Eichstätt
Demokratisch jubeln

Beim Composer Slam siegt, wer den größten Beifall erhält – diesmal war es Andreas Meier mit seinem Einton-Stück

06.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:31 Uhr

Vielseitige Musik-Performance: Der Gewinner des Slams, Andreas Meier, spielte auch ein romantisches Klavierstück. Cendra Polsner präsentierte Computermusik und Gerald Eckstein kam mit Gitarre - Fotos: Traub

Eichstätt (DK) Wie leitet man eine Welturaufführung angemessen ein? Mit einem Paukenschlag. Der war denn auch zu hören, als am Dienstagabend im Musiksaal der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt das erste Composer Slam eröffnet wurde.

Ein guter Start. Schon allein wegen des Publikumszuspruchs. Es kommt selten bei einem Konzert mit zeitgenössischer klassischer Musik vor, dass der Saal geradezu überquillt und ein großer Teil des Pizza essenden und Bier trinkenden Publikums auf dem Boden sitzen oder stehen muss. Und es ist auch selten im manchmal in steriler Schönheit erstarrten Klassikgeschäft, dass nur sehr wenige Zuhörer älter als 25 Jahre alt sind.

Dabei wurde weder Freibier geboten noch ein attraktiver Popstar. Sondern schwere Hardcore-Klassik, auf die alle Attribute passt, die fast jedes Publikum blitzschnell in die Flucht schlagen kann: atonale Klänge, schräge Akkorde, quälendes Gezupfe an Klaviersaiten, Knistern, Rascheln, endlose Stille, rätselhaftes Getue. Dennoch: Jubel nach jedem Vortrag, als wäre ein Mozart-Werk zur Uraufführung gebracht worden.

Woher kommt diese Begeisterung? Sicherlich wegen der Präsentation. Die kleinen Stücke der sechs Komponisten wurden aufgewertet im Umfeld von unterhaltsamen Anmoderationen, witzigen Poe-try-Slam-Einlagen und ein bisschen Show. Der Poetry-Slammer Hanz und sein Moderatoren-Kollege und Miterfinder dieses neuen Formats, Julius Füg, hätten das Publikum kaum besser amüsieren können.

Dabei lief natürlich längst nicht alles glatt. Es wimmelte von kleinen Versprechern, an Desorientierung, Improvisation. Egal, gerade der Mut zum Mangel an Perfektion tat der klassischen Musik unendlich gut. Auch wenn es um die Kompositionen und ihren Vortrag selbst ging. Denn auch da holperte es oft gewaltig. Was kaum verwundert. Gute Komponisten sind nicht unbedingt eindrucksvolle Performer – und umgekehrt. So war auch Gutgemeintes, zu wenig Durchdachtes, zu Langweiliges zu hören. Aber es gab eine echte Entdeckung. Andreas Meier, Dirigierstudent aus Würzburg, hatte eine zündende Idee: Eintonmusik. Sein Orgelwerk konzentrierte sich auf ein G. Diesen Ton ließ er in verschiedenen Registern schillern, erzeugte skurrile Effekte, indem er die Register ganz langsam einblendete, bis im Übergang quiekende Laute der Orgel entwichen und ergänzte das einsame Solo durch helles Glockenklingeln. Ein Stück mit magischer Wirkung. Nicht zu Unrecht zeichnete das Publikum mit seinem Gejohle am Ende den Würzburger zum weltweit ersten Sieger eines Composer Slam aus.

Aber es gab noch mehr Spannendes zu hören: Etwa das leicht verkopfte Stück „Geister-Feuer“ von Hsiao Feng Chang, eigentlich ebenfalls ein Eintonstück. In einer schwer verständlichen Einleitung erläuterte der Taiwaner, indem er sich auf die Malerei Kandinskys bezog, dass er mehrdimensionale Musik erzeugen wolle. So versuchte er am Flügel durch verschiedene Tricks, durch Zupfen, Klopfen, Spielen mit der Kreditkarte, Triller, einen zentralen Ton in verschiedene Klangfarben zu tauchen. Hsiao Feng Chang hatte das Pech, gegen Andreas Meier anzutreten und schied so bereits in der ersten Runde aus.

Was gab es noch zu hören? Der Gitarrist Gerald Eckstein imitierte die Eintönigkeit endloser Autofahrten mit ebenso endlos dahinplätschernden Dreiklängen an der Gitarre. Martin Sturm aus Würzburg spielte ein etwas strukturloses, aber kontrastreiches Klavierstück. Die Eichstätterin Cendra Polsner war die einzige Musikerin, die rein elektronische Musik präsentierte, rhythmisch pulsierende Werke voller Loops. Und Simon Hofer spielte an E-Gitarre und E-Piano kunstvoll naive, sehr melodische Stücke, die vielleicht ein bisschen an Eric Satie erinnern.

Ein breites Spektrum an Musik, das an diesem Abend zu hören war. Und das sogar noch ein bisschen breiter wurde, als der Erfinder des Composer Slams, der Geiger Simon Kluth, als Special Guest erschien. Er gab dem Geschehen eine Richtung, die zu einem so experimentellen Konzert eigentlich überhaupt nicht passen wollte: Er verabreichte dem Publikum eine Prise der ach so elitären Hochkultur in Form von Fritz Kreislers „Rezitativ e Scherzo Caprice op. 61“. Aber was soll’s? Wer so fantastisch sein Instrument beherrscht, kann gerade an einem solchen Abend noch einmal zeigen, was für eine Kraft in der guten alten klassischen Musik steckt.