Gaimersheim
Den Wind in den Haaren spüren

Verein "Radeln ohne Alter Gaimersheim" will Senioren kostenlos mit einer Rikscha spazieren fahren

26.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:13 Uhr
Der Verein "Radeln ohne Alter Gaimersheim" stellte auf dem Gaimersheimer Marktplatz seine "Mikscha" vor. Vorsitzender Michael Alliger sitzt hier zusammen mit seiner Frau Aniko Szabo, die ebenfalls Rikscha-Fahrerin ist, in dem Gefährt. Bürgermeisterin Andrea Mickel (l.) und die Gemeinde unterstützen das Vorhaben. −Foto: Persy/Zinner

Gaimersheim - Eine alte, bettlägrige Frau rauscht auf eben diesem Bett in rasanter Geschwindigkeit eine abschüssige Wiese hinab.

Dabei lebt sie auf, strahlt, erinnert sich an eine Mopedfahrt mit ihrem Freund in ihrer Jugend. Die Szene aus dem Film "Wer früher stirbt ist länger tot" brachte Michael Alliger auf den Gedanken, ältere Menschen wieder den Wind in den Haaren spüren zu lassen. In einer Rikscha, kostenlos.

Den Wind in den Haaren spürt man in der Rikscha tatsächlich. Dank der Sitzposition auf der Bank vorne hat der angeschnallte Gast bei der Fahrt einen freien Blick etwa auf die Pferdekoppeln vor ihm im Park. Durch das Fenster mit Stoffgitter nach hinten, ist ein Gespräch mit Fahrer Michael Alliger gut möglich, auch eine Verständigung darüber, ob die Geschwindigkeit so angenehm ist. Alliger hat schon ein bisschen geübt und einen Blick dafür, ob das Fahrzeug an einer schmaleren Stelle noch durchpasst oder nicht.

Senioren und Gehbehinderte aus Gaimersheim wollen er und seine Freunde ab sofort mit dem Gefährt spazieren fahren. Die Älteren dürfen sich, auch zu zweit, vorne auf die Bank setzen. Eiscafés oder andere Ausflugsziele dürfen sie sich wünschen. Sobald es wieder möglich ist, können sie sich auch zu Biergärten kutschieren lassen. "Genauso sind Radltouren mit den Familien der Senioren denkbar", sagt Alliger. Der 62-jährige Ingenieur überlegt zudem, regelmäßig Touren um den Baggersee in Ingolstadt anzubieten.

Alliger und seine neun Mitstreiter bilden den Verein "Radeln ohne Alter Gaimersheim". Solche Initiativen gibt es bereits in 42 Ländern mit 1643 Standorten, in Deutschland 64. In Bayern werden die Rikscha-Fahrten an sechs Standorten angeboten, etwa in München, Fürth oder Litzendorf. Alliger und die anderen Vereinsmitglieder lassen "Radeln ohne Alter Gaimersheim" ins Vereinsregister aufnehmen. In ein bis zwei Monaten sollten sie den Beinamen e. V. tragen und als gemeinnützig eingestuft sein, sagt Alliger.

Die Gemeinde unterstützt das Vorhaben und stellt eine Unterbringung für das Gefährt zur Verfügung. "Ich freue mich darauf, die Mikscha durch den Markt fahren zu sehen", sagt Bürgermeisterin Andrea Mickel (SPD). Als die Idee im Gemeinderat vorgestellt wurde, seien alle begeistert gewesen. "Mikscha" - so haben die Vereinsmitglieder ihr Fahrzeug genannt. "Ein Wortspiel aus meinem Vornamen und dem Begriff Rikscha", erklärt Michael Alliger. Das solle "eine direkte Zuordnung zu unserer Rikscha in Gaimersheim herstellen, bedeutet ,Mia kutschieren Senioren comfortabel herum, abgemacht". Michael Alliger finanzierte das Fahrzeug zum großen Teil selbst.

Früher verstand man unter einer Rikscha eine Art Sitzbank auf zwei Rädern, die von einem Menschen gezogen wurde, während andere gemütlich darin saßen. Erfunden wurde sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Japan. Ein mühseliges Vorwärtskommen zu Fuß ist mit der "Mikscha" nicht mehr nötig. Der Fahrer hat eine elektrische Tretunterstützung und kann sogar rückwärts fahren. Die Akkus hängen links und rechts in Satteltaschen hinten am Fahrrad. Die Fußplatte vor der Sitzbank kann nach unten gefahren werden, was das Einsteigen erleichtert. Für die Gäste gibt es Sicherheitsgurte, und wenn es kühl ist sogar eine Art Schlafsack, in den sie sich für die Fahr wickeln können. Der Fahrer sitzt hoch genug, um auch über das Verdeck der Bank sehen zu können oder durch das Sichtfenster zwischen den beiden Gästen durch.

Momentan gelten wegen der Pandemie auch bei den Rikscha-Fahrten Sicherheitsmaßnahmen. Der Fahrer trägt die ganze Tour über eine Maske. Die Gäste beim Ein- und Absteigen. Brauchen sie dazu Hilfe, sollten das Angehörige oder Pfleger übernehmen. Auch ein Fahrtenbuch empfiehlt der Dachverband von "Radeln ohne Alter" den Vereinen.

Senioren, Menschen mit Gehbehinderung aus Gaimersheim oder deren Angehörige können sich unter Telefon (08458) 30371 bei Michael Alliger melden, um eine Mikscha-Fahrt zu vereinbaren.

DK

Christine Zinner