Ingolstadt
"Das war wirklich ein Schreckensszenario"

01.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Pleite des Automobilteilezulieferers Altec GmbH beschäftigt das Landgericht Ingolstadt inzwischen seit fast zwei Jahren. Zum zweiten Mal bereits bestellte die Handelskammer um den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl für gestern und heute einige teils weit gereiste Zeugen ein, um die komplexe Insolvenz aufzuarbeiten – denn am Scheitern des vermeintlichen Vorzeigeunternehmens aus der Nähe von Hof soll die Audi AG die Hauptschuld tragen.

Das behauptet die Altec-Konzernmutter Infun aus Spanien, die das moderne Druckgusswerk für Aluminiumteile ab 2003 in der strukturschwachen Region aufbaute. Die Spanier verklagen den Ingolstädter Autobauer auf zwölf Millionen Euro Schadenersatz.

Bereits vor exakt einem Jahr ließen sich Kliegl und die beiden Handelsrichter an seiner Seite aus erster Hand erläutern, wie das Geschäftsverhältnis zwischen den beiden Parteien aussah, ehe die Altec GmbH im zweiten Halbjahr 2005 in finanzielle Schieflage geriet und im Januar 2006 den Insolvenzantrag stellte. Die Spanier behaupten, Audi habe sich nicht an die vertraglichen Absprachen gehalten, die Altec zwischen 2003 und 2007 einen Umsatz von im Schnitt 20 Millionen Euro garantieren sollten. Der Automobilhersteller wiederum führt an, dass aus dem Werk viel zu viele schlechte Teile kamen, die nicht für eine Serienfertigung geeignet waren.

Wie das aussah, erklärte der Ingenieur, der bei Audi für die Gussplanung der Motoren zuständig ist. "Druckguss ist ein Fehlerverdrängungsverfahren." Vor allem darf sich nur so wenig Luft wie möglich in den Formen befinden. Gerade bei Altec, das ab dem Jahr 2004 eine neue Serie von Ölwannen und Leiterrahmen für Motoren herstellen sollte, soll das aber das Problem gewesen sein. Die Teile waren massenhaft porös. Das habe sich schon bei der Konzeption der Werkzeuge, die die Teile pressen, angedeutet, sagte der Ingenieur. "Das war wirklich ein Schreckensszenario. Wir haben dann eine sehr viel engere Kommunikation eingefordert, um die Probleme überhaupt in den Griff zu bekommen. Dabei liegt in den Werkzeugen das ganze Know-how der Lieferanten, ihr ganzes Kapital."

Der Audi-Ingenieur präsentierte dem Gericht unter anderem zwei Modelle von Leiterrahmen. Das eine sah aus wie ein Gerippe, da das Aluminium perfekt hineingepresst werden konnte. Bei Altec sah der Leiterrahmen wegen mangelndem Know-how "wie ein Pizzablech" aus, so der Ingenieur. "Die waren nach viel Nachbessern irgendwann von der Gussqualität her okay für Audi. Aber wenn ich solche Pizzableche gieße, dann kann ich einfach nicht wirtschaftlich arbeiten. Da ist zu viel Abbrand dabei."

Bei den Ölwannen brachte Audi nicht so viel Geduld auf, berichtete der damalige Technische Leiter von Altec, ein freiberuflicher Ingenieur, der als eine Art Feuerwehrmann Mitte 2004 ins Unternehmen geholt worden war. Er bekam von einem Mitarbeiter mitgeteilt: "Audi will das Teil zu einem Konkurrenten abziehen, wir sollen nicht böse sein. Aber wir hätten es eh nicht hinbekommen." Dem musste der Technische Leiter zustimmen, "nicht in dem Zeitrahmen, der uns zur Verfügung stand, damit wir die Audi-Produktion nicht gefährden".

Und schon gar nicht dem dem Personal, beklagte der Mann. Anfangs habe es neben ihm nur einen weiteren Gießereifachmann in dem neuen Werk gegeben. Der Rest der Belegschaft aus der Region musste erst angelernt werden. Als dann auch noch weitere Gussteile produziert werden sollten, "hat das die Mannschaft einfach überfordert".

Von diesen Problemen will der Qualitätsmanager der Spanier, der für das Hofer Werk zuständig war, nichts gewusst haben. Es habe einen Plan gegeben, und der sei mehr oder weniger eingehalten worden, sagte der 46-Jährige. "Es gab niemals eine schriftliche Reklamation vom Kunden oder eine Lastschrift." Bei dieser Aussage schauten sich die Rechtsanwälte von Audi verwundert an. Heute sagen weitere Zeugen von Infun aus.