Radersdorf
Das Glück der Reymann-Pferde

17.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:24 Uhr

Schmusen mit den Pferden: Bettina Reymann redet viel mit ihren Lieblingen: "Sie sind sehr gute Freunde der Menschen." - Foto: Alfred Haas

Radersdorf (SZ) "Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde." Zumindest Bettina Reymann ist davon überzeugt. Zusammen mit ihrer Familie züchtet die 27-Jährige auf ihrer Ranch "El Rey" in Radersdorf Pferde. Aber nicht irgendwelche Pferde. Es müssen schon Paso Finos sein.

In vielen Mädchenzimmern stehen Pferdegeschichten im Bücherregal, Posters von Fury oder Black Beauty schmücken die Wände. Bei den meisten bleibt es dabei, bis sie dem Teeniealter entwachsen sind. Bei Bettina Reymann ist das anders. Sie hat, im wahrsten Sinne des Wortes, Stallgeruch geschnuppert – und ist ihn nicht mehr los geworden.

Als Bettina acht Jahre alt war, verschlug es die Familie nach Bogota in Kolumbien. Es dauert nicht lange, dann hat Bettina ihr eigenes Pferd: Fosfortio. Bis es wieder zurück nach Deutschland ging, hatte sich eine kleine Herde von etwa 20 Pferden angesammelt. 1994 kam die Familie in Radersdorf an und kaufte den Hof, der direkt am Bahnhof liegt. Die Familie hatte sich allerdings stark vergrößert: Chango, Dilema, Natalie, Canonera und deren Fohlen Lina waren dazu gekommen. Sie bildeten den Zuchtstamm für die weitere Entwicklung.

Worte statt Peitsche

Ein sonniger Novembertag auf der Ranch el Rey: Gegen 14.30 Uhr kommt Bettina Reymann nach Hause. Sie studiert Tiermedizin an der Uni in München. Flott führt sie ihr erster Weg zu den Koppeln. Eine ist schon abgegrast und matschig, die zehn Stuten müssen auf eine frische Koppel getrieben werden. Die 27-Jährige macht das energisch, aber ohne Peitsche, nur mit Worten und Armbewegungen. Die Tiere folgen brav. Die Hengste Chango und Dilema sind abgetrennt. Auch sie bekommen ein liebes Wort und einen leichten Stupser auf die Schnauze. Bettina lacht dabei verliebt.

Bettina und ihre Mutter Tanya Reymann sitzen am Küchentisch und erzählen freimütig ihre Geschichte. "Nach unserer Rückkehr ist die Zucht ein wenig eingeschlafen. Erst 2006 haben wir sie wieder zum Leben erweckt", sagt die junge Züchterin. Die Zeit blieb freilich nicht stehen. Bettina machte zwischendurch eine Lehre zur Tierarzthelferin, was ihr in der Zucht und im Studium der Tiermedizin nur zu Gute kommt. Bettina Reymann liebt die Paso Finos alle. Ihr Held ist allerdings Dilema. "Dilema del Ocho" ist der vollständige Name des Hengstes. "Ocho heißt auf Spanisch acht", schmunzelt sie. Die Acht, das ist das Brandzeichen, das Dilema an der Schulter eingebrannt ist.

Dilema und Chango sind die Herren auf der Ranch el Rey. Sie sind die Väter der neuen Generation. 2008 erblicken drei Stuten das Licht der Welt. Effecto Mariposa (auf deutsch "Schmetterlingseffekt") ist die Tochter von Dilema und Canonera. Canonera, das Kanonenweib. So wird sie genannt, weil sie die Schnellste auf der Ranch ist. Emilia del Rey ist die Tochter von Dilema und Andalucia. Chango und Natalia sind die Eltern von Emira. Alle drei Fohlen sollen verkauft werden. Aber erst, wenn sie richtig zugeritten sind. "Da kann man viel falsch machen." Frühestens in vier bis fünf Jahren muss der Nachwuchs den heimischen Stall verlassen.

Pferde züchten, geht das wirklich so einfach, wie es sich anhört? "Nicht ganz. Das nötige Wissen habe ich mir in Seminaren bei großen Züchtern geholt", sagt Bettina. Die Mutter ergänzt: "Den Pferden muss es gut gehen, das ist das Wichtigste. Sie brauchen genügend Auslauf, Wasser und Futter. Sie sollen nicht alleine sein, sie sind Herdentiere." Außerdem wird viel mit den Pferden geredet, und manchmal bekommen sie auch etwas ins Ohr geflüstert. Das beruhigt und die Tiere fühlen sich wohl. "Pferde sind gute Zuhörer", weiß Tanya Reymann.

4000 bis 5000 Euro bringt ein Fohlen, wenn es verkauft wird. Davon kann man freilich nicht leben. "Wir machen das auch nicht wegen des Geldes", meinen Mutter und Tochter unisono. "Das ist unser Hobby." Um die Ranch am Leben erhalten zu können, müssen alle fest zusammen halten. Tanya Reymann ist Spanisch-Dozentin an der Volkshochschule und Lehrerin an einer Realschule in Augsburg. Bruder Walter arbeitet am Flughafen und Bettina bessert die Kasse auf, indem sie neben ihrem Studium auch noch als Tierarzthelferin in einer Kleintierklinik arbeitet. Zudem hilft Albert Riedl, der Lebensgefährte von Tanya Reymann, fleißig mit. Das ist auch nötig. Für Futter, Tierarztkosten und dergleichen mehr fallen locker 500 Euro monatliche Kosten an. Bereits früh morgens heißt es raus aus den Federn. Die Porto Finos wollen verpflegt werden. Füttern, den Stall ausmisten und die Pferde auf die Koppel bringen machen den Rancheros nicht so viel aus.

Arbeit, die Spaß macht

Im Sommer bleiben die Pferde ohnehin über Nacht auf der Koppel. Im Winter werden sie gegen 18 Uhr "mehr oder weniger ins Bett gebracht", lacht Bettina. "Zäune aufstellen und reparieren, die Koppeln in Ordnung halten sowie alles winterfest zu machen bereitet den größten Aufwand", erklärt die 27-Jährige und fügt sogleich hinzu: "Aber es ist eigentlich keine Arbeit, weil es großen Spaß macht."

Warum müssen es ausgerechnet Paso Finos sein? "Mit dieser Rasse haben wir uns schon in Kolumbien beschäftigt. Man sitzt recht gemütlich auf ihnen, fast wie auf dem Sofa", erklärt Bettina Reymann. Nicht umsonst heißt paso fino "feiner Gang."

Alle in der Familie Reymann sind ausgezeichnete Reiter. Und wenn sich Bettina Reymann auf Dilema schwingt, dann tut sie das immer ohne Sporen und Trense, oft auch ohne Sattel. Gelenkt wird er nur mit Stimme und Gewichtsverlagerung. Aber: "Wenn der Hengst meint er muss aufmucken, dann habe ich die Peitsche dabei – zu meinem eigenen Schutz." Gebraucht wird sie nur sehr, sehr selten. Schließlich sitzt man ja auf einem Paso Fino wie auf einem Sofa.