Möckenlohe
Der Dorfladen - die Grundversorgung im Ort

Die über hundertjährige Geschichte des Lebensmittelgeschäfts Habold in Möckenlohe

05.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:17 Uhr
Dominik Harrer
Ein Blick in den Verkaufsraum zeigt: Es gab nahezu alles, von der Wurstschnur über Konserven bis zum braunen Zucker. −Foto: Sellinger

Möckenlohe -Heute sind diese Dinge wieder aktueller denn je: regionale Produkte, kurze Wege, Waren ohne unnötige Verpackung, persönliche Bedienung.

All das hatte es in nahezu jedem Dorf im örtlichen Kramerladen gegeben, bis Supermärkte in Ballungszentren, steigende Ansprüche von Kunden und nicht zuletzt ausufernde Vorschriften sie verdrängten. Heute ist man mobil und kann jederzeit überall in größter Auswahl einkaufen - und doch würden sich mittlerweile viele auf dem Land ein zu Fuß erreichbares Geschäft wieder wünschen. In Möckenlohe gab es dies bis ins Jahr 2010. Viele Jahrzehnte bestanden sogar zwei Lebensmittelgeschäfte im Ort, mehr als 100 Jahre lang wurde eines davon von der Familie Habold betrieben.

Die Anfänge


Im Jahr 1908 heiratete Schreinermeister Josef Habold aus Nassenfels seine Frau Walburga Mack aus Möckenlohe und erwarb das Anwesen mit der Hausnummer 43, auf dem sich im 19. Jahrhundert eine Gemeindeschmiede befunden hatte. Dort gründeten sie eine Schreinerei und ein Gemischtwarengeschäft, 1913 eröffnete zusätzlich eine "Posthilfsstelle" im Haus. Die Lebensmittelhandlung war dabei in den Anfangsjahren ein "Opel-Geschäft", wobei es sich wohl um eine Handelskette handelte, die ihre Vertragsläden mit Waren belieferte, und nichts mit einem Autohändler zu tun hatte.

Neben seiner Tätigkeit als Schreinermeister war Josef Habold über 30 Jahre lang als Waagmeister für die örtliche Viehwaage zuständig und für mehrere Jahre im Gemeinderat der damals noch selbstständigen Gemeinde Möckenlohe tätig. Einer Zeitungsmeldung anlässlich der Goldenen Hochzeit der Eheleute Habold 1958 ist zu entnehmen, dass er als humorvoll und lebenslustig galt, in der Schreinerei auch in hohem Alter noch tätig war und gern Karten spielte.

Erstes Telefon


Im Hause Habold befand sich auch die örtliche Poststelle, was mit vielfältigen Aufgaben verbunden war. Hier wurden nicht nur Briefe und Pakete angenommen beziehungsweise Telegramme verschickt, in der örtlichen Poststelle wurden auch die Renten ausbezahlt, und zusätzlich musste natürlich die Post im Dorf ausgetragen werden.

Dass diese Aufgaben auf Dauer nicht auch noch zusätzlich zum Laden und zur Schreinerei ausgeführt werden konnten, versteht sich von selbst. So wurde Tochter Therese, die eigentlich Schneiderin war und in jungen Jahren als solche auch "auf Stör" gegangen war, Posthalterin von Möckenlohe. Vielen Möckenlohern ist sie noch bestens in Erinnerung, sie war eine "Institution" im Ort und wurde oft "Tante Resi" genannt.

Sie verwaltete auch das erste Telefon im Ort, als es noch keine Hausanschlüsse gab. Um beispielsweise einen Arzt erreichen zu können, musste man zur "Schreiner Resl" gehen und sich eine Verbindung herstellen lassen. Briefe und Päckchen hatte sie stets zu Fuß ausgetragen und musste dabei auch nach Untermöckenlohe oder zum etwa zwei Kilometer entfernten Prielhof laufen. Die Post war ihr ein und alles, so fiel es ihr sichtlich schwer, dass 1974 mit Erreichen der Altersgrenze die Poststelle Möckenlohe aufgelöst wurde.

Neues Gebäude


Um die drei Betriebe Laden, Post und Schreinerei buchstäblich unter einem Dach vereinen zu können, wurde ab 1933 das heute noch bestehende Gebäude mit Werkstatt errichtet. Auch wenn das Haus mittlerweile mehrfach umgebaut und erweitert wurde, so wärmt bis heute noch der Kachelofen aus der Erbauungszeit die gute Stube.

1945 fand dann ein erster Generationswechsel statt, Sohn Josef Habold II. heiratete Anna Speth aus Möckenlohe und übernahm fortan Geschäft und Betrieb. In der Nachkriegszeit wurde das Lebensmittelgeschäft auch der VeGe-Handelskette angeschlossen und das Sortiment erweitert. In dieser Zeit gab es noch viele Produkte offen zu kaufen, so wie es heute in sogenannten Unverpackt-Läden wieder modern ist: Reis, Zucker oder Salz wurde in Schubladen in einer Schrankwand aufbewahrt und den Kunden in der gewünschten Menge in Papiertüten abgefüllt. Auch Essig der Firma Mayer aus Eichstätt, Fass-Sauerkraut oder Bismarck- und Bratheringe sowie Bonbons in großen Gläsern waren offen erhältlich.

Höhepunkt im Jahr war vor allem für die Kinder der Kirchweihstand: Hier war an der Ladentüre ein Tisch aufgebaut, auf dem dann spezielle Süßigkeiten oder kleine Spielwaren feilgeboten wurden und für das "Kirchweihgeld" erworben werden konnten.

Umfangreiches Sortiment


1971 heiratete Josef Habold III. seine Frau Eleonore. Nun wurde die Schreinerwerkstatt im Haus aufgegeben und das Lebensmittelgeschäft erweitert beziehungsweise modernisiert. Als Mitte der 1970er-Jahre ein Lebensmittelgeschäft in Kinding den Betrieb aufgab, konnte die Ladeneinrichtung erworben und in den nun vergrößerten Geschäftsraum eingepasst werden. Die Handelskette VeGe war zwischenzeitlich aufgekauft worden, und so firmierte das Möckenloher Lebensmittelgeschäft mit dem Hausnamen "Beim Schreiner" fortan als Edeka-Laden.

Im Prinzip handelte es sich dabei um einen "Vollsortimenter", hier konnte man bequem seinen Bedarf an Lebensmitteln und sonstigen Verbrauchswaren decken. Es gab neben Konserven, Wurst, Back- und Hygieneartikeln auch Schreibwaren oder ausgefallene Dinge wie Papierdärme und Pech für die Hausschlachtung. Verschiedene Bäcker lieferten Brot, Semmeln oder süßes Gebäck, Obst und Gemüse war genauso vorhanden wie eine Kühltheke für Milchprodukte und eine Getränkeabteilung. Legendär waren die diversen Süßigkeiten, darunter Brausetabletten, saure Stangen oder Cola-Fläschchen, die Generationen von Schülern vor oder nach der Schule genüsslich an der Bushaltestelle konsumierten. Selbstverständlich fehlte auch die Kühltruhe für Tiefkühlware und Eis nicht. Außer verschiedenen Sonderangeboten gab es beispielsweise Dienstagnachmittag immer warmen Leberkäse.

Rückkehr der Post


Aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung sollte Mitte der 1990er-Jahre wieder in jeder Gemeinde eine Postfiliale eingerichtet werden. Die Familie Habold erklärte sich bereit, eine Postagentur zu übernehmen, und so kam am 1. Juli 1996 nach über 20 Jahren die Post zurück "zum Schreiner".

In der Folgezeit wurden neben Eiern, Salz und Mehl auch Briefmarken verkauft und Postsendungen angenommen. Dies konnte neben dem Laden im Gegensatz zu früher nun gut bewerkstelligt werden, da viele Aufgaben früherer Zeiten weggefallen waren - die Postzustellung hatte ja schon seit Jahrzehnten ein Postbote übernommen, Renten wurden längst überwiesen und nicht mehr bar ausbezahlt.

Das Ende

Das ganze Leben der Familie Habold war über Generationen auf ihr Lebensmittelgeschäft ausgerichtet. Laden- und Lagerräume waren im Wohnhaus untergebracht, das Geschäft wurde ohne Mittagspause und ohne einen Ruhetag geführt, der Jahresurlaub war kaum länger als drei Tage im August. Erst als man durch einen Pflegefall in der Familie etwas mehr Zeit benötigte, wurde zumindest Montagnachmittag geschlossen.

Auch wenn sich die seit der Jahrtausendwende vermehrt im ländlichen Raum entstehenden Supermärkte im Umsatz bemerkbar machten, stand dennoch eine Geschäftsaufgabe zunächst nicht zur Debatte.
Erst die Überlegungen zum Umbau des Gebäudes durch Sohn Josef Habold IV. und vor allem die steigenden Auflagen für ein Lebensmittelgeschäft führten letztlich nach langer Überlegung zur Entscheidung, das Geschäft zu schließen.

Am 31. Mai 2010 war dann der letzte Verkaufstag im Laden, Postagentur und Getränkehandel wurden noch kurze Zeit fortgeführt, bis auch dieses Kapitel Möckenloher Geschichte zu Ende war. Zehn Jahre nach der Schließung blicken Eleonore und Josef Habold trotzdem voll Zufriedenheit auf die Zeit mit ihrem Laden zurück.

Was bleibt, ist die Erinnerung an ein liebenswertes und bestens geführtes Lebensmittelgeschäft, an das wohl viele Möckenloher noch lange dankbar zurückdenken werden.

EK

Dominik Harrer