Fallen wegen der Coronakrise sogar Abiturprüfungen aus? Die Kultusministerkonferenz schließt das nicht aus. Bisher ist in einigen Ländern nur die Rede von Verschiebungen.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) hält angesichts der Schulschließungen wegen der Coronakrise auch einen Ausfall von Abiturprüfungen für möglich.
„Wir hoffen, dass die ursprünglich geplanten Termine gehalten werden können. Trotzdem bereiten wir uns auf eine mögliche Verschiebung oder sogar den Ausfall von schriftlichen oder mündlichen Prüfungen vor“, sagte sie nach Beratungen des KMK-Präsidiums.
Nach Mecklenburg-Vorpommern am Dienstag hatte am Mittwoch auch Bayern angekündigt, wegen der derzeitigen Schulschließungen in der Coronakrise die Abiturprüfungen zu verschieben. Der Beginn der Prüfungen im Freistaat soll vom 30. April auf den 20. Mai 2020 verlegt werden, um den Schülern nach dem erhofften Ende der Schulschließungen genug Vorbereitungszeit zu geben. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg wollen Verschiebungen ebenfalls prüfen. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte, man sei „in Abstimmung mit der Ländergemeinschaft“. In anderen Ländern, wie Sachsen, waren vorerst keine Terminänderungen geplant.
Für Bildung und Schulen sind die Bundesländer in Deutschland selbst zuständig. Einige Prüfungstermine beim Abitur werden allerdings gemeinschaftlich festgelegt: Nach bisherigen Plänen sollte in den meisten Bundesländern das Deutsch-Abitur am 30. April und das in Mathematik am 5. Mai geschrieben werden. Zudem waren weitere zentrale Termine für Englisch (24. April und 8. Mai) und Französisch (28. April und 11. Mai) vorgesehen. Für diese Prüfungen nutzen die Länder Abituraufgaben aus einem gemeinsamen Aufgabenpool.
Eine möglichst einheitliche Regelung sei jetzt, nachdem einzelne Länder „vorgeprescht“ seien, leider nicht mehr möglich, sagte Hubig. Angestrebt sei nun, dass sich Länder in Gruppen zusammenschließen und die Prüfungen jeweils an gemeinsamen Terminen schreiben. Die KMK-Präsidentin wiederholte noch einmal, was die Länder zuletzt vereinbart hatten: „Keinem Schüler, keiner Schülerin soll aus der derzeitigen Situation ein Nachteil erwachsen. Das Abitur 2020 wird unter den Ländern gegenseitig anerkannt.“
Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, sagte, es gebe über den zentralen Abiturprüfungspool hinaus glücklicherweise Ersatzklausurfragestellungen in den Landesministerien, die nun flexibel eingesetzt werden könnten. „Wie gut, dass wir kein Bundeszentralabitur haben! Denn: Zwei Drittel der Abiturnote ist bereits erbracht durch die Leistungen der Schüler aus den vergangenen zwei Jahren der gymnasialen Oberstufe.“ Deshalb sei man nun nicht an absolut festgelegte Zeitpunkte gebunden.
Sie gehe außerdem davon aus, dass sich die jetzigen Abiturienten keine Sorgen über ihre Zulassung zum Studium machen müssten. Die Kultusministerkonferenz stehe in engem Austausch mit den Wissenschaftsministerien der Länder. „Hier kann und wird für zeitlich flexible Zulassungstermine gesorgt werden.“
Der Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Jens-Peter Gaul, sagte, für den Studieneinstieg werde viel von den Lösungen für die Abiturprüfungen abhängen. „Die Betroffenen brauchen im Moment etwas Geduld, aber sie dürfen zuversichtlich sein, dass alles eben Machbare getan wird, damit sie möglichst wenig unter der Situation zu leiden haben.“
Mit Blick auf geplante Prüfungen für Studentinnen und Studenten an den Hochschulen sagte Gaul, es würden Lösungen gefunden, „die nach aller Möglichkeit Chancengerechtigkeit für alle Betroffenen wahren und den Zeitverlust gering halten“. Die Hochschulen entwickelten Ausnahmeregelungen und Alternativen zu den üblichen Prüfungsformaten, womöglich auch digitale. Auch der Betrieb von Universitäten liegt zur Zeit lahm.
Von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hieß es: „Wenn es bei Abschlussprüfungen zu Verzögerungen kommt, zeigen Arbeitgeber sicherlich nicht zuletzt im eigenen Interesse und angesichts vieler unbesetzter Ausbildungsplätze noch mehr Flexibilität als bisher: Der Großteil der Ausbildungen startet im Herbst, viele aber erfahrungsgemäß auch in den Folgemonaten bis in den Januar hinein.“
Wegen der Coronavirus-Krise werden auch bei mittleren Schulabschlüssen Prüfungen verschoben. Geplant ist das bisher etwa in Berlin, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso gibt es Veränderungen bei Azubis. Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) kündigten am Mittwoch an, die Azubi-Zwischenprüfung für Frühjahr 2020 ersatzlos zu streichen. Für die knapp 90.000 betroffenen Prüflinge bestehe keine Nachholpflicht, hieß es. Abschlussprüfungen wurden bereits abgesagt. Dafür würden neue Termine bekanntgeben, sobald sich die Risikoeinschätzung rund um das Coronavirus wieder verbessert habe.
dpa
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