Pfaffenhofener Werk
Daiichi Sankyo stellt sich neu auf - insbesondere für neuartige Krebsmedikamente

25.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:27 Uhr |
Die aufwendigen Gründungsarbeiten sind abgeschlossen und erste Wände werden betoniert: Werksleiter Matthias Kühn (von links) und Projektleiter Florian Baumann begutachten die Baustelle des neuen Daiichi-Sankyo-Laborgebäudes an der Ingolstädter Straße. − Foto: Kraus

Pfaffenhofen - Weithin sichtbar ist die Großbaustelle am Pfaffenhofener Werk des Pharmakonzerns Daiichi Sankyo: Während vorne langsam der neue Labortrakt in die Höhe wächst, laufen an der Rückseite die Bauarbeiten für das neue Produktionsgebäude F4. Über 200 Millionen Euro nimmt der Konzern in die Hand.

"Wir investieren in die Zukunft: Die ältesten Gebäude am Standort in Pfaffenhofen sind über 50 Jahre alt und dieses Alter werden die neuen auch erreichen", fasst Martin Hesse, Head of Corporate Division bei Daiichi Sankyo Europe, zusammen. "Ausgestattet werden die nagelneue Gebäude mit modernsten Prozess- und Analyseequipment." Mit neuen Produktionskapazitäten für Flüssigstoffe will sich der Pharmakonzern in Pfaffenhofen neu aufstellen - insbesondere für neuartige Krebsmedikamente. Trotz der dafür notwendigen Investitionen in Kühllagerung, Sterilfertigung und Gefriertrocknung soll auch das bisherige Kerngeschäft der Feststoffproduktion weiterlaufen: "Tabletten werden uns noch weiter begleiten", versichert Werksleiter Matthias Kühn. Neben Olmesartan werden dabei Lixiana und Nilemdo/Nustendi eine größere Rolle spielen (siehe unten). "Das sind aktuell die drei Produkte, auf die wir uns fokussieren."

Seit Mai 2021 laufen nun jedenfalls die Arbeiten an den ersten drei von vier Ausbauschritten: Als kleinstes Projekt ist in der Werksmitte der Umbau der bisherigen Luivac-Produktionsstätte zu einem Gebäude für Biotechnologie fast abgeschlossen. Die Fertigstellung ist binnen acht Wochen angepeilt. In dem Gebäude sollen künftig Plasmide hergestellt werden.

Teile der Bodenplatte und erste Wände zeigen bereits die Dimensionen des neuen sechsgeschossigen Laborgebäudes: Mit 2000 Quadratmetern Grundfläche entlang der Ingolstädter Straße und 27 Metern Höhe wird es die Ansicht des Werks künftig prägen. Die Vorarbeiten waren wegen des lehmigen Bodens komplex: Fast 560 Betonsäulen mussten für das Fundament in den Boden gepresst werden. "Und es gab viele Versorgungsleitungen, die wir umlegen mussten, um das Baufeld überhaupt freizubekommen", berichtet Projektleiter Florian Baumann. Im November soll der Gebäudekomplex fertig sein und nach dem Innenausbau Mitte 2023 den Betrieb aufnehmen.

Die dritte Baustelle für das neue Produktionsgebäude als Herzstück ist von außen kaum einsehbar: Der viergeschossige Neubau schmiegt sich im hinteren Werksbereich zwischen das Hochlager, die Tablettenverpackung und die Hügelkuppe. Und in diesen beengten Verhältnissen wird seit bald einem Dreivierteljahr die 16 Meter tiefe Baugrube ausgehoben und gesichert. Doch im Laufe des Jahres soll es jetzt Schlag auf Schlag gehen - allerdings wird das Gebäude nicht von unten nach oben errichtet, sondern von hinten nach vorne: "Rippe für Rippe über alle Etagen", so Kühn.

"In das Gebäude kommt extrem viel Technik", sagt Projektleiter Wolfgang Bayer. Bis 2026 wird es noch dauern, bis die Abfüllung und Gefriertrocknung im Obergeschossen des neuen Produktionsgebäudes den Betrieb aufnehmen kann. Die Kühllagerung im Keller und die Verpackung im Erdgeschoss sollen hingegen 2023 starten.

80 zusätzliche Arbeitsplätze sollen im Zuge der Werkserweiterung entstehen. Zusammen mit den Mitarbeitern der Entwicklungsabteilung sowie der zu Stada gehörigen Mobilat-Produktionsgesellschaft würden damit fast 650 Menschen im Werk arbeiten.

