Eichstätt
"Das Plankstetten Indiens"

Missio-Gast Collinsius Wanniang stellte in der Dompfarrei das Ökospiritualitätszentrum Orlong Hada vor

23.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:47 Uhr
Vortrag in der Dompfarrei (von links): Dr. Gerhard Rott, Leiter des Referats Weltkirche der Diözese, Missio-Gast Bruder Collinsius Wanniang, Dolmetscherin Maria John und Dompfarrer Josef Blomenhofer konnten rund 40 Gäste begrüßen. −Foto: Kusche

Eichstätt (ddk) Neue Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung und Bewahrung der Schöpfung zu suchen und zugleich Menschen Alternativen aufzuzeigen, die ihnen ein gutes Leben ermöglichen - diese Aufgabe haben sich Franziskanerbrüder hoch auf den Hügeln des kleinen nordostindischen Dorfes Orlong Hada zum Ziel gesetzt.

Ihr Zentrum für Ökospiritualität unterstützt die Menschen bei der Suche nach Einkommensmöglichkeiten, ohne die Umwelt zu schädigen.

Als Gast im Monat der Weltmission 2019 berichtete Bruder Collinsius Wanniang aus der Erzdiözese Shillong von der Arbeit und den Herausforderungen des ökospirituellen Zentrums. Rund 40 Zuhörer waren der Einladung des Leiters des Referats Weltkirche, Gerhard Rott, sowie von Dompfarrer Josef Blomenhofer gefolgt, im Pfarrsaal St. Marien Einblicke in die Situation Nordostindiens und die Arbeit der Franziskanerbrüder zu erhalten.

Vor allem für seinen Assam-Tee ist Nordostindien bekannt, eine Region, die nur über einen schmalen Korridor mit Zentralindien verbunden ist. Umgeben von den Staaten Bangladesch, China und Myanmar, ist Nordostindien mit seinen 46 Millionen Einwohnern von einer großen ethnischen, sozialen und religiösen Vielfalt geprägt: Die indigenen Völker, die sich selbst als "Tribals" bezeichnen, leben dort neben Bengali und Einwanderern aus den Nachbarländern. Das satte Grün der Hügel, die beeindruckenden Teeplantagen und riesige Waldgebiete in den Bergen zeigen auf den ersten Blick eine intakte Region, doch das Bild trügt: "Kommerzielle Abholzung, illegaler Bergbau und unkontrollierte Brandrodung bedrohen die Natur und den Lebensraum von Mensch und Tier sehr stark", bedauert Bruder Collinsius. Nach Angaben der Umweltorganisation WWF seien bereits zwei Drittel der Waldflächen aufgrund von Abholzung, Brandrodung und Verbauung verschwunden.

Noch immer lebten viele Millionen Ureinwohner - in Nordostindien vor allem die vorwiegend christlichen Völker der Garo und Khasi - in ihren angestammten Lebensräumen, in denen sie aber aufgrund von Landmangel, unzureichender Ernährungs- und Arbeitsmöglichkeiten und immer knapper werdenden Ressourcen zunehmend unter Druck geraten: "Früher war die Lebensweise der Khasi und Garo darauf ausgelegt, der Natur nur gerade so viel abzuringen, wie für ein gutes Leben innerhalb einer Dorfgemeinschaft notwendig ist", erläuterte Bruder Collinsius. Diese Tradition nenne sich "Jhum cultivation", bei der eine Fläche gerodet und das getrocknete Holz abgebrannt werde, die Asche liegenbleibe und die Erde damit fruchtbar gemacht werde. Für drei bis vier Jahre habe dieses Vorgehen gereicht, um gut zu leben, bevor die Gemeinschaft weiterzog und der Boden sich wieder erholen konnte: "Doch heute wächst die Bevölkerung schnell, das Land wird knapper und der Boden hat keine Zeit, sich zu erholen", so Collinsius.

In ihrem 2014 erbauten Ökospiritualitätszentrum setzen die Franziskanerbrüder nun auf neue Wege, in denen Umweltschutz und Entwicklung in der zunehmend verarmenden Region Hand in Hand gehen können. Orlong Hada - das "Plankstetten Indiens", wie Gerhard Rott die Einrichtung betitelte - ist nicht nur Bildungszentrum und Grundschule für derzeit knapp 30 Schüler. Das Zentrum kommt einer Modellfarm gleich, die ökologischen Landbau betreibt, der den Bergbewohnern zeigen kann, wie sie mit Bananen, Kokos und Betelnüssen gute "cashcrops" anbauen und anbieten können. Es gibt eine Fischzucht, Reisanbau, Tapiokafelder, Kautschukanbau, Schilfbesenproduktion und eine Weberei: "Die Frauen weben auf dem Heimweg vom Markt, mit 10 bis 15 Kilogramm Reis auf dem Rücken, während des Laufens Fäden, die dann in der Weberei zu Stoffen gewebt werden können", erklärte Collinsius lächelnd.

Er ist sich der Herausforderung bewusst, einerseits für den Schutz von Umwelt und Natur in Nordostindien einzustehen, den Menschen andererseits in ihrem Bemühen um das Überleben und der Suche nach einem ausreichenden Auskommen zur Seite zu stehen: "Wir können ihnen nicht verbieten, Wald abzuholzen, zu verkaufen oder Holz zu Holzkohle weiterzuverarbeiten", meinte er. "Sie brauchen ja etwas zum Familienunterhalt. "
Viel Hoffnung setzt er auf die Modellfarm sowie auch auf die neue Schule. Mit vielen der Produkte, die im Zentrum der Franziskaner angebaut werden, erzielten die Menschen ein wesentlich höheres Einkommen als mit traditionellen Produkten, Holz und Holzkohle, erklärte er und zeigte eine dicke Gummimatte aus Naturkautschuk, die aus dem Saft der Gummibaumrinde erzeugt wurde: "Wir müssen den Menschen Alternativen aufzeigen, sonst wird die Natur und Umwelt durch Abholzung, Bodenerosion und Landspekulation immer in Gefahr sein", resümierte der Franziskaner.