Ausstellung "Erzählen in Bildern"

03.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:17 Uhr

Amsterdam (DK) "Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, aber ich sage Ihnen gleich, sie nimmt kein gutes Ende", sagt zu Beginn der ersten Folge von "Narcos: Mexico" eine Stimme aus dem Off. Dazu sieht man Bilder, wie einem Mann ein Sack über den Kopf gestülpt und er in ein Auto gezerrt wird. Es ist der DEA-Agent Enrique "Kiki" Camarena. Und man muss der Story acht Episoden lang folgen, bis man erfährt, wie und warum es zu dieser Entführung kommt und wie es diesem Mann weiter ergeht.

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Die Illustrationen eines Ludwig Richter, der 1842 die "Volksmärchen der Deutschen" bebilderte, sind bis heute populär. Ihm widmete 2004 die Neue Pinakothek eine große Ausstellung, kuratiert von Herbert W. Rott, der als Referent der weniger bekannten Schack-Galerie jetzt zum ersten Mal zwei Künstler vorstellt, die ebenfalls als Maler zum Dichter werden: Edward von Steinle (1810-1886) und Leopold Bode (1831-1906).

Der Kunstsammler, Dichter und Übersetzer Adolf Friedrich von Schack schätzte Steinle, der bei den nazarenischen Malern Peter Cornelius und Friedrich Overbeck gelernt hatte und ab 1850 als Professor am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt lehrte. Sein Schüler und zeitweiliger Mitarbeiter wiederum ist Bode, beide arbeiteten an Großprojekten wie etwa den Fresken im Kölner Dom. Die in München gezeigten 30 Bilder und Bilderzyklen, präsentiert in drei Räumen, lassen den Betrachter eintauchen in die bürgerliche Idylle von jungen Brautpaaren und liebevollen Müttern oder in die Welt der Ritter, Zwerge und unschuldigen Jungfrauen. Märchen der Brüder Grimm wie "Schneeweißchen und Rosenrot", Sagen des Mittelalters, Schillers Gedicht über die Glocke, Shakespeares "Sommernachtstraum" - all diese literarischen Stoffe werden von den Künstlern in eigenen Bildschöpfungen dargestellt.

Das Hauptwerk der Ausstellung ist das Triptychon "Pippin und Bertha". Schack hat es 1876 von Bode erworben, und da der Sammler ein dezidiert nicht-religiöser Zeitgenosse war, ist es verwunderlich, dass er gerade dieses großformatige Werk mit seinen zahlreichen Anspielungen auf das Christentum schätzte. Für dieses wandfüllende Ölgemälde wurde zur Ausstellung ein aufwändig geschnitzter Rahmen nach alten Fotografien rekonstruiert. Dargestellt wird die Sage von der Geburt und Kindheit Kaiser Karls des Großen, wobei die Szenen unverkennbar Bezug nehmen auf Jesus in Gethsemane, auf die Fußwaschung und auf die Anbetung der heiligen drei Könige. Das kann freilich nur derjenige herauslesen, der mit dem christlichen Bilderkanon vertraut ist. Die Saaltexte machen den Besucher vor allem mit den Legenden und Sagen vertraut, die vor 150 Jahren noch zum Allgemeinwissen gehörten, aber heutzutage nicht mehr jedem präsent sind.

Annette Krauß