Aktuelle und künftige Medikamente "made in Pfaffenhofen"

Pfaffenhofen Beim Namen Daiichi Sankyo denkt man an Arzneistoffe wie den Cholesterinhemmer Pravastatin (Handelsname "Mevalotin"), den Betablocker Metoprolol ("Lopresor") oder "Luivac" zur Vorbeugung von Atemwegserkrankungen. Doch die große Erfolgsgeschichte des Pfaffenhofen Werks und sein Aufstieg zum größten Entwicklungs- und Produktionsstandort des Konzerns außerhalb Japans war in den vergangen zwei Jahrzehnten vor allem mit einem pharmazeutischen Wirkstoff verbunden: Olmesartan. Für diesen vielversprechenden Blutdrucksenker investierte das Pharmaunternehmen 2007 rund zehn Millionen Euro in das neue Fertigungsgebäude für die Tablettenproduktion. Daiichi Sankyo hat neben dem Monopräparat, bekannt unter dem Handelsnamen "Olmetec", auch verschiedene Kombinationen mit anderen Wirkstoffen wie Hydrochlorotiazid oder Amlodipin auf den Markt gebracht. Jahrelang war Olmesartan das wichtigste Produkt aus Pfaffenhofen: Von hier aus wurden gut 80 Prozent des Weltmarkts versorgt. Doch 2017 ist der Patentschutz ausgelaufen - und Generikahersteller haben seither eigene, günstigere Präparate auf den Markt gebracht. Die Preise und Nachfrage sinken - und mit ihnen die Gewinne. Die Produktion von Olmesartan hat sich in den vergangenen Jahren auf eine Milliarde Tabletten pro Jahr halbiert.

Solche Produktverläufe seien in der Pharmabranche normal, erklärt Daiichi-Sankyo-Manager Martin Hesse: In den ersten Jahren bis zur Zulassung erwirtschafte man mit neuen Medikamenten zunächst Verluste. Dann kommt eine Phase ansteigender Gewinnen - ehe der Patentschutz ausläuft und die Gewinne wieder sinken.

Ist dieser Moment erreicht, ist im Optimalfall das nächste entwickelte Medikament bereits in der Gewinnzone - damit zwischen den wirtschaftlichen Zyklen der Produkte keine Lücke aufklafft. Im Falle des Daiichi-Sankyo-Standorts Pfaffenhofens ist das der Blutgerinnungshemmer Edoxaban ("Lixiana"), der noch unter Patentschutz steht. 600 Millionen Tabletten haben im vergangenen Jahr das Werk verlassen. "Wir wachsen hier in verschiedenen Märkten noch", so Werksleiter Matthias Kühn. Und auch für Olmesartan gebe es noch Produktionsaufträge.

Ein drittes Medikament, das in Pfaffenhofen in Tablettenform hergestellt werden könnte, ist trotzdem schon in Planung: der neuartige Lipid-Senker Bempedoinsäure. Unter den Handelsnamen "Nilemdo" und "Nustendi" wird das Medikament bereits in Pfaffenhofen verpackt. In den kommenden Jahren gibt es eventuell auch die Möglichkeit, die Tabletten am Standort herzustellen - aktuell Großteiles für den deutschen Markt und später auch für weitere europäische Märkte.

Neben den Tabletten schaffen die laufenden Investitionen die Möglichkeit, dass in Pfaffenhofen auch flüssige Medikamente in Stechampullen hergestellt werden. Wie berichtet, geht es dabei um neuartige Krebsmedikamente aus der Klasse der Antikörper-Wirkstoffkonjugate (ADC). Bislang wird das neuartige Brustkrebsmedikament "Enhertu" in Pfaffenhofen nur verpackt. Nachfolgemedikamente für Darm- oder Magenkrebs sollen frühestens ab 2026 auch hier hergestellt werden. "Unsere Forschungsabteilung arbeitet schon jetzt an dem, was wir in fünf oder sechs Jahren herstellen werden", so der Werksleiter. Bis dahin wird mit der Inbetriebnahme der Neubauten im Sommer 2023 bereits die Lagerung, Verpackung und Auslieferung möglich sein. "Wir sind das Dispositionszentrum für Deutschland und Europa", kündigt Kühn an.

PK

Michael Kraus

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