Bad Birnbach
Der "EZ 10" weiß, wo es langgeht

In Bad Birnbach fährt der deutschlandweit erste autonome Bus - Betreiber ziehen positive Bilanz

26.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:33 Uhr
  −Foto: Weigel/Hase, dpa

Bad Birnbach/Ingolstadt (DK) 633 Tage schon rollt der autonome Bus namens "EZ 10" geräuschlos durch den beschaulichen Kurort Bad Birnbach im niederbayerischen Kreis Rottal-Inn.

Nun zogen die Verantwortlichen rund um die Deutsche Bahn mit beteiligten Wissenschaftlern Bilanz - und die fällt äußerst positiv aus.

Einen griffigeren Namen als das sperrige "EZ 10" haben sich die Betreiber bis heute zwar nicht ausgedacht, das jedoch scheint die Bad Birnbacher und ihre Gäste nicht sonderlich zu stören. Sie mögen ihren elektrisch angetriebenen, autonomen Bus, der sechs Sitz- und sechs Stehplätze bietet und einen "Operator" mit an Bord hat - ein Mensch, der im Notfall eingreifen kann. So sieht es das bayerische Gesetz vor. Komplett führerlos autonom fahrende Autos oder Busse sind noch nicht zugelassen.

Der Mini-Bus kann bis zu 40 Stundenkilometer schnell fahren, in Bad Birnbach sind es aber derzeit etwa 15 km/h. Nachts wird der Lithium-Ionen-Akku acht Stunden lang mit einem Strommix aufgeladen, dann hält er problemlos die 14 Betriebsstunden aus - auch, wenn die Klimaanlage volle Pulle läuft. Am Projekt beteiligt sind unter anderem der TÜV Süd und das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Mit wieviel Geld aus Steuermitteln es das Mobilitätsprojekt finanziert, konnte das Ministerium jedoch auf Anfrage nicht konkret sagen.

Dafür gab es andere Zahlen zum Abschluss der Pilotphase: Seit dem Start im Oktober 2017 wurden laut Angaben von Chris Büttner, Projektleiter für autonomes Fahren bei der Bahn-Tochter ioki, 20000 Kilometer zurückgelegt und 32000 Passagiere befördert - und der Betrieb in Bad Birnbach geht weiter, die Strecke soll bis zum Bahnhof verlängert werden. Ein Ziel, von dem viele im Ort träumen, denn es würde den "EZ 10" um ein Vielfaches attraktiver machen und gerade älteren Menschen den Weg ungemein erleichtern.

"Wir sind stolz, dass dieses Angebot so gut angenommen wurde. Für weitere, komplexere Projekte werden uns die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschungskooperation helfen", fasste Chris Büttner die Pilotphase zusammen. Zur Pressekonferenz kamen in Ingolstadt die verschiedenen Forscher zusammen, die den "EZ 10" begleiteten: Wissenschaftler der TH Deggendorf, der TH Ingolstadt und der Uni Würzburg. Und auch sie hatten ausnahmslos Erfreuliches zu berichten. So stellte Thomas Huber, Projektleiter von DB Regio Bus Bayern, vor, dass sich allein durch die Präsenz des "EZ 10" in Bad Birnbach die Mobilitätswahrnehmung massiv gesteigert habe. "2015 wussten nur knapp 8 Prozent, dass es überhaupt einen öffentlichen Personennahverkehr gibt", sagte Huber. "2018 waren es 54 Prozent.

Eine weitere Erkenntnis: 2015 hätten die Befragten die Entfernung zur nächsten Haltestelle auf 270 Meter geschätzt. 2018 - ohne dass eine weitere Haltestelle dazu gekommen wäre - auf 140 Meter. Jan Christopher Kolb von der TH Ingolstadt erforschte kritische Situationen, in die der "EZ 10 " geraten kann - offener Kanaldeckel, zu nah am Bus schlendernde Fußgänger oder Notarzteinsätze. Sein Fazit: In 633 Tagen blieb der Bus unfallfrei. Sein Kollege Andreas Riener hat die Akzeptanz der Fahrgäste erforscht. Er kommt zu dem Schluss, dass das Vertrauen in die Technik nach der ersten Fahrt steigt - auch bei jüngeren Menschen, die davor eher der Meinung waren, dass sich der Bus nicht lohne und man zu Fuß auf der kurzen Strecke schneller sei.

Alexandra Appel von der Uni Würzburg stellte fest, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft für ein solches Projekt maßgeblich von den beteiligten Akteuren abhängt. Unterstützende Politiker und Verwaltungen seien dabei entscheidend.

Und dass das Konzept des autonomen Busses von Bad Birnbach auf zahlreiche weitere Strecken in Bayern übertragbar ist, das ergaben die Forschungen von Jane Wuth von der TH Deggendorf. Projektleiter Thomas Huber berichtete zum Abschluss, dass bereits viele andere Städte und Gemeinden Interesse am "EZ 10" bekundet hätten. Aus Ingolstadt habe man zwar bisher noch keine Anfrage erhalten, "aber wir können gerne ein Konzept vorlegen".

Huber hofft darauf, dass das "Leuchtturmprojekt von Bad Birnbach" bald deutschlandweit Schule macht: "In fünf Jahren 100 autonome Kleinbusse im ganzen Land, das wäre toll. " In Konkurrenz zum derzeit viel diskutierten E-Scooter, der wie der Minibus auch für die viel zitierte "letzte Meile" nützlich sein soll, sieht er den "EZ 10" nicht. "Hier geht es um ein Miteinander. " Und wer weiß, vielleicht setzt sich der autonome Bus eines Tages als Transportmittel für die ältere Generation auf dem Land durch, während der E-Scooter eher im urbanen Raum zum Einsatz kommt.
 

Verena Belzer