Patrick,
"Das nächste Jahr wird schwerer"

11.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

Steil bergauf: Patrick Haller bei den bayerischen Bergmeisterschaften am Sudelfeld, im Südosten Oberbayerns. Der 16-Jährige feierte dort einen seiner insgesamt 29 Siege im vergangenen Jahr. - Foto: Weber

Patrick, Sie sind in diesem Jahr schon knapp 12 000 Kilometer gefahren. Kann man da überhaupt noch ein Fahrrad sehen

Patrick Haller: Jetzt kommt sowieso erst einmal eine Pause. Aber vom Radfahren habe ich noch nicht genug (lacht).

Patrick ist jetzt 16 Jahre alt. Wie weit waren Sie damals in seinem Alter Herr Haller?

Rolf Haller: Ich war ein Spätzünder und bin von meinem Bruder quasi mitgezogen worden. Denn ich hatte mich mehr aufs Eishockeyspielen konzentriert. Das Radfahren habe ich deshalb als Ausgleich in der Sommerpause gesehen. Mit 17 Jahren kam dann allerdings der Umschwung. Da habe ich entdeckt, dass ich beim Radsport etwas bewegen kann.

Und deshalb haben Sie auch versucht, diese Faszination an Patrick weiterzugeben?

Rolf Haller: Ja, ich war ja auch nach meiner aktiven Karriere noch mit dem Radsport verbunden. Außerdem ist die ganze Familie Rad gefahren. Patrick hat dann seine ersten Runden auf einem 20-Zoll-Rad gedreht. Es hat ihm Spaß bereitet. Dann haben wir bei Radrennen zugeschaut. Und irgendwann kam er selbst und wollte Rennen fahren. Die ersten Wettkämpfe hat er in der Region absolviert. Er hat gleich einige gewonnen. Nun sind wir praktisch jedes Wochenende irgendwo anders in Deutschland bei einem Rennen.

Dabei spielen doch viele Jungen mit 16 lieber Fußball. War das nie eine Alternative?

Patrick Haller: Nein. Ich habe mal drei Jahre lang Handball gespielt. Das wurde dann aber zu viel neben dem Radfahren und war dazu keine echte Alternative.

Und das, obwohl der Sport ja sehr gelitten hat in den letzten Jahren.

Rolf Haller: Klar, mit dem Thema Doping wird man auch heute noch ständig konfrontiert. Die Leute haben das einfach im Kopf: Radfahrer sind alle positiv. Doch das stimmt überhaupt nicht. Die Generation von Patrick geht sehr sensibilisiert damit um.

Was heißt das?

Rolf Haller: Zu meiner Zeit gab es für viele beispielsweise keine Alternative zum Radsport. Die Profis damals hatten häufig keine Ausbildung oder einen Beruf. Da war nichts, außer dem Radsport. Sie mussten alles auf eine Karte setzen und verschafften sich mit Doping einen Vorteil. Dieser Sog ist nicht mehr da.

Sondern?

Rolf Haller: Die Jungs heute sind so clever und bauen sich ein zweites Standbein auf. Sie wissen über die Konsequenzen Bescheid. Und haben eine Alternative, falls es mit dem Radsport nicht klappen sollte. Patrick beispielsweise erhält als C-Kader-Fahrer des BDR am Olympiastützpunkt in München von einem Laufbahnberater Tipps, über die Schule und den Radsport. Er wird mit seiner Zukunftsplanung nicht alleine gelassen. Das geht sogar so weit, dass er dort Unterstützung bei der Suche nach einem Beruf erhält. So einfach hatten wir es früher nicht. Wir mussten alles selber organisieren. Die Jungs heute sind rundum sorglos betreut.

Aber das schließt nicht aus, dass nicht gedopt wird.

Rolf Haller: Natürlich nicht. Allerdings sind die, die heute noch auffällig werden, einige wenige total Uneinsichtige. Denn die Jungs wachsen mit diesem Problem auf. Die haben eine ganz andere Einstellung. Deshalb habe ich ein gutes Gefühl. Wer es jetzt nicht packt, der hat eine berufliche Alternative zur Hand.

Patrick, Sie sind nun 16 Jahre alt und machen nächstes Jahr die mittlere Reife. Was wäre Ihre Alternative zum Radsport?

Patrick Haller: Darüber informiere ich mich gerade. Vermutlich besuche ich nach der mittleren Reife die Fachoberschule und mache mein Abitur. Nebenbei trainiere ich. Allerdings will ich mir ein zweites Standbein aufbauen, falls es nicht mit dem Radsport klappen sollte.

Momentan sieht es gut aus. Sie feierten in diesem Jahr 29 Siege. Was war der bedeutendste Erfolg?

Patrick Haller: Über zwei Rennen freue ich mich besonders. Zum einen ist das die deutsche Meisterschaft im Punktefahren. Zum Zweiten habe ich beim „Criterium Europeen des Jeunes“ die erste Etappe gewonnen. Das war ein Rennen mit der Nationalmannschaft und deshalb durfte ich sogar einen Tag lang das Gelbe Trikot des Führenden tragen.

Kann man 29 Siege nächstes Jahr überhaupt wiederholen?

Rolf Haller: Das glaube ich nicht. 2014 wird Patrick bei den U 19 in einem Bundesligateam starten. Die Mannschaft agiert international. In diesem Jahr konnte er die Rennen alleine entscheiden, ohne Hilfe. Nächstes Jahr ist er auch auf das Team angewiesen. Aber Patrick hat den Vorteil, dass er zurzeit der schnellste Sprinter auf der Straße ist.

Patrick Haller: Natürlich möchte ich wieder vorne mitfahren. Aber das wird schwerer, weil die Jungs teilweise zwei Jahre älter sind als ich.

Rolf Haller: Wobei beim letzten Rennen „Rund am Schloss“ in Bruchsal die U 17 und die U 19 zusammen gefahren sind. Da hätte Patrick sowohl bei den U 17 als auch bei den U 19 gewonnen. Daher mache ich mir vom Körperlichen keine Sorgen. Da wird der Sprung nicht so groß. Außerdem sagt man Patrick eine perfekte Rennübersicht nach. Das wird ihm bei den U 19 einige Vorteile bringen. Auf der anderen Seite gibt es für ihn im kommenden Jahr doch einige Neuerungen: In seinem Team wollen sicherlich mehrere junge Fahrer weit vorne landen.

Wo hat Patrick noch Entwicklungspotenzial?

Rolf Haller: Ein Rennfahrer entwickelt sich immer mit den Aufgaben. In diesem Jahr war Patrick der Beste zusammen mit Leo Appelt. Das ist ein Druck, der auf einem lastet. Schließlich muss er in den Rennen die Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen. Da hatte ich mit ihm die eine oder andere Diskussion. Denn das wird im Team im kommenden Jahr wichtig.

Wenn der Vater ein ehemaliger Profi war: Gibt es dann nicht zwangsläufig Meinungsverschiedenheiten?

Patrick Haller: Manchmal diskutieren wir schon nach den Rennen. Dann muss ich es das nächste Mal eben einfach besser machen.

Ist er streng?

Patrick Haller: Eigentlich nicht. Er sagt, was er denkt. Dadurch hilft er mir und macht mich besser.

Dazu könnten Sie für ihn eine Scharte auswetzen. Ihr Vater ist 1980 die Tour de France gefahren, stürzte dabei aber schwer und hat deshalb das Ziel nicht erreicht. Wie realistisch ist es, dass Sie einmal im Tour-Tross nach Paris fahren?

Patrick Haller: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Ich hoffe es aber. Das ist schon mein großes Ziel.

Rolf Haller: Man muss dabei immer eines sehen: Wer als Nachwuchsfahrer nicht sagt, dass er einmal an einer Weltmeisterschaft teilnehmen oder Tour de France fahren will, hat den notwendigen Ehrgeiz nicht. Die Tour ist einfach das größte Ereignis im Radsport. Ein junger Fußballspieler will ja auch in die Nationalmannschaft.