Bürger demonstrieren für ihre Freiheit

01.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:52 Uhr

Über allem droht der Hammer mit dem Bundesadler: Die Ingolstädter informieren sich über die zunehmende Datenspeicherung.

Ingolstadt (DK) Der Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung wächst: Auch Ingolstadt hat sich am Samstag unter dem Motto "Freiheit statt Angst" an einem bundesweiten Aktionstag beteiligt – mit mehreren Infoständen in der Fußgängerzone und einem Demonstrationszug.

Die zunehmende Datenspeicherung ruft die Bürger auf den Plan. Ob Überwachungskameras an Bahnhöfen, die elektronische Gesundheitskarte oder die vermeintlich harmlosen Payback-Karten – sie alle tragen dazu bei, dass die Deutschen zunehmend zum gläsernen Menschen werden. Lieselotte Fischer aus Ingolstadt wehrt sich dagegen: "Die Deutschen lassen sich doch alles gefallen", sagt sie, während sie und etwa 100 andere Demonstranten vom Münster zum Paradeplatz ziehen. "Eigentlich müsste man doch jeden Tag auf die Straße gehen." Hat sie denn schon öfter demonstriert? "Nein, heute ist es das erste Mal", sagt die agile 72-Jährige bestimmt. "Und das ist doch genau das Problem: Die müssen endlich merken, dass Widerstand da ist."

Die, das sind Politiker wie Innenminister Wolfgang Schäuble. Auf der Hälfte der Strecke hält der Zug in der Theresienstraße an. Parteiübergreifend sprechen Kommunalpolitiker ein Grußwort. Thomas Thöne (SPD) kritisiert, dass Schäuble eine Selbstverpflichtung von den Telekommunikationsunternehmen erwartet, bestehende Gesetze einzuhalten. "Das ist doch der Hohn überhaupt." Jürgen Siebicke (Die Linke) sagt, er wolle keine Gesellschaft, in der die Menschen bespitzelt würden, weil die Politiker Angst vor ihnen hätten. Und in den Augen von Christel Ernst (FDP) sind die Schreckensvisionen eines George Orwell, der seinen Roman "1984" bereits 1948 geschrieben hat, längst Realität. "Er hatte die Vision, dass unsere Bewegungen gefilmt werden." Jetzt gehe es längst um ganz privaten Bereiche. "Ich habe noch nie in meinem Leben demonstriert. Heute bin ich gerne dabei, weil es um ungeheuer viel geht."

Stefan Walter von den Grünen zählt Beispiele wie die Bespitzelung von Mitarbeitern bei zahlreichen Handelsunternehmen auf und zieht einen traurigen Schluss: "Datenschutz interessiert leider nicht." Und er ruft der Gruppe zu: "Freiheit statt Angst".

Unter diesem Motto hat der Arbeitskreis Datenspeicherung den bundesweiten Aktionstag organisiert. Thomas Jakobi ist mit dem Ergebnis in Ingolstadt zufrieden: Zahlreiche Handzettel wurden verteilt, und auch wenn die Resonanz am Stand in der Ludwigstraße, gegenüber der City-Arcaden, hätte besser sein können, kamen doch einige Bürger vorbei, die allesamt bereits sehr gut informiert waren. Mehrere Parteien stellten zudem eigene Stände auf.

Mitorganisatorin Sandra Mamitzsch hatte auf 50 Teilnehmer an der Demonstration gehofft, "dann wäre es schon ein Erfolg gewesen." Tatsächlich war die Resonanz dann deutlich größer, um die 100 kamen. Was Jakobi besonders freut: Der Geschäftsführer eines Mobilfunkgeschäfts spendierte spontan zehn Pre-Paid-Karten für Handys, deren Besitzer damit nicht nachvollzogen werden können. Und er machte für genau solche Karten am Samstag einen Sonderpreis. "Da sieht man", sagte Jakobi, "dass das Problem schon gesehen wird."

Der DONAUKURIER hat sich gegen die zunehmende Einschränkung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit Anfang November mit einer schwarzen Titelseite gewehrt. Chefredakteur Michael Schmatloch und weitere Kollegen kamen zum Infostand und gaben den Bürgern Auskunft. "Denn das ist eines der wichtigsten Themen", sagte er, "da müssen wir uns wehren." Und so werde der DONAUKURIER auch beim nächsten Mal dabei sein, wenn die Ingolstädter auf die Straße gehen.