Scheyern
"Da kriege ich immer noch Gänsehaut"

Trainer Jürgen Schlemmer verlässt den ST Scheyern und blickt auf ereignisreiche sechs Jahre zurück

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr |

Er räumt seinen Platz: Jürgen Schlemmer verlässt nach sechs Jahren den ST Scheyern. - Foto: Reichelt

Scheyern (PK) Sechs Jahre lang war er der starke Mann beim ST Scheyern, nun verlässt Jürgen Schlemmer den Verein. Zwar mit einem Abstieg zum Abschluss, aber mit vielen schönen Erinnerungen. Im Interview verrät der Trainer, was er mit seiner Freizeit nun anfängt und übt auch Kritik am BFV. Seinem Nachfolger Philipp Testera und der Mannschaft traut der 38-Jährige die Rückkehr in die Bezirksliga zu.

Herr Schlemmer, vergangenes Wochenende ist für Sie und den ST Scheyern mit dem Scheitern in der Relegation die Saison zu Ende gegangen. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Jürgen Schlemmer: Ich denke, wir sind in der Vorrunde unter Wert geschlagen worden. Wir hatten vor allem viele Verletzte in dieser Zeit. Das hat auch mit der schlecht geplanten Relegation zwischen der Kreisliga und der Bezirksliga zu tun. Als Kreisligist hat man nach einer solchen Relegation eine Woche Urlaub und nur drei Wochen Vorbereitungszeit. Das ist eigentlich ein Unding. Da haben wir viele Verletzte rausgezogen, das war eine kräftezehrende Zeit. Als wir dann im September fünf Spiele in Folge verloren haben, ging auch mal die Lust verloren. Dazu kommt ja, dass die Jungs auch mal in den Urlaub fahren wollen, und das kann ich niemandem verbieten. In der Rückrunde hat man dann gesehen, was möglich gewesen wäre. Es wäre trotzdem eng geworden, das steht außer Frage. Aber die Chancen wären besser gewesen. Wir haben fünf Jahre lang auf diese Chance hingearbeitet. Was die Mannschaft in der Rückrunde mental und charakterlich gezeigt hat, war einmalig.

 

Wäre es denn keine Überlegung gewesen, den Kader breiter zu gestalten?

Schlemmer: Das ist schwierig. Ein Beispiel: Im letzten Heimspiel musste ich schon zwei Spieler streichen, weil ja nur 18 auf dem Bogen stehen dürfen. Wir haben mit mehr als 20 Spielern einen breiten Kader, aber wir hatten eben auch mit den Urlaubern und zeitweise acht Verletzten viele Ausfälle. In der Sommerpause zu reagieren ist außerdem sehr schwer. Grundsätzlich hätte der Kader gereicht.

 

Zur Winterpause war der STS zehn Punkte hinter dem Relegationsrang gelegen. Was ist in der Rückrunde passiert?

Schlemmer: Wir haben uns gefangen, beispielsweise haben wir weniger Gegentore kassiert. Das lag auch daran, dass wir mehrmals die gleiche Abwehr am Stück aufbieten konnten, das ist eben für die gewisse Abstimmung auch wichtig. Wenn ich mir die Vorrunde anschaue, dann haben wir da teilweise von einem Spiel zum anderen sechs Spieler austauschen müssen. Zudem hatten wir im Winter eben eine richtige Vorbereitung. Das waren sechs Wochen, zudem waren wir im Trainingslager. Das spiegelt sich auf dem Platz wieder. Da kommen taktische Abläufe besser zum Tragen, auch unser Spiel über außen hat sich verbessert. In der Vorbereitung vor der Saison war es aufgrund der Zeit eigentlich nur wichtig, fit zu werden.

 

Was wäre Ihrer Meinung nach eine gute Lösung für diese kurze Pause?

Schlemmer: Es kann doch nicht sein, dass die Bezirksliga mit zwei Teams mehr als die Kreisliga Wochen vorher fertig ist. Das muss regulierbar sein, zur Not auch mit englischen Wochen. Ich habe das schon einmal angeprangert, dabei bleibe ich auch.

 

Jetzt ist Ihre Zeit beim STS zu Ende gegangen, leider mit dem Abstieg in die Kreisliga nach der Relegation. Wie sehen Sie diese Jahre im Rückblick?

Schlemmer: Ich habe es der Mannschaft direkt nach dem Duell gesagt. Im Hinspiel waren wir vielleicht zu ängstlich, aber im Rückspiel muss sich niemand einen Vorwurf machen. Mit Niederlagen muss man umgehen können, das muss man auch lernen. Für die Spieler ist das eine wichtige Erfahrung. Die Mannschaft wird aber wiederkommen. Alles in allem waren es sechs supertolle Jahre. Für meine Frau, mein Kind und mich ist der Verein auch ein Stück Heimat geworden. Auch wenn der TSV Rohrbach, bei dem ich 18 Jahre gespielt habe, mein Heimatverein bleibt. In Scheyern sind wir jedes Jahr besser geworden, haben immer Fortschritte gemacht - wenn auch nur kleine. Dass es mit dem Abstieg endet, ist schade, aber der Verein kann, glaube ich, damit leben, es ist kein Beinbruch. Der Kader bricht nicht auseinander, das Mannschaftsgefüge bleibt ja bestehen.

 

Wie werden Sie nun die Zeit ohne den Fußball nutzen?

Schlemmer: Viele lachen immer, aber natürlich ist das ein stressiger Job. Ich habe das jetzt neun Jahre am Stück gemacht, zuletzt mit drei Relegationen hintereinander. Das ist kräfteraubend. Da ist man platt und leer. Also nicht so, dass es mir schlecht geht, aber es ist eben auch schön, sich keine Gedanken machen zu müssen. Ich bin ja selbstständig und trotzdem habe ich schon morgens immer nur an Fußball gedacht und alles geplant. Ich merke schon jetzt in den wenigen Tagen, dass die Gedanken viel mehr bei der Arbeit und der Familie sind. Es ist auch schön, dem Kind zu sagen, dass Papa heute nicht ins Training gehen muss. Der Fußball wird mir irgendwann schon einmal abgehen, wahrscheinlich in ein paar Monaten. Momentan fange ich erst richtig an, an die ganzen Jahre zu denken. Ein bisschen Wehmut kommt erst Tage später. Ich bin dankbar, dass ich so lange bleiben durfte, das ist nicht selbstverständlich. Nun liegt der Fokus auf Frau, Kind und dem Hausbau. Aber sicher werde ich auch mal in Scheyern ein Spiel schauen oder endlich mal wieder in Rohrbach. Oder ein Bundesliga-Spiel, die Zeit habe ich ja jetzt. Und wenn eine reizvolle Aufgabe kommen sollte, dann wird man mich sicherlich auch irgendwann wieder auf dem Fußballplatz sehen.

 

Wenn Sie an die sechs Jahre zurückdenken, was war das größte Höhepunkt?

Schlemmer: Die Relegation im vergangenen Jahr war das Highlight. Schon die erste Relegation vor zwei Jahren war großartig, aber der Höhepunkt waren dann die beiden Duelle gegen den FSV Pfaffenhofen im vergangenen Jahr. Das hat gar nichts mit dem FSV direkt zu tun, sondern vielmehr mit der Kulisse. Vor 1500 Zuschauern zu spielen, war der Wahnsinn. Das ganze Drumherum war besonders. Auch jetzt in Otttobrunn, als die Jungs enttäuscht waren, haben die Fans uns nach dem Spiel noch 30 Minuten lang gefeiert. Welche Mannschaft wird schon nach dem Abstieg bejubelt? Allein wenn ich jetzt daran denke, da kriege ich immer noch Gänsehaut. Wir haben bis nachts zusammen gefeiert.

 

Nun übernimmt Philipp Testera das Team. Was kann man vom STS erwarten?

Schlemmer: Ich traue der Mannschaft zu, dass der Wiederaufstieg gelingt. Allerdings muss das Team dazu umsetzen, was es in der Bezirksliga gelernt hat. Wenn jemand denkt, dass es einfach ist, weil man jetzt Bezirksliga gespielt hat, ist das falsch. Die Mannschaft muss das höhere Tempo umsetzen. Es ist ein hartes Stück Arbeit, es läuft nicht alleine. Philipp kenne ich gut, er ist ein guter Trainer - taktisch sowie auch im Umgang. Die Mannschaft hat ihn auch vorgeschlagen, das spricht für ihn.

 

Das Gespräch führte Kevin Reichelt.

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