Neuburg
Das Lisa Wulff Quartett begeistert im Jazzclub

06.03.2022 | Stand 16.03.2022, 3:33 Uhr
Souveräne Musiker: Lisa Wulff am Kontrabass, Silvan Strauß am Schlagzeug, Frank Chastenier am Flügel und Saxofonist Gabriel Coburger (von links). −Foto: Leitner

Das Lisa Wulff Quartett hat im Birdland in Neuburg ein experimentierfreudiges Konzert geboten.

Da ist er wieder, dieser weiche, samtene und doch so markante und kraftvolle Ton des Kontrabasses, den nur ganz wenige Vertreter dieses Instruments so makellos hinbekommen. So wie zum Beispiel Lisa Wulff, die man zuletzt als Sidefrau in der Band des großen Rolf Kühn im Birdland bewundern konnte. Im vergangenen Jahr hatte sie ja - experimentierfreudig, wie sie es in ganz besonderem Maße ist, wenn sie einer eigenen Band vorsteht - das Album "Sense And Sensibility" vorgelegt, darauf erstmals als Sängerin reüssiert und dabei eine ganz hervorragende Figur abgegeben.

Überraschenderweise aber verfolgt sie diesen stilistischen Seitenweg beim erneuten Konzert im Birdland aber in keiner Weise weiter, sondern bevorzugt stattdessen den Weg zurück zur Hauptstraße ihrer Karriere und spielt nahezu ausschließlich Stücke des Vorgängeralbums "Beneath The Surface" von 2020. Was das Konzert nicht zu einer Enttäuschung macht, nein, ganz und gar nicht, aber doch erstaunlich ist.

"Beneath The Surface" also. "Unter der Oberfläche". Ja, dort brodelt es in musikalischer Hinsicht in der Tat recht heftig, dort liegen, zuerst recht gut abgeschirmt, aber doch bald deutlich seismografisch ortbare Magmamassen, die jederzeit und unerwartet ausbrechen könnten. Wenn sie das tun, sind dafür in erster Linie Gabriel Coburger (Tenor- und Sopransaxofon) und Silvan Strauß am Schlagzeug verantwortlich, denn sie stacheln immer wieder die Glut an, drängeln sich vor, wenn es gilt, die imaginäre Grenze zwischen Mainstream und Modern in den dafür vorgesehenen Kompositionen Wulffs zu ignorieren, neu zu definieren, den Weg am Grat zu verlassen und auszubrechen.

Es gibt feinsinnige, fast liebliche Melodien, zum Beispiel bei "Walking Distance" und "When I Took A Walk". Es gibt die Subtilität der wunderschönen Ballade "Throw Your Cap Over The Mill" über das Bauen von Luftschlössern, aber es gibt eben auch die eruptiven Ausbrüche, die wilden Eskapaden. Einerseits sind da die wohltuenden Grooves der Bandleaderin, die der absolut souveräne Frank Chastenier am Flügel so treffend kommentiert, andererseits wird die Sache durch die gelegentlichen Befreiungsschläge des agilen Drummers und des fintenreichen Saxofonisten erst so richtig spannend.

Bei "Columbus" und "M.B. Ride" kommt schließlich der Sopranbass zum Einsatz, eine im Vergleich zum herkömmlichen Bass um eine Oktave höher gestimmte, elektrisch verstärkte Variante in Form einer Gitarre, die man bislang eher mit Jaco Pastorius und Stanley Clarke in Verbindung brachte als mit Lisa Wulff. Dass diese beiden Stücke wegen ihres im Vergleich zum Restprogramm veränderten, kraftvolleren Sounds ein wenig in Richtung Fusion tendieren, verwundert nicht.

Auch die Zugabe, in der wie mit einem Dimmer ständig die Geschwindigkeit erhöht und gleich darauf wieder abgesenkt wird, passt zum Konzept, für das Lisa Wulff derzeit steht. Ganz gleich, ob sie nun singt oder nicht, ein Konzept, in dem Berührungsängste schlichtweg keine Rolle zu spielen scheinen.

DK