"Das ist organisierte Kriminalität"

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Polizeigewerkschafts-Vize Radek spricht im Interview über Diebstähle in Zügen und Bahnhöfen.

Herr Radek, die Zahl der Taschen- und Gepäckdiebstähle auf Bahnhöfen und in Zügen steigt deutlich. Wo liegen die Gründe für diese Entwicklung?

Jörg Radek: Wir beobachten diese Entwicklung schon seit mehreren Jahren. Die Diebstähle in Zügen und an Bahnhöfen haben dramatisch zugenommen. Man darf dabei nicht vergessen, dass diese Zahlen nur einen Teil der Realität wiedergeben. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Wenn man bedenkt, dass sich die Bundespolizei aus dem Kampf gegen Kriminalität an Bahnhöfen weitgehend zurückgezogen hat und ihren Aufgabenschwerpunkt im Moment an der deutsch-österreichischen Grenze hat, sind die aktuellen Zahlen ebenfalls bemerkenswert.

 

Was wissen die Ermittler über die Täter?

Radek: Taschen- und Gepäckdiebstähle gehen häufig auf das Konto von Banden. Das ist organisierte Kriminalität. Meistens sind es mindestens drei Täter. Die Tricks sind immer gleich: Einer lenkt das Opfer ab, einer behält das Geschehen im Blick, und der nächste greift zu. Wir greifen meist nur die "kleinen Fische" auf. Die Hintermänner bleiben oft unentdeckt. Häufig kommen diese Banden aus Rumänien, Bulgarien und anderen Balkanländern.

 

Ist es nicht fatal, wenn der Eindruck entsteht, Polizei und Bahn sind dagegen machtlos?

Radek: Natürlich brauchen wir mehr Personal. Bahnhöfe dürfen sich nicht zu Angsträumen entwickeln. Um diese Delikte besser aufklären zu können, brauchen wir die notwendige Technik mit Videoüberwachung und Vernetzung. Es reicht nicht, nur die Bahnsteigkante mit Kameras zu überwachen. Der gesamte Bahnhof muss in den Blick genommen werden. Innerhalb der Züge brauchen wir mehr Präsenz von Sicherheitspersonal und ebenfalls Videoüberwachung. Wenn wir hier gezielter arbeiten, können wir die Täter am nächsten Bahnhof festnehmen.

 

Oft heißt es, würden nur die Personalien festgestellt und die mutmaßlichen Täter dann wieder freigelassen. Müssen die gesetzlichen Sanktionen verschärft werden?

Radek: Wir brauchen keine schärferen Gesetze. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Staatsanwaltschaften erkennen, wenn es sich um Intensivtäter handelt. So, wie die Justiz aufgestellt ist, schließt sie die polizeiliche Arbeit selten erfolgreich ab. Es ist höchste Zeit, dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden. So kommen wir zu einer konsequenten und schnelleren Bestrafung der Täter. Viele neigen dazu, Taschendiebstähle als Bagatelldelikte zu verniedlichen. Für die Betroffenen stellt sich das völlig anders da: Allein das Beschaffen neuer Ausweispapiere ist ein riesiges Ärgernis.

 

Wird die Bahn eigentlich ihrer Verantwortung gerecht?

Radek: Alle Beteiligten - ob nun die Bundespolizei oder die Konzernsicherheit der Bahn - tun alles, um Sicherheit herzustellen. Leider ist in den letzten Jahren aus dem Blick geraten, wie wichtig die Sicherheit auf Bahnhöfen und Zügen für die Alltagswahrnehmung der Bürger ist. Heute haben wir für die Sicherheit bei der Bahn noch 5000 Kollegen im Einsatz.

 

Jörg Radek ist Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Fragen stellte Rasmus Buchsteiner.

Foto: Burgi/dpa