Ingolstadt
Dem Neoliberalismus abschwören

Bei der Seniorenversammlung der IG Metall fordert Stefan Schieren mehr Solidarität und Gerechtigkeit

09.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:17 Uhr

Wert der Arbeit, statt Wert der Aktien: Stefan Schieren, Politikwissenschaftler an der KU Eichstätt-Ingolstadt, skizzierte eine neue Sozialpolitik für Deutschland - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Senioren der IG Metall waren gestern in den Festsaal eingeladen. Sie zeigten sich ebenso selbstbewusst wie energisch fordernd. Themen waren die Rentenerhöhung, ein Mindestlohn, die Rechte von Arbeitnehmern und die bevorstehenden Wahlen im September.

Die „heilige Dreifaltigkeit des Neoliberalismus“ oder die Werte von Gewerkschaften und der Sozialdemoraten? Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung oder Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität? Im Kern darum geht es nach Meinung von Stefan Schieren, Professor für Politikwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, bei der bevorstehenden Bundestagswahl, die dem Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall Ingolstadt, Bernhard Stiedl, eine „Richtungswahl“ ist. Beide sprachen gestern vor rund 800 Frauen und Männern bei der Seniorenversammlung der IG Metall.

Schieren, der als SPD-Kandidat für den Bundeswahlkreis 217 in den Wahlkampf zieht, skizzierte in seinem knappen und prägnanten Vortrag die Entwicklung der Gesellschaft und des Staates von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart, kritisierte den noch herrschenden Neoliberalismus und seine Folgen für die Gesellschaft und mahnte eine „neue Sozialpolitik für Deutschland“ an. Er forderte einen Staat, der sich verantwortungsvoll die Handlungsmöglichkeiten zurückgewinnt. Probleme bei der Energiewende oder die Bewältigung der Wohnungsnot seien nur durch „handlungsfähige und regulative Mittel zu bewältigen“, ist Schieren überzeugt.

Er forderte, den „Wert der Arbeit“ und nicht den der Börse und der Aktien in das Zentrum zu stellen. In der Kritik sind dabei auch die seiner Meinung nach unverhältnismäßig hohen Gehaltszahlungen an Manager, die das 100 bis 200-fache eines Facharbeiters erhielten. Es reiche nicht, den Mitarbeiter nur wertzuschätzen oder Anerkennung zu zollen. „Das muss sich auch im Gehalt ausdrücken.“ Einen gesetzlichen Mindestlohn hält Schieren für unverzichtbar. Außerdem müssten die „Verwerfungen“ auf dem Arbeitsmarkt, wie der Missbrauch von Leiharbeit oder 1-Euro-Jobs, angegangen werden. Entscheidend für die soziale Gerechtigkeit sei auch eine Steuerreform, bei der Wohlhabende ihren Beitrag leisten.

Bernhard Stiedl kritisierte ebenfalls „die wachsende und tiefe Spaltung zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft“. Eine Wahlempfehlung wolle er nicht abgeben. „Gefragt sind Politiker, die auch verantwortungsbewusst mit den Arbeitnehmern und den Rentnern umgehen.“ Es gehe unter anderem um soziale Gerechtigkeit, Kampf gegen den Missbrauch von Leiharbeit, einen Mindestlohn von 8,50 Euro und starke Arbeitnehmerrechte.

Stiedl setzte sich explizit für die Forderungen der Rentner ein. Die Steigerung der Renten im Westen um 0,25 Prozent ab Juli sei „eine Unverschämtheit“. „Diese Minimalerhöhung, die Nullrunden und der Kaufkraftverlust bedeuten eine Entwertung der Rente.“

Abschließend hatten IG-Metaller aus dem Saal das Wort. Beklatscht wurden die Forderungen nach mehr Steuergerechtigkeit und höherer Renten. Erneut Thema war die Forderung, dass auch die ehemaligen Audi-Mitarbeiter an dem seit 2005 geltenden Prämienmodell beteiligt würden. Inzwischen sei das Anliegen an die Unternehmensspitze weitergereicht worden, hieß es. „Wir wollen den Mitarbeitern nicht ihre Prämie wegnehmen“, sagte ein Gewerkschaftsmitglied. „Aber wir haben nichts dagegen, wie Sportvereine oder andere Institutionen von Audi gesponsert zu werden.“