Bulle Egner sorgt nun für den Arterhalt

13.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:35 Uhr

Wisentherde im herbstlichen Donaumoos. Der schöne Bestand ist auf 28 Tiere angewachsen. Die Zucht wird planmäßig fortgesetzt. Zu den zehn Hektar Weidefläche sollen weitere 40 hinzukommen. Doch bislang steht auf Landkreisseite die Finanzierung noch nicht.

Kleinhohenried (DK) Die Wisentzucht in Kleinhohenried kann fortgesetzt werden. Am Montagabend traf der dreijährige Bulle Egner aus dem nordrheinwestfälischen Hardehausen in dem weitläufigen Gehege am Haus im Moos ein.

Auf die männliche Führung muss die 27-köpfige Herde allerdings noch warten, denn Egner befindet sich in Quarantäne. Als er in Hardehausen für die Verladung in einen Spezialtransporter betäubt wurde, wurde ihm auch etwas Blut zur veterinärmedizinischen Analyse entnommen. Auf diese Werte wartet Amtstierarzt Johannes Riedl noch. Ist alles okay, darf Egner endlich auf die herbstliche Weide. Läuft dort alles gut, hat er fünf Jahre im Donaumoos vor sich, in denen er seine Gene weitergeben und die Herde vergrößern wird. Was danach mit ihm geschieht, steht in den Sternen.

Sein Vorgänger Nox hat es gut getroffen. Nachdem er sich als Zuchttier in Kleinhohenried bewährt hat, profitierte er von der Partnerschaft mit dem Saale-Orla-Kreis in Thüringen. In einer aufwändigen Aktion wurde er von Veterinär Johannes Riedl betäubt, und nach Ranis verfrachtet. Gemeinsam mit Daffra, ihrem Kalb und einer weiteren Kuh wird er dort zwischen Burg Ranis und Schloss Brandenstein für den Fortbestand seiner bedrohten Art sorgen.

Im Donaumoos kann man gelassen in die Zukunft blicken. Mit dem Nachwuchs im kommenden Jahr dürfte es wahrscheinlich noch nicht klappen, aber das kommt nicht ungelegen, denn die zehn Hektar, auf denen inklusive Egner 28 Wisente grasen, sind ohnehin schon überweidet. Künftig sollen weitere 40 Hektar hinzukommen. "Dafür brauchen wir aber zuerst ein vernünftiges Finanzierungskonzept", sagt Landratsamt-Pressesprecher Willi Riß. Das Gelände befindet sich zwar im Eigentum des Landkreises und die Wisente vermehren sich von ganz allein, aber die Zäunung, die die mächtigen Wildrinder umgibt, von denen Rekordbullen bis zu 20 Zentner auf die Waage bringen, ist teuer. Derzeit kostet die Wisenthaltung im Donaumoos zwischen 10 000 und 12 000 Euro jährlich.

Wissenschaft schaut zu

Die Wiederkäuer auf den Weiden in Kleinhohenried grasen auch nicht für den Profit, sondern halten das donaumoostypische Gelände von Verbuschung frei, vermehren sich ganz im Sinne des Artenschutzes und werden seit Anfang Juli wissenschaftlich observiert. Die Doktorandin Julia Poettinger vom Institut für Tierschutz und Verhaltenskunde der Ludwig-Maximilian-Universität beobachtet die Herde seit Juli. Auf einem komfortablen Ansitz hält sie täglich von 8 bis 16 Uhr minutiös alle Bewegungen und Verhaltensweisen der Tiere fest. Im Wochenturnus lässt sie diese Aufmerksamkeit auch den Heckrindern in Sandizell angedeihen. Heckrinder sind der züchterische Versuch, den ausgestorbenen Auerochsen wiedererstehen zu lassen.

Inzwischen kennt die junge Pfaffenhofener Wissenschaftlerin jede Kuh und jedes Kalb auf der Weide namentlich und weiß um ihre Besonderheiten. Bis April wird sie diese Feldforschung fortsetzen, um dann an die Auswertung der Datenfülle zu gehen. Ihre Erkenntnisse können durchaus hilfreich für die artgerechte Haltung von Wisenten oder Heckrindern sein.

Dass die Herde ein Jahr auf einen Nachfolger für Nox hat warten müssen, hängt mit den abgeschmolzenen Genreserven zusammen. Veterinär Johannes Riedl musste erst ein passendes Tier aussuchen. Weltweit gibt es inzwischen zwar wieder etwa 3000 Wisente, in Polen und Litauen sogar frei lebend, aber genetisch standen nur zwölf Gründertiere zur Verfügung. Deshalb muss streng darauf geachtet werden, diesen fragilen Vererbungspool nicht durch züchterische Missgriffe weiter einzuschränken.

Medikation per Blasrohr

Riedl hat ein Auge auf den Gesundheitszustand der Kleinhohenrieder Herde. Die Tiere werden geimpft und entwurmt. Auch gegen die Blauzungenkrankheit wurden die Wisente immunisiert, denn dafür sind sie laut Riedl anfälliger als normale Hauskühe. Eine solche Vorbeugung ist bei diesen Wildtieren immer kompliziert. Da muss der Fachmann aus dem Veterinäramt meist zum Blasrohr greifen, um das Medikament zielsicher zu verabreichen.

Dank Georg Vilsmeier, der den Wildrindern Heu reicht, und sie mit Karotten lockt, können die Tiere in Gatter oder Stall gebracht und dort behandelt werden. Er freut sich über Neuzugang Egner. "Ein schöner Kerl", findet er schon nach dem ersten Kennenlernen. Vilsmeier sieht täglich nach der Herde und kontrolliert auch stets die Zäune, denn die Radiodurchsage "Wisente auf der Staatsstraße unterwegs!" gehört zu den Albträumen von Pressesprecher Riß, von denen er hofft, dass sie nie Wirklichkeit werden.