"Der Anschluss an den Weltverkehr"

10.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:40 Uhr

Bitte alle aussteigen: Von Dietfurt aus ging es nach Beilngries und nach Neumarkt. Vor allem in den Nachkriegsjahren, aber auch noch in den späten 50ern, wie hier 1958, in denen wenige Menschen ein eigenes Auto besaßen, war der Zug wichtiges Fortbewegungsmittel.? Repro: grb

Dietfurt (grb) Der 11. September 1909 war für Dietfurt ein ganz großer Tag. Damals begann das Eisenbahnzeitalter im Ort. Ganz Dietfurt war auf den Beinen, als um 8.54 Uhr der erste, mit Blumen und Girlanden geschmückte Zug am Bahnhof eintraf.

Die Lokomotive war mit einem bezopften Chineslein geziert, wie aus der Chronik des Franziskanerklosters Dietfurt zu entnehmen war. "Zum Anschluss Dietfurts an den Weltverkehr sandte Bezirksamtmann Eymann von Riedenburg seine besten Wünsche. Möchte doch die nächste Zukunft auch noch den Anschluss nach Riedenburg und Kelheim bringen", hieß es weiter in der Chronik. Doch dieser Wunsch wurde nie Wirklichkeit. Dietfurt bleib Endstation der Lokalbahn Neumarkt – Beilngries – Dietfurt.

Dampfross statt Pferd

Eine neue Ära begann 1909. Mussten die Dietfurter und auch die Bürger der Umgebung vorher auch weitere Strecken zu Fuß oder mit dem Pferd zurücklegen, so änderte sich dies nun. Als das Dampfross Einzug in Dietfurt hielt, konnten die Leute zu ihren auswärtigen Arbeitsstellen mit der Bahn fahren, später fuhren auch die Schüler mit dem Zug nach Neumarkt.

Sicher haben vor einem Jahrhundert die Leute gestaunt, als "Eisenwege", also die Schienen, gebaut wurden. Natürlich hatte sich damals längst herumgesprochen, dass durch die deutschen Lande ein Dampfross läuft, der Wagen hinter sich her zog.

So kam dieses Feuer speiende, rauchige Ungetüm am 11. September 1909 auch nach Dietfurt. Ein großer Verfechter für den Eisenbahnverkehr war der damalige Stadtpfarrer von Dietfurt, Kohl. Dieser Geistliche hatte einen Sitz im Landtag und Reichstag. Er bemühte sich sehr um die Entwicklung der Stadt Dietfurt und so auch um die Bahn. Es wurde ein Bahnhof gebaut und auch ein Haus zum Unterstellen der Lokomotive. Der erste Zug wurde gebührend empfangen durch den damaligen Bürgermeister und Stadtpfarrer, der Musikkapelle und die Männer in Gehröcken und die Frauen in langen Kleidern, alles war auf den Beinen um das Dampfross, das in der Folgezeit für viel Erleichterung in der Bevölkerung sorgte, zu empfangen. Jeder wollte gleich am ersten Tag mit dem Zug fahren.

Von da an fuhren die Dietfurter mit der Bahn in die Welt hinaus, auch die Güter wurden so transportiert. Infolge des ungeheuren Andrangs am Billettschalter des Dietfurter Bahnhofes wurde am ersten Sonntagabend im November 1909 der in unmittelbarer Nähe des Schalters stehende Ofen umgestürzt. Dies war für die Bahnbehörde eine Mahnung, den neuen Ofen nicht wieder in nächster Nähe des Schalters aufzustellen, vor allem schon wegen der Feuergefahr gegenüber den Fahrgästen. Dies wurde im Beilngrieser Wochenblatt vom 9. November 1909 dokumentiert.

Der Zug war die Türe zur Welt, auch für den Tourismus. Die sogenannten "Sommerfrischler" aus den Großstädten kamen ebenfalls mit dem Zug nach Dietfurt. Die Folge war, dass in Dietfurt 1910 ein Fremdenverkehrsverein gegründet wurde. Es stünde also im kommenden Jahr erneut ein Jubiläum an.

Doch nicht nur eitel Freude herrschte am Bahnhof. So mussten viele Frauen ihre Männer, Mütter ihre Söhne und Kinder ihren Vater verabschieden, als der Erste Weltkrieg kam und vor allem auch beim Zweiten Weltkrieg. Viele Männer sahen die Heimat und auch den Bahnhof Dietfurt nie mehr wieder. Nur einige Spätheimkehrer konnten in den 50er Jahren noch am Bahnhof in Dietfurt in Empfang genommen werden.

Kampf um Erhalt

Im Dezember 1961 begann für Dietfurt der Kampf um den Erhalt der Lokalbahn. Drei Jahre später war der Kampf verloren. 1964 kündigte die Bundesbahn die baldige Stilllegung an. 1967 wurde der Bahnverkehr ganz eingestellt. Zwischen Beilngries und Dietfurt verkehrte als Ersatz ein Bus bis zum Bahnhof Beilngries, dort mussten die Fahrgäste umsteigen in den Zug, der aber auch nicht mehr lange Bestand hatte. Längst sind auf der Strecke Neumarkt – Dietfurt nur noch Eisenbahnschienen von Neumarkt bis zum Betrieb Bögl in Greiselbach zu sehen. Alle übrigen Schienen wurden längst entfernt.

Mit der Einstellung der Bahn und dem Abbau der Schienen gingen nach und nach ein Stück Nostalgie und Geschichte in Dietfurt verloren. Der Radweg zwischen Dietfurt und Töging wurde auf die Trasse der Bahnlinie gebaut. Das Sportheim Wildensteiner Hof, das nun der Spitzhacke zum Opfer fällt und einem modernen Ärztehaus weichen muss, war in früherer Zeit das "Bahnhofshotel". Nun erinnert wohl nur noch die Bahnhofstraße unmittelbar an das Eisenbahnzeitalter in Dietfurt